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Boris Pistorius und seine EmotionenMännliche Hybris

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Der Verteidigungsminister muss nicht machen, was er macht. Sagt er. Ist das Selbstaufopferung für das Land oder blanke Überheblichkeit?

Verteidigungsminister Boris Pistorius: „Ich muss das hier nicht machen.“ Foto: Kaylee Greenlee Beal/reuters

I ch muss das hier nicht machen. Aber wenn ich es nicht mache, macht es keiner. Dann prangt an dieser Stelle ein Loch. Nicht einmal die sich sonst so gern als Kriegsexperten ausgebenden Kollegen ließen sich dazu überreden, diesen Platz in der Zeitung zu füllen. Und falls doch, hätten nur Männer das Geschehen der Welt kommentiert. So geht das nicht. Also opfere ich mich.

Oder anders gesagt: Heute mache ich mal den Boris Pistorius. Der SPD-Mann muss nämlich auch nicht machen, was er macht: Verteidigungsminister sein. Jedenfalls sagte er das kürzlich hinter verschlossenen Türen bei Verhandlungen zum Haushalt. Dazu muss man wissen, dass Pistorius sein Haus von den Sparplänen seines Kollegen Christian Lindner ausnehmen lassen wollte. Aber das ist, wenn man den knausrigen Finanzminister kennt, alles andere als easy. Weswegen Pistorius sich mal kurz vergaß und zischte: „Ich muss das hier nicht machen.“

Ich kann Boris verstehen. Volle Kanne. Wie oft frage ich mich: Was machst du hier eigentlich? Statt mich mit Kol­le­g:in­nen über Kommentarplätze im Blatt, Thesenzuspitzung, Redaktionsschlusszeiten und – Achtung – Honorare zu zoffen, könnte ich schon am Nachmittag Pastis trinken. Aber ich sitze brav am Schreibtisch und füge mich. Denn wenn ich es nicht mache, macht es (vielleicht) doch jemand anders.

Das ist der Unterschied zwischen Pistorius und mir: Er tut so, als hinge das Schicksal der Bundesrepublik von seinem Kampf für den Wehretat ab. Als hätte er das Recht, für sein Ministerium zu fordern, was anderen Häusern verwehrt bleibt. Pistorius wirft sich nicht in den Staub, wenn er sich dazu herablässt, das Verteidigungsministerium weiterzuführen – mit welchem Etat auch immer. Vielmehr offenbart er eine Seite, die der Öffentlichkeit bisher verborgen geblieben ist: Egozentriertheit und Hybris.

So etwas ist Frauen natürlich vollkommen fremd. Als frühere Genderredakteurin weiß ich das ganz genau. Aber notfalls opfern sie sich und kommen so um die unsinnigen Diskussionen mit sturen Böcken herum. Und geben gern die Quotenfrau – so wie ich heute. Auch wenn ich das nicht machen muss.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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27 Kommentare

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  • Es ist ja das Problem v SPD u Grünen, dass sie trotz Mißmut über die Blockadepartei FDP immer weiter machen u sich immer weiter von dieser über den Tisch ziehen lassen. rechtzeitig hinzuschmeißen, hätte beider Ruf weniger geschadet u hätte nach einer neuerlichen Wahl vielleicht eine Koalition ohne FDP ermöglicht. naja, hätte hätte.

  • Na dann geht er eben wieder als Laschet durch. Er kann das ja.

  • Es ist doch lobenswert, dass ein Minister klar macht, dass der Sparkurs der Regierung in unserer Zeit Harakiri ist.

    Deutschland muss dringend massiv investieren, und zwar in allen Bereichen. Bildung, erneuerbare Energien, Pflege, Verteidigung usw. Nur dann kann Deutschland wieder erfolgreich und zukunftssicher werden.

    Die Schuldenbremse muss weg, dieses Konstrukt führt Deutschland in den Abgrund.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Gnutellabrot Merz:

      Wir leben in der Vor-Merz-Zeit.



      Die Menschen sind schon schmerzbefreit.



      --



      Pi Pa Po -



      --



      Pistorius, (nix als Verdruss)



      Pastis - (für Simone Schmollack)



      Podologen (für die Fußtruppen)

  • Mit der Diätenerhöhung dürfte auch sein Gehalt angestiegen sein? Auch Lindners?

    Ich frage für einen Freund.

    @PS: danke, Frau Schmollack, dass Sie Ihrs machen.

  • "Er tut so, als hinge das Schicksal der Bundesrepublik von seinem Kampf für den Wehretat ab."

    Das könnte durchaus so kommen.

  • Bisschen mehr Inhalt hätte dem Kommentar nicht geschadet.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @Jesus:

      Mehr Inhalt? Das ist hier nicht die Bibel.



      „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis."



      (Goethe, Faust. Ganz am Ende.)

      • @95820 (Profil gelöscht):

        ... Die Bibel?... Meinen Sie die Stelle mit dem Armageddon?

        • 9G
          95820 (Profil gelöscht)
          @Monomi:

          Nein. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Jedesmal, wenn Pistorius nach Osnabrück zurück kommt, wird eine Sau durch dieses Trümmerdorf getrieben, das er hinterlassen hat. (und das alles ohne Panzer)



          mobil.osnabrueck.de/de/baustellen/

  • Warum soll denn Pistorius einen Job, den er vom Prinzip her nicht so erledigen kann wie er es von sich erwartet, und wie es ei Großteil der BRD, EU. NATO von ihm erwartet, nicht kündigen dürfen? Für 17k um Monat muss man auch nicht jeden Mist machen.

