Börsendruck auf dem Wohnungsmarkt: Berlinverbot für Spekulanten
Weil der Senat nicht enteignen will, fordern Mieterverein und Grüne, den Marktzugang für börsennotierte Wohnungskonzerne zu beschränken. Der Senat hat da Zweifel.
Umso dringender müsste der Senat aber beantworten, was er denn seinerseits eigentlich tun will gegen weiter eklatant steigende Mieten – wenn Schwarzrot nicht enteignen will und nachdem die CDU höchstselbst auch schon den Mietendeckel weggeklagt hat und man sich im Bund Mietenstopps von der FDP verbieten lässt. Das Wohnungsbündnis des Senats inklusive Selbstverpflichtungen der privaten Immobilienwirtschaft ist gescheitert, ebenso ist vielfach längst erwiesen, dass der ohnehin stockende Neubau allein auch keine Lösung gegen steigende Mietpreise und Börsendruck auf dem Wohnungsmarkt ist.
Und die Lage ist heikler denn je, weil sich zu den ohnehin stark gestiegenen Lebenskosten nun auch noch der Börsendruck auf den Wohnungsmarkt erhöht. Denn im Zuge der Baukrise ächzen private Konzerne unter gestiegenen Zinsen, verwerfen Neubauvorhaben und erhöhen den Preisdruck auf Mieter*innen.
Angesichts der verschärften Lage bringt Ulrike Hamann vom Berliner Mieterverein eine weitere Möglichkeit ins Spiel, um langfristig den Börsendruck auf Wohnungsmärkte zu verringern. Sie sagte der taz, dass man prüfen müsse, börsennotierte Konzerne schlicht vom Wohnungsmarkt auszuschließen – frei nach der alten mietenpolitischen Forderung „Wohnraum darf keine Ware sein“. Sie erinnert daran, dass es rechtlich möglich sei, die Marktzugangsberechtigung von börsennotierten Unternehmen zu beschränken – eine Marktsperre für Börsenkonzerne.
Senatsverwaltung hat Zweifel
Tatsächlich hat vor etwas über einem Jahr genau dies der Wirtschaftsprofessor Stefan Klinski vorgeschlagen. In seinem 52-seitigen Rechtsgutachten und einem Beitrag für den Verfassungsblog kam er zu dem Schluss, dass es juristisch möglich sei, den Marktzugang für Börsenkonzerne auf Landesebene einzuschränken, weil das Wirtschaftsrecht nicht abschließend durch den Bund geregelt ist – anders als etwa beim Mietendeckel. Das wird seither in einer Fachöffentlichkeit diskutiert, wirkliche Schlagkraft hat die Forderung aber noch nicht entfaltet.
Auf eine taz-Anfrage bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen von Senator Christian Gaebler (SPD), inwiefern der Senat den Vorschlag für eine geeignete Maßnahme hält, wirft die Pressestelle der Senatsverwaltung vor allem Zweifel und Fragen auf: Man könne nicht abschließend prüfen, ob Berlin wirklich die Kompetenz dazu hätte, heißt es.
Ebenso müsste die Verhältnismäßigkeit geprüft werden, weil es ja schon Mietpreisbremse, Ersatzvornahmen bei Verwahrlosungen und Schutz gegen Verdrängung durch „Herausmodernisierung“ gebe. Und natürlich durfte als Gegenargument der Derailing-Dauerbrenner nicht fehlen, dass durch eine Marktzugangsbeschränkung kein Neubau entstehe.
Insgesamt konstatiert der Senat, dass der Vorschlag eine ähnliche Zielrichtung wie das Enteignungsvolksbegehren habe – und schon das halte man ja „für verfassungsrechtlich umstritten“, und man sei in Bezug auf seine Wirkung für mögliche Entspannung des Wohnungsmarktes „sehr skeptisch“ – trotz der gegenläufigen Meinung der selbst einberufenen Expertenkommission im Übrigen.
