Black-Lives-Matter-Proteste in Berlin: Aufstehen in Würde
Jugendliche of Color lassen sich nicht mehr gefallen, dass der Staat sie bedroht und nicht beschützt. Allein in Berlin demonstrieren Zehntausende.
Es waren die 16- bis 25-Jährigen, die das Bild prägten. Sie gedachten im Schweigen und in aufbrausendem Beifall des durch Polizisten ermordeten schwarzen US-Amerikaners George Floyd. Stundenlang, konzentriert, konfliktfrei. Sie forderten „Black Lives Matter“ und meinten damit vor allem auch sich und alle Umstehenden. Viele der Teilnehmenden waren womöglich nie zuvor auf einer Demonstration, nicht für die Opfer des Anschlags von Hanau, nicht für die Aufklärung des Todes von Oury Jalloh. Doch das Bewusstsein über das Gift Rassismus innerhalb der Gesellschaft und ihrer staatlichen Institutionen tragen sie mit sich.
Es war eine der größten antirassistischen Demonstrationen der Geschichte Berlins. Schon zum eigentlichen Kundgebungsstart war der Alex so überfüllt, dass es nicht mehr vor noch zurück ging. Außen strömten weiter Tausende und verteilten sich vom Rotem Rathaus bis weit die Alexanderstraße hinauf. Hätten die OrganisatorInnen 100.000 Teilnehmende gemeldet, niemand hätte sich gewundert. Weil sie nichts sagten, blieben die 15.000 der Polizei, von den meisten Medien kritiklos übernommen – aber weit entfernt von der Realität.
Warum jetzt, kann man sich fragen: Warum wirkt ein Mord an einem schwarzen Mann so weit weg von hier so mobilisierend? Ganz einfach: Es spielt keine Rolle mehr, ob Halle oder Minneapolis, die sozialen Medien machen die Entfernung unsichtbar. Für heute 18-Jährige, für die die AfD und die mit ihr einhergehende rechte Gefahr zu ihrer Lebensrealität gehört, seit sie elf sind, ist es einfach eine neue Drohung. Eine zu viel, um weiter zu schweigen. Die gelebte kosmopolitische Realität der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist unendlich weit entfernt von den alten Kontinuitäten strukturell rassistischer Gesellschaften. Es gibt keinen Grund, das länger hinzunehmen.
Empfohlener externer Inhalt
Selbstverständlich muss man Angst haben angesichts so einer Massenveranstaltung zu Corona-Zeiten. Auch wenn die meisten ihre Masken trugen, der Mindestabstand war nicht einzuhalten. Das ist unverantwortlich, ja. Aber es ist auch Angst, die die Menschen dort hingezogen hat. Die Angst von jungen BerlinerInnen of Color, nicht dieselben Chancen im Leben zu haben wie ihre weißen FreundInnen. Die Angst vor rassistischer Polizeigewalt, vor Diskriminierung. Berechtigt und ernst zu nehmen.
Übergriffe der Polizei
Wie sehr, zeigte sich nach dem Ende der Veranstaltung. Gepanzerte Polizeieinheiten strömten durch diese so friedliche, sowohl ernste als auch lebensbejahende Menge und griffen Leute heraus. Brutale Festnahmen, nicht selten von schwarzen jungen Männern, die jede Verhältnismäßigkeit oder gar Rücksicht auf das Thema der Versammlung vermissen ließen. Wie anders hätte es sein können, dass sich Teilnehmende davon provoziert fühlten. Genau darum ging es doch. Um einen autoritären, rassistischen Staat, der seine BürgerInnen nicht schützt, sondern bedroht.
Legitimiert wurden die Polizeiübergriffe bereits vor Veranstaltungsbeginn durch einen Tweet der Deutschen Polizeigewerkschaft Berlin, in dem von der „Aggressivität der Berufsempörer & gewaltbereiten Krawallmacher“ die Rede war. Es ist unter anderem diese Verachtung, geäußert durch eine Lobbyorganisation der Polizei, geführt von einem ehemaligen Mitglied der Republikaner, die zeigt, warum diese Demonstrationen weitergehen müssen. So lange, bis solche Menschen in dieser Gesellschaft nichts mehr zu sagen haben und derartige Strukturen überwunden sind. Black Lives Matter!
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