Böllerverbot für Mensch und Tier: Verbände gegen KrachZischBumm
Unterschiedlichste Verbände fordern ein Böllerverbot zum Schutz von Einsatzkräften und Tieren. Die Pyrobranche weist das zurück. Sie erwartet Rekordumsätze.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert zusammen mit weiteren Verbänden ein generelles Verbot von privatem Feuerwerk. Es gehe auch „ohne Krach, Zisch, Bumm“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch: „Mit der Streichung eines einzigen Satzes in der Sprengstoffverordnung kann Bundesinnenministerin Nancy Faeser tausende Verletzungen und millionenfaches Tierleid verhindern“. Doch selbst Gespräche darüber würden von Faeser verweigert.
Der Initiative der Umwelthilfe haben sich inzwischen diverse Tierschutz- und Ärzteverbände angeschlossen. Auch die Polizeigewerkschaft (GDP) spricht sich für ein Verbot aus. „Wir werden gezielt angegriffen“, klagt GDP-Chef Jochen Kopelke. Polizisten würden mit Raketen beschossen und mit Böllern beworfen. Auch Schreckschuss- und Signalwaffen würden gegen die Beamten eingesetzt.
Die größte Gefahr geht Kopelke zufolge von privaten Festen aus. Dagegen seien organisierte Silvesterfeiern unproblematisch, weil dort Eingangskontrollen durchgeführt werden. Vor allem in Hamburg, Berlin und Bremen komme es zu Angriffen gegen Einsatzkräfte. Außerdem pocht die Gewerkschaft auf eine bessere Ausstattung der Polizisten gegen derlei Angriffe. Ein Verbot würde die GDP begrüßen. „Das muss endlich kommen“, meint Kopelke.
Auch Ärzte unterstützen die Initiative. „Böller und Raketen sind alles andere als harmlos für unsere Gesundheit“, kritisiert Lungenfacharzt Norbert Mülleneinsen. Demnach werden beim Abbrennen große Mengen giftiger Stoffe wie Kaliumnitrat, Strontiumnitrat oder Magnesium-Salze freigesetzt. Dies kann Asthma verschlechtern und Lungenkrankheiten auslösen. Zudem würden jedes Jahr zahlreiche Menschen von Böllern getroffen und zum Teil schwer verletzt. 2023 gab es bereits mehrere Todesfälle. Die gesundheitlichen Risiken ließen sich durch ein Verbot leicht vermeiden.
Auch Tierschutzverbände verlangen ein Verbot. Bei Haustieren wie Hunden oder Katzen löse der Krach Stress und Angst aus, sagt Franziska Wulff vom Jane-Goodall-Institut. Auch bei Zoo- und Wildtieren sind panische Fluchtbewegungen infolge des Lärms und der Lichtblitze zu beobachten. „Es geht nicht darum, weniger zu feiern“, betont Wulff. Doch müsse man Wege finden, nicht so viel Tierleid zu verursachen.
Resch sieht auch im Alkoholkonsum einen Grund für Unfälle während der Knallerei zu Silvester. „In keinem anderen Moment des Jahres sind so viele Menschen alkoholisiert oder betrunken.“ Sie dürften dann zwar nicht mehr Auto fahren, aber Sprengstoff weiter in die Hände nehmen.
Pyro-Verband sieht verzerrte Sachlage
Der Bundesverband für Pyrotechnik und Kunstfeuerwerk weist die Bedenken sowie die Forderung nach einem Verbot zurück. Die Umwelthilfe ignoriere wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse oder verzerre sie. „So wird etwa versucht, aus vereinzelt auftretenden Spitzenwerten eine extreme gesundheitsschädliche Luftverschmutzung zu konstruieren“, kritisiert der Verband. Daten des Umweltbundesamts zeigten, dass die Feinstaubbelastung schon vor Sonnenaufgang wieder unkritische Werte annehme. „Die stetigen Diffamierungen sind ein Schlag ins Gesicht von Millionen Menschen, die das Feuerwerk zum Jahreswechsel schätzen“, kritisiert Verbandsvorstand Ingo Schubert.
Die Industrie erwartet in diesem Jahr alles andere als eine Zurückhaltung beim Knallen. Zum zweiten Mal in Folge erwartet der Handel Rekordumsätze mit Böllern oder Batterien. Auch lehne einer aktuellen Umfrage zufolge nur eine Minderheit der Bevölkerung Feuerwerk ab. In den Covid-Jahren waren die Befürworter eines Verbots noch in der Mehrheit.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Sauerland als Wahlwerbung
Seine Heimat
Pragmatismus in der Krise
Fatalismus ist keine Option
Erstwähler:innen und Klimakrise
Worauf es für die Jugend bei der Bundestagswahl ankommt
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945