Die hatte im Übrigen auch ihrerseits „Kapitalmarktorientierung“ als mögliches alternatives Enteignungskriterium aufgeführt. Demnach würde nicht allein die Größe eines Unternehmens dieses „enteignungsreif“ machen, sondern die Gesellschaftsform oder das Geschäftsmodell, wie es in einem Extrakapitel „Alternative“ im Abschlussbericht der Expertenkommission heißt.
Senat setzt weiter auf „bauen bauen bauen“
Die Lage auf dem Wohnungsmarkt schätzt der Senat als „weiterhin sehr angespannt“ ein und rechnet damit, dass die kriselnde Wohnungswirtschaft dazu führen wird, „dass alle Mieterhöhungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden“ oder die Instandsetzung heruntergefahren werde. Als Gegenmaßnahme bleibe das oberste Ziel Neubau. Dazu setze man weiter auf das „Wohnungsbündnis“ (dessen Selbstverpflichtungen scheiterten), auf erhöhtes Wohnungsgeld (sprich: Umverteilung von staatlichen Geldern an Privatunternehmen) und den Ausbau des Mieterschutzes im Bund (was die FDP seit Regierungsantritt blockiert).
Die grüne Mietenpolitikerin Katrin Schmidberger will darauf nicht warten. Sie sagte der taz: „Wir sehen die Vergesellschaftung börsennotierter Wohnungsunternehmen als zentralen Baustein für den gemeinwohlorientierten Umbau des Berliner Wohnungsmarktes an.“ Es brauche aber auch Lösungen für Berliner*innen, die bei anderen privaten Unternehmen wie Fortis oder Hansereal mieten – „deren Ziel sind höchstmögliche Renditen durch den Verkauf von Eigentumswohnungen. Diese Geschäftsmodelle müssen gestoppt werden“, fordert Schmidberger. Sie müssten endlich zur Sozialpflichtigkeit gezwungen werden oder keine Wohnungen in Berlin mehr erwerben dürfen.
Die Grünen wollen zusammen mit Zivilgesellschaft und Expert*innen einen Entwurf für ein entsprechendes Wohnungswirtschaftsgesetz erarbeiten, das unter anderem auch eine Marktzugangsbeschränkung beinhalten soll und private Unternehmen „stärker in die Pflicht nehmen“ will. Das Ziel beschreibt Schmidberger so: „Zugänge zum Wohnungsmarkt sollten für die Unternehmen mit starken Auflagen verbunden sein und bei Nichterfüllung verwehrt werden.“
„Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“
Die Situation sei angesichts des Börsendrucks besonders brenzlig, sagt Schmidberger: „Es ist deutlich zu merken, dass der finanzielle Druck der Immobilienkonzerne an die Mieter*innen weitergegeben wird. Nachdem die Gewinne jahrelang sprudelten, wollen die börsennotierten Wohnungsunternehmen den Druck vom Finanzmarkt ja sogar teils dem Staat aufdrücken, ganz nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren.“
Es sei eine neue Dimension, wenn der Staat nun auch noch die Dividenden subventionieren soll, weil Unternehmen die Mieter*innen auffordern, mehr Geld beim Jobcenter zu beantragen. Der Druck spiegele sich nicht nur in höheren Mieten wider, sondern zeige sich auch durch weniger Engagement bei der Beseitigung von Mietmängeln durch die Vermieter. Gerade jetzt, wo die Unternehmen strauchelten, müsse man die Chance nutzen, Anteile zu erwerben. Schmidberger fordert: „Der Senat sollte statt einem blödsinnigen Rahmengesetz ein konkretes Umsetzungsgesetz für die Vergesellschaftung erarbeiten.“
Das den Grünen vorschwebende Wohnungswirtschaftsgesetz soll im Herbst fertig sein und Anfang des Jahres ins Abgeordnetenhaus eingebracht werden. Es klingt aus Mieter*innensicht vielversprechend: Neben der Marktzugangsbeschränkung soll es auch ein Miet- und Wohnungskataster enthalten, das Transparenz hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse auf dem Wohnungsmarkt schaffen soll. Zudem sollen Regulierungen von möbliertem Wohnraum, Auflagen zum Abriss von Gebäuden, Regulierung von Verkäufen enthalten sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen