Britische Abgeordnete verlassen Labour: „Eine rassistische Partei“

Sieben Abgeordnete verlassen die britische Labour-Opposition. Grund: Corbyns Brexit-Kurs und seine antisemitischen Äußerungen.

7 Labour-Abgeordne

Wir sind dann mal weg: Diese 7 Labour-Abgeordnete sind nicht mehr Parteimitglied Foto: Simone Dawson/reuters

Die britische Labour-Opposition hat sich gespalten. Sieben Labour-Abgeordnete traten am Montagvormittag in London vor die Presse und erklärten, sie seien aus der Partei ausgetreten und würden künftig als Unabhängige im Unterhaus sitzen. Beobachter werten den Schritt als möglichen Vorboten nachhaltiger Erschütterungen der parteipolitischen Landschaft Großbritanniens.

Die sieben Dissidenten sind bekannte Kritiker des Labour-Parteichefs Jeremy Corbyn. Zentraler aktueller Streitpunkt ist die Haltung zum Brexit: Corbyn und die Parteilinke sind EU-Skeptiker, die Dissidenten sind gegen den Brexit. Doch an erster Stelle in ihren Austrittserklärungen, die die sieben nacheinander verlasen, stand die Veränderung Labours unter Corbyn.

„Labour ist jetzt eine rassistische, antisemitische Partei“, sagte der 66-jährige Mike Gapes, Labour-Mitglied seit dem Alter von 16 Jahren. Labour heute sei „nicht die Partei, der ich beitrat und die ich so viele Jahre unterstützt habe“. Gavin Shuker sagte, Labour unter Corbyn „hat der britischen Öffentlichkeit, ihren Hoffnungen und Ambitionen den Rücken gekehrt“. Angela Smith zeichnete folgendes Bild des Zustandes der Labour-Partei: „Sie wird von Intoleranz und Extremismus beherrscht. Sie ist unfreundlich und spalterisch. Sie ist eine Bedrohung der Zukunft unseres Landes. Und sie ist nicht mehr zu retten.“

Wortführerin der sieben ist Luciana Berger, Vorsitzende des parlamentarischen Flügels des Jewish Labour Movement. Sie kritisiert immer wieder Corbyns mangelnden Einsatz gegen antisemitische Ausfälle in den eigenen Reihen – jenseits der Infragestellung des Existenzrechts Israels geht das bis zur Holocaustleugnung. Jüngst startete ihr linksradikaler Ortsverband Liverpool-Wavertree den Versuch, ihr das Misstrauen auszusprechen. Ein entsprechender Antrag wurde zurückgezogen, nachdem Labour-Vizechef Tom Watson intervenierte und mit der Suspendierung des gesamten Ortsverbandes drohte – einer seiner Wortführer hatte gefordert, die Abgeordnete als „zionistische Störerin“ zu „entlarven“.

673 antiseministische Vorfälle in fast einem Jahr

Wenig später hatte die Labour-Führung erstmals Zahlen über antisemitische Vorfälle in den eigenen Reihen veröffentlicht. Demnach seien zwischen April 2018 und Januar 2019 673 Vorfälle untersucht worden und 96 Entscheidungen seien gefallen, davon 12 Parteiausschlüsse. In ihrer Austrittserklärung sagte Berger jetzt, es sei „peinlich“ geworden, Labour-Mitglied zu bleiben. Den kollektiven Austritt nannte sie „schwer, schmerzhaft, aber notwendig“.

Es müsse zu denken geben, dass eine jüdische Politikerin aus Labour hinausgeekelt worden sei, bemerkte gestern ein Labour-Loyalist im Fernsehen. Nicht nur diese Reaktion zeigt, dass der Schritt der sieben Abgeordneten weit über die Betroffenen hinaus Kreise zieht.

Bekanntester der sieben ist der Südlondoner Abgeordnete Chuka Umunna, halb nigerianischer Abstimmung und in der Vergangenheit als zukünftiger Labour-Chef gehandelt. Er sagte jetzt den etablierten Parteien den Kampf an: Großbritannien brauche Wandel, aber „sie können nicht der Wandel sein, denn sie sind das Problem“.

Auch andere Mitglieder überdenken ihre Labour-Zukunft

Die sieben wollen ihre Mandate nicht zurückgeben und somit auch keine Nachwahlen in ihren Wahlkreisen erzwingen. Sie gesellen sich nun zu drei ehemaligen Labour-Abgeordneten, die bereits ausgetreten sind. Kommentatoren erwarten weitere Austritte je nach Fortgang der Brexit-Debatten. Labour-Chef Corbyn sagte in einer ersten Reaktion, er bedaure die Austritte. Andere waren deutlicher: Die Labour-Jugend verbreitete Verse des Parteiliedes „Rote Fahne“, in denen von „Verrätern“ die Rede ist.

An der Labour-Basis, die EU-freundlicher ist als die Führung, überdenken allerdings zahlreiche Mitglieder jetzt ihre Zukunft. Die Frage stellt sich nun, ob die „Independent Group“ – die bisher weder Struktur noch Führer hat – zum Kern einer neuen Partei wird, wie zuletzt 1982 die Abspaltung des rechten Labour-Flügels als „Sozialdemokratische Partei“, die dann mit den Liberalen fusionierte. Spekulationen, EU-freundliche Abweichler bei Tories und Labour könnten eine Anti-Brexit-Partei gründen, gibt es schon lange.

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