Bruch des Kirchenasyls in Bremen: Wenn Rote braune Stimmen wollen
Nach dem Bruch des Kirchenasyls sagt Bremens Innensenator, er habe keinen Spielraum gehabt. Steckt hinter der neuen Linie schlicht alte SPD-Angst?
W enn Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) sagt, beim soeben knapp verhinderten Bruch des Kirchenasyls – also der knapp verhinderten Abschiebung des Somaliers Ayoub I. nach Finnland – habe Bremen nun mal keinen Spielraum gehabt, dann lässt sich das erst mal nicht widerlegen. Mäurer argumentierte, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) sich der Einschätzung aus der Kirchengemeinde nicht anschließe, wonach eine besondere Härte drohe, dann müsse man das als Land umsetzen – also „rückführen“ dorthin, wo der Asylantrag gestellt wurde.
So weit, so Papier. Was der Senator damit ebenso wenig erklärt hat, wie vor einiger Zeit in ganz ähnlichem Zusammenhang sein Hamburger Amts- wie auch Parteikollege Andy Grote: Dissens zwischen Bamf und den Obdach gewährenden Kirchen gibt es immer wieder. Aber längst nicht in jedem solchen Fall wird tatsächlich abgeschoben. Der neulich in Hamburg und nun in Bremen zu verzeichnende Kurswechsel, das Vorgehen mit neuer (oder ganz alter) Härte – dafür müssen sie sich vor Ort entschieden haben.
Oder kam der Anstoß sehr wohl aus Berlin, wo das Bamf zwar nicht seinen Hauptsitz hat, aber das Kanzleramt? Denn mit der Forderung nach mehr Drastik beim Loswerden von Menschen hat sich unlängst ja ein gewisser Olaf Scholz zu profilieren versucht – noch ein Sozialdemokrat. Dass der eine Ecke früher als geplant um seine Wiederwahl bangen muss, macht diesen Bundeskanzler sicher nicht weniger anfällig für Einflüsterungen, was man so alles tun müsse, um rechts und noch weiter rechts bloß keine potenziellen Wähler:innen zu verprellen.
Die SPD sei „treibende Kraft einer unmenschlichen Migrationspolitik geworden“: Das hat dieser Tage nicht irgendwer gesagt – es kam aus den Reihen der Bremer Jusos. Noch vor dem nächtlichen Polizeieinsatz in der Bremer Zionskirche übrigens: Den bezeichnete der Juso-Co-Vorsitzende Aaron Thatje als „beschämend“.
Der eigene Nachwuchs entlässt auch SPD-Bürgermeister Andreas Bovenschulte nicht aus der Verantwortung: Dessen Schweigen „spricht Bände“, erklärte man. Da nimmt es sich ja fast zurückhaltend aus, wenn die Grüne Jugend am Mittwoch nur den Rücktritt Mäurers verlangt hat.
Der wird so wenig kommen, wie der Bürgermeister wackelt, dafür werden die erwachseneren Koalitionsfraktionen Sorge tragen. Zu befürchten ist umso mehr, dass sich Law-and-Order-Fantasien eher öfter als seltener einen Weg bahnen ins weitere sozialdemokratische Regierungshandeln – auf Kosten Betroffener, die hierzulande ja nicht wählen dürfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Greenpeace-Vorschlag
Milliardärssteuer für den Klimaschutz
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen