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Bundestagskontrollgremien ohne LinkeLinke wirft Union Demokratiegefährdung vor

Durch ihre Nichtwahl in drei Bundestagsgremien sieht die Linke ihre Kontrollmöglichkeiten als Opposition eingeschränkt. Das will sie nicht hinnehmen.

Wen Heidi Reichinnek für das streng geheime Parlamentarische Kontrollgremium gewählt hat, bleibt natürlich streng geheim Foto: Political-Moments/imago

Berlin taz | Auch in der Woche danach ist Ines Schwerdtner noch sichtlich verstimmt. „Dass man diese grundsätzliche Entscheidung so personalpolitisch aufgeladen hat, ist eine enorme demokratische Schwächung“, empörte sich die Linken-Vorsitzende am Montag im Karl-Liebknecht-Haus, ihrer Berliner Parteizentrale. Das sei „wirklich demokratiegefährdend“, sagte sie in Richtung der Union.

Was Schwerdtner so erregt, ist das Wahlverhalten von CDU und CSU am vergangenen Donnerstag. Denn da ließen diese gleich drei Linksparteiabgeordnete bei der Besetzung parlamentarischer Kontrollgremien durchfallen. Die Fraktionsvorsitzende Heidi Reichinnek scheiterte mit ihrer Kandidatur für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), das die Geheimdienste überwachen soll. Mindestens 316 Stimmen hätte sie bekommen müssen, 260 Stimmen erhielt sie.

Parteichefin Schwerdtner schaffte es mit 279 Stimmen nicht in das Bundesschuldenwesengesetz-Gremium, das vom Bundesfinanzministerium über alle Fragen des Schuldenwesens des Bundes unterrichtet werden muss. Und die Kieler Abgeordnete Tamara Mazzi verfehlte mit 263 Stimmen ebenfalls die notwendige Stimmenmehrheit für das Bundeswehrfinanzierungs- und -sondervermögensgesetz-Gremium, das vom Verteidigungsministerium regelmäßig über alle Fragen des „Sondervermögens Bundeswehr“ zu unterrichten ist.

Da auch erwartungsgemäß die AfD-Kandidaten nicht gewählt wurden, sind in diesen drei Gremien bloß noch die Grünen als einzige Opposi­tions­partei vertreten. Nur in das Vertrauensgremium schaffte es mit Dietmar Bartsch ein Linker. Er bekam 347 Stimmen. Kurios: Ausgerechnet der einzige Linken-Kandidat mit SED-Vergangenheit erhielt damit auch mehrheitlich die Stimmen von CDU und CSU. Aufgabe des Vertrauensgremiums ist es, die Wirtschaftspläne für die Nachrichtendienste zu billigen, die ihm vom Bundesfinanzministerium vorgelegt werden.

Unionspöbelei gegen Reichinnek

Während es von der Union keine öffentliche Begründung für die Nichtwahl von Schwerdtner und Mazzi gab, schoss sie desto schärfer gegen Fraktionschefin Reichinnek. „Sie steht für eine Linkspartei, die sich nach wie vor nicht glaubwürdig vom Linksextremismus distanziert und deren Haltung zum Antisemitismus zumindest ambivalent wirkt“, wetterte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger. „Heidi Reichinnek ist unwählbar“, verkündete CSU-Generalsekretär Martin Huber. Denn dem PKGr dürften „nur vertrauenswürdige Personen“ angehören. Harter Tobak.

Das PKGr soll die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesamts für Verfassungsschutz überwachen. Die Bundesregierung muss das Gremium über die Tätigkeiten der Nachrichtendienste und über Vorgänge von besonderer Bedeutung unterrichten. Das formal neunköpfige Gremium ist jetzt nur mit sechs Abgeordneten besetzt, von denen der Grüne Konstantin von Notz der einzige Oppositionspolitiker ist.

Problematischer Nebeneffekt: Die reduzierte Mitgliederzahl gefährdet die Arbeitsfähigkeit. Denn um beschlussfähig zu sein, müssen Zweidrittel der möglichen Mitglieder anwesend sein, was genau den sechs gewählten Mitglieder entspricht. Fehlt auch nur eine oder einer, ist das Gremium beschlussunfähig.

Linksfraktion berät noch über weiteres Vorgehen

Die Union sei „nicht fähig, mit einer starken Opposition umzugehen“, kritisierte Schwerdtner am Montag. „Wenn sie meinen, dass sie eine Fraktionsvorsitzende nicht wählen können, frage ich mich, wer überhaupt in Frage kommt“, so die Linken-Vorsitzende mit Blick auf CDU und CSU. Um die Regierung kontrollieren zu können, sei es für die Linksfraktion jedoch „absolut wichtig, dass jemand von uns in dem Gremium ist“.

Auf ihrer nächsten Sitzung werde die Fraktion beraten, wie sie nun weiter vorgehen wolle, ob sie beispielsweise jemand Neues aufstellen werde, so Schwerdtner. Das gelte auch für die anderen Kontrollgremien. Sie sei aber „nicht bereit, Kandidaten vorzustellen, die der Regierung bequem oder angenehm sind“. Da verspüre sie „ein großes Unbehagen“.

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15 Kommentare

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  • Die Behauptung, dass eine Wahl demokratiegefährdend ist weil nicht das gewünschte Ergebnis rauskam zeugt von einem sehr bedenklichen Demokratieverständnis

  • To add insult to injury: sich von der Union (!!) über Demokratie belehren lassen zu müssen.

