CDU und Kirche: Wie die CDU sich vom C entfremdet
Die Entfremdung zwischen Unionsparteien und den großen Kirchen dauert schon eine Weile an. Aber jetzt ist ein neuer Punkt erreicht.
Man konnte sich schon länger fragen, wie viel C bei der Union noch übrig ist, und wie die christlichen Stammwähler*innen es eigentlich finden, dass Merz von Nächstenliebe anscheinend nicht so viel hält. Aber es passierte nicht viel. Bis die Berliner Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Anne Gidion und Karl Jüsten, zu einem kleinen Akt der Rebellion ansetzten.
Sogar Bundeskanzler Olaf Scholz nahm ihre Warnung vor Abstimmungen mit der AfD in seine Rede vor dem Bundestagsplenum auf. Die Bischofskonferenz beeilte sich, klarzustellen, dass sie mit der Aktion nichts zu tun habe. Aber da war es schon zu spät. „Die Kirchen kritisieren die Union“ – dieses Narrativ war in der Welt.
Seitdem gibt es Stress. Ex-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer etwa beendete ihre Mitarbeit beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken, weil sie mit der Kritik am Migrationskurs der Union nicht einverstanden sei. Eine Verständigung sei laut Komitee nicht möglich gewesen. Die Laienorganisation der katholischen Kirche hatte Merz’ Vorstoß zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ scharf kritisiert.
„Die Zerwürfnisse, die wir in den letzten Tagen beobachtet haben, sind der Ausdrucke einer schon lange währenden Entfremdung“, sagt Zeithistoriker Thomas Großbölting. In den Kirchen seien die Stimmen seit den 80er Jahren pluraler geworden. In der CDU wiederum habe man den C-Kern immer stärker hinter sich gelassen – zuletzt etwa bei der Diskussion, ob das C im Namen nicht gänzlich abgeschafft werden solle. „Auch die christlichen Arbeitnehmerausschüsse haben in der Union an Einfluss verloren“, sagt Großbölting.
Während Kirchenmitglieder sich in der Flüchtlingshilfe engagieren und wohl eher der Merkel-CDU nahestehen, rücken die Unionsparteien weiter nach rechts. Im Parteitags-Gottesdienst fiel die Kritik an der Union dafür recht sanft aus. Die Botschaft dürfte trotzdem angekommen sein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!