Bündnis Sahra Wagenknecht: Sie glauben, es hackt
Das BSW schlägt sich offenbar mit einem Datenleck herum – und spricht von einem Hackerangriff. Ist die Partei zum Opfer dunkler Mächte geworden?
![Menschen nehmen an einer Wahlkampfveranstaltung des Bündnis Sarah Wagenknecht teil. Menschen nehmen an einer Wahlkampfveranstaltung des Bündnis Sarah Wagenknecht teil.](https://taz.de/picture/7209885/14/36271206-1.jpeg)
W urde das BSW Opfer eines „Cyberangriffs“ oder ist die Wagenknecht-Truppe nur einfach zu blöd, um ausreichend sorgsam mit den Daten ihrer Mitglieder und Unterstützer:innen umzugehen? Fakt ist jedenfalls, dass es mal wieder ein heftiges Leck bei dieser Partei neuen Typs gegeben hat.
Nach Angaben von Correctiv liegen der Rechercheplattform etwa 70.000 personenbezogene Daten vor, darunter Mitgliederlisten sowie Angaben zu Unterstützer:innen und Newsletter-Abonnent.innen. Auch die bislang weitgehend nicht öffentlich gemachten 42 „Landesbeauftragten“, die für Aufbau und Personalrekrutierung des BSW in den Ländern zuständig sind. Bei ihnen soll es sich laut Correctiv größtenteils um „Bundestagsabgeordnete, Parteivorstände, Landtagskandidaten und andere Funktionäre“ handeln, was einen Einblick in die Parteistruktur geben würde.
Umstritten ist, wie umfangreich die geleakten Datensätze sind. Correctiv gibt an, sie enthielten neben persönlichen Kontaktinformationen auch noch beispielsweise Angaben über die Teilnahme an Wahlpartys und Details zu Unterstützer:innen in verschiedenen Bundesländern. Das BSW behauptet demgegenüber, dass nach seinem „derzeitigen Kenntnisstand“ lediglich die E-Mail-Adressen sowie Vor- und Nachnamen betroffen seien.
Wie auch immer: Für einen Verein, dessen Entstehungsprozess aus der Linkspartei heraus auf einem Höchstmaß an Klandestinität beruhte und der bis heute viel Wert auf die Verschleierung seiner internen Strukturen legt, ist das natürlich höchst misslich. Und vielleicht abgesehen von einer Niederlage Russlands im Ukrainekrieg gibt es für Wagenknecht wohl kaum etwas Schlimmeres als Kontrollverlust. Entsprechend groß ist die Empörung: Böse Kräfte müssen hier am Werk gewesen sein.
Das BSW sei „wahrscheinlich erneut das Ziel eines Cyberangriffs geworden“, beklagt die Co-Parteivorsitzende Amira Mohamed Ali in einem Rundschreiben an die „Freundinnen und Freunde“ des BSW. Sofort nach Bekanntwerden sei der Vorfall „unverzüglich an alle relevanten Behörden, einschließlich der Staatsanwaltschaft und der zuständigen Datenschutzbehörde gemeldet“ worden. Dem Spiegel erklärte ein BSW-Sprecher auf Anfrage, nach Einschätzung der Partei handele es sich um einen Hackerangriff.
Fehler eingestehen keine Stärke
Doch an dieser Darstellung bestehen erhebliche Zweifel. So schreibt Correctiv, der Datensatz habe „bis vor Kurzem offenbar ungeschützt im Netz“ gelegen, „obwohl schon im März bekannt wurde, dass es ein solches Leck gab“. Tatsächlich hatte das BSW bereits im Frühjahr einen Spiegel-Bericht bestätigen müssen, nach dem Unbefugte offenbar wegen fehlender Sicherheitsmaßnahmen Zugriff auf Informationen zu Tausenden Spender:innen und Newsletter-Abonnent:innen erhalten konnten. Einiges spricht dafür, dass sich das BSW entgegen seiner Beteuerungen auch danach nicht mit der gebotenen Sorgfalt um den Datenschutz und die IT-Sicherheit bemüht hat.
Die neuen Daten sollen aus dem Juni dieses Jahres stammen und hätten „zu dem Zeitpunkt weiterhin über die Webseite heruntergeladen werden“ können, berichtet Correctiv. Ein Informant habe dem investigativen Medienhaus bestätigt, „dass das Leck trotz öffentlicher massiver Berichterstattung nach dem ersten Vorfall im März nicht geschlossen wurde“.
Dann jedoch wäre die Partei nicht Opfer eines Angriffs, sondern der eigenen Fahrlässigkeit. „Wenn man rudimentäre IT-Sicherheit nicht in den Griff kriegt, zum 2. Mal innerhalb weniger Monate Tausende ungeschützte personenbezogene Datensätze von der eigenen Website herunterladbar sind, und dann behauptet, das sei ein Cyberangriff“, spottet denn auch die Linken-Bundestagsabgeordnete und Netzaktivistin Anke Domscheit-Berg über ihre früheren Parteifreund:innen vom BSW.
Nun ja, das Eingestehen von Fehlern und eigenen Unzulänglichkeiten gehört nicht zu den Stärken von Wagenknecht & Co. Sich als Opfer dunkler Mächte zu gerieren, passt da schon besser ins Programm. Schließlich findet das BSW gerade bei Anhänger:innen von Verschwörungstheorien größeren Zuspruch. Mal schauen, wie das die Datenschutzbehörden sehen, die sich jetzt mit dem Fall beschäftigen müssen.
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