    • @LeSti:

      Ich mußte schon für jährlich 17k (btw, klingt cool) ziemlich viel Mist machen.

      • @0 Substanz:

        Tja, das ist das blöde. Wenn man in den untersten Einkommensschichten unterwegs ist, gibt etwas weniger Wahlfreiheit.

        • @LeSti:

          Boris' Beschwerde war ja gerade dass es "oben" gar nicht anders ist.

  • Das ist ja ein generelles Phänomen der Politik der letzten Jahrzehnte, das wird als Job angesehen, nicht als Beruf/Berufung, wenn man nicht genug Macht, Anerkennung und Geld bekommt droht man damit hinzuschmeißen oder tut es tatsächlich. Der Bubi aka Christian Lindner selbst ist ja ein Beispiel für sowas.



    Aber mal ehrlich, dem hätte ich in der Situation ja auch mal die Meinung gesagt und bestimmt auch angeboten mit ihm mal vor die Tür zu gehen ....

    Das die Politiker ihre Überzeugungen auch leben, ist ja leider mittlerweile vorbei. Es wäre ja kaum denkbar gewesen, dass Strauß und Wehner nach einem verbalen Schlagabtausch in der Bundestagskantine gemeinsam ein Bier getrunken hätten.

    • @Axel Schäfer:

      Wenn Pistorius sagt, dass er den Job so nicht machen kann, dann lebt er doch durchaus seine Überzeugung?

  • Die Militarisierung der Politik und die Ansage, die Bürger kriegstauglich zu machen, ist absurd. Offensichtlich ist eine Politik der Wohlstandsicherung kein Thema mehr für diese Ampel. Die Aktionäre von Rheinmetall etc. können weiterhin mit Wohlstandssicherung rechnen.

    • @Rolf B.:

      ...und immer schön auch an die Arbeitsplätze denken 😉

  • eigentlich heißt das nur, ich mach das nicht, wenn mir die Füße gefesselt werden... kein Bock, nachvollziehbar, wie ich finde. Selbstbezogen ist es ganz gewiß auch!



    Aber das sollte jede/r so machen ganz egal, welches Geschlecht. Und alle anderen dürfen es dann doof oder gut finden, je nach gusto.



    Es ist ja tatsächlich irrsinnig eine Armee aufrüsten zu sollen und gleichzeitig einen Sparbefehl zu bekommen. Ob man die Bundeswehr nun für nötig hält ist da völlig egal, wer A sagt muß auch B sagen, das geht übrigens an Lindner..



    Wenn Lindner sagt, wir brauchen die Armee nicht aufzurüsten, was durchaus ok wäre, dann kann er auch einen Sparbefehl ausgeben. Aber zu sagen spar mal, aber reiß Bäume aus... " ich muß das nicht machen" ist da genau die richtige Reaktion.

  • Pistorius hat das Ministerium, daß am schlimmsten runter geritten wurde und ist eindeutig dabei, diesen Stall aufzuräumen.



    Dieser Mensch liefert!



    Aber er wird die ganze Zeit ausgebremst, speziell auch von Herrn Scholz.



    Jetzt ist ihm im kleinen Kreis mal der Kragen geplatzt und sofort kommen kritische Sprüche.

  • "Er tut so, als hinge das Schicksal der Bundesrepublik von seinem Kampf für den Wehretat ab."

    Das nun nicht gerade.

    Aber von Kommentaren in der taz hängt dieses Schicksal deutlich weniger ab.

    Es ist irgendwie öde, jede halbwegs emotionale Äußerung eines Politikers stante pede zu skandalisieren.

    • @Jim Hawkins:

      Mit Ralf Morgenstern “…wenn’s denn wenigstens ein Skandal gewesen wäre!“

  • kurz - Breitbeinmann - Einfaltspinsel gleich Ausfallspinsel! Woll



    Mehr - is da schlicht nicht •



    ——-



    (Dank geht an Thomas Kapielski!;))

  • „Ich muss das hier nicht machen!“ - wird jetzt in meinen Wortschatz übergehen; und vielleicht sogar ein geflügeltes Wort . „Den Pistorius machen und alles hinschmeißen“ könnte das dann bedeuten.



    Auch gut für Lohnverhandlungen - hey Boss ich brauch mehr Geld …

  • Pistorius hat in der Sache recht, er muss das tatsächlich nicht (mehr) machen und könnte trotzdem noch zweimal am Tag warm Essen, um es mit Berti Vogts zu sagen...

    • @TheDigit:

      ...mit warmen Essen bekommen Sie kein Ego satt.



      Leute aus schlichten Verhältnissen haben da einen ganz speziellen Appetit...

  • "Als hätte er das Recht, für sein Ministerium zu fordern, was anderen Häusern verwehrt bleibt".



    Natürlich hat er dazu das Recht. Er darf, ich möchte gar meinen, er soll fordern, was er für sein Ministerium für richtig hält. Und das er das dabei sein politisches Gewicht in die Waagschale wirft (ich glaube mich zu erinnern, dass er seit Monaten der beliebteste Politiker nicht nur der Ampel ist) und mit seinem Rücktritt kokettiert, ist weder Hybris noch Egozentriertheit, sondern vielleicht eher Taktik. Auch die darf ein Verteidigungsminister beherrschen...