  • Natürlich will die CDU nicht, dass die Geheimdienste kontrolliert werden. Diese Partei selbst ist dazu weder willens noch in der Lage. Linke, demokratische Politiker:innen sollen diesen Klüngel nicht stören. Das gilt auch für andere Bundestagsgremien.

    Insofern hat Ines Schwerdtner Recht, wenn sie sagt, dies sei "demokratiegefährdend". Na ja, CDU und Demokratie, das hat sich ja noch nie besonders gut gereimt.

  • "Ines Schwerdtner (...) „wirklich demokratiegefährdend“, sagte sie in Richtung der Union."



    Völlig unabhängig vom zugrundeliegenden Sachverhalt, aber solche Bemerkungen, wenn eine Wahl nicht wunschgemäß ausgefallen ist, haben für mich immer einen seltsamen Beigeschmack.

    • @Encantado:

      Das Parlament ist in seiner Kontrollfunktion massiv geschwächt. Und zwar zum zweiten Mal, nachdem Merz den erfahrenen PKGr-Mann Kiesewetter abgesägt hat. Wer da mit wunschgemäß und Beigeschmack kommt, hat den Ernst der Lage nicht verstanden.

  • Für die Besetzung von Ausschüssen gibt es keinen Königsweg. Kein Verfahren führt zu eindeutig "richtigen" Ergebnissen.



    Gar kein Verständnis jedoch habe ich dafür, wenn man den Ausschluss der AfD aus dem Präsidium und Ausschüssen durch Wahlen feierte - und Szenarien wie dieses dabei gar nicht auf dem Schirm hatte.

  • der deutsche Trumpismus der cdu zieht weitere Kreise.



    Niederträchtig.

  • Natürlich hat Die Linke recht. Der Opposition stehen in den Ausschüssen entsprechend ihrer Fraktionsstärke auch Sitze zu. Das betrifft aber eben auch die AfD. Die AfD ist frei und demokratisch gewählt, ebenso wie Die Linke, dann gilt auch gleiches Recht. Eine Demokratie verträgt das und echte Demokraten halten das aus.

  • Es ist viel zu gefährlich Die Linke in das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zur Kontrolle der Nachrichtendienste zu lassen. Dieses kontrolliert den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst (MAD) und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV).

    Islamisten ständen dann überhaupt nicht mehr unter Aufsicht. Wie auch, Die Linke will ja sogar den Gebrauch des Begriffs "Islamismus" untersagen.

    Was man nicht benennen darf, existiert offiziell auch nicht. Alle Diktaturen verwenden diesen kleinen Trick.

    Wie wollen diese Nachrichtendienste dann noch Attentate verhindern? Dass zigtausende von Swifties in Wien noch leben, haben sie der Arbeit von Nachrichtendiensten zu verdanken.

    Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) ist weder für Die Linke noch für die AfD geeignet.

    taz: "Es braucht eine emanzipatorische Kritik am Islamismus"



    taz.de/Vom-Beschwe...stimmung/!6078300/

    SPIEGEL: "Kühnert über islamistischen Anschlag in Frankreich "Die politische Linke sollte ihr Schweigen beenden"



    www.spiegel.de/pol...-a56a-a42d87a62532

  • Hehre Worte. Mal schaun wieviel sie Wert sind wenn es um die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses geht.

  • Wenn man, wie Frau Schwerdtner, im wesentlichen formal argumentiert (was ja an sich nicht falsch ist), dann gibt es aber auch keinen Grund, etwa die AfD auszuschließen. Da aber ist die Linkspartei immer vorneweg mit dabei.



    Wenn man allerdings inhaltlich argumentiert, gilt für die Linkspartei dasselbe wie für die AfD. Auch bei der Partei "Die Linke" gibt es eindeutig Gruppierungen, die der Verfassungsschutz als linksextremistisch einordnet. Mehrere Bundestagsabgeordnete der Partei sind zudem Mitglieder der "Roten Hilfe", die ebenfalls als linksextremistisch eingestuft wird.



    Dass ausgerechnet Dietmar Bartsch gewählt worden ist, ist weniger kurios als Beucker vermutet. Abgesehen davon, dass ihn niemand für einen Linksextremiisten hält und er sich auch glaubhaft von der DDR distanziert hat, besitzt er etwas, über das die frischgewählten Damen Reichinnek, Schwerdtner und Mazzi nicht verfügen: persönliche Reputation.

  • Da hat Herr van Aken seiner Partei mit seiner Aktion einen Bärendienst erwiesen.

  • "Durch ihre Nichtwahl in drei Bundestagsgremien sieht die Linke ihre Kontrollmöglichkeiten als Opposition eingeschränkt. Das will sie nicht hinnehmen."



    Komisch, bei der AfD war das noch angemessen. Aber es ist halt immer was anderes, wenn es einen selber trifft.

    • @Encantado:

      Leisten Sie sich doch den Luxus und durchdenken Ihr Statement nochmal anhand substantieller und nicht formaler Kriterien. Die AfD ist undemokratisch, die Linke ist es nicht. Es gibt keinen Grund für die Gleichbehandlung substantiell sehr unterschiedlicher Parteien.

    • @Encantado:

      War da nicht was mit der AfD ? Ach ja, Verdacht auf Rechtsextremismus....