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Bilanz für Fair-Trade-SiegelKaum mehr als Kaffee und Kakao

Der Markt für fair gehandelte Waren wächst. Aber die Verbraucher beschränken sich bisher beim Kauf auf wenige Produkte.

Kaffee gehört zu den Klassikern der fair gehandelten Produkte Foto: dpa

BERLIN taz | Verbraucher haben im vergangenen Jahr für Produkte mit Fairtrade-Siegel erstmals mehr als 1 Milliarde Euro ausgegeben. Damit steigerte sich laut dem Verein Transfair der Absatz von fair gehandelten Produkten um 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Von allen Fair-Trade-Produkten machen Waren mit dem gleichnamigen Siegel etwa 80 Prozent des Marktes aus.

Transfair zertifiziert seit 1992 Produkte, die nach sogenannten fairen Standards produziert wurden. Diese Standards legt die Organisation selbst fest. Dazu zählen soziale, ökologische und ökonomische Regeln wie das Verbot von Kinderarbeit und die Bezahlung des festgelegten Mindestlohn oder ein umweltschonender Anbau, bei dem kein Gentechnik-Saatgut verwendet werden darf.

Einer der Marktführer unter den Fairtrade-Produkten ist Kaffee. Der Absatz steigerte sich hier um 25 Prozent, so dass 3,8 Prozent des in Deutschland verkauften Kaffees aus fairem Handel stammten. Am Umsatz gemessen, steht Kaffee auf Platz eins.

Auch Bananen liegen unter den beliebtesten Fairtrade-Produkten. Ihr Absatz nahm um 9 Prozent zu. Jede zehnte im vergangenen Jahr verkaufte Banane trug damit das Fairtrade-Siegel.

Fairer Kakao verzeichnete im vergangenen Jahr mit einen Marktanteil von 6 Prozent in Deutschland den stärksten Zuwachs unter den Lebensmitteln. Auch weil große Firmen wie Ferrero und Riegel neuerdings fair gehandelten Kakao einkaufen. Einen Nachfragerückgang gab es derweil bei den Textilien mit Fairtrade-Siegel und beim Honig, mit jeweils 7 und 10 Prozent weniger Nachfrage als 2016.

Fairtrade ist nicht geeignet, den Ärmsten zu helfen

Ökonom Stefan Klonner

Dieter Overath, Geschäftsführer der Organisation, sieht die Entwicklung dennoch als klares Zeichen für noch mehr gerechteren Welthandel. „Der konventionelle Handel kann sich nicht mehr vor uns verschließen“, sagt er. Doch im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten legen die deutschen Verbraucher*innen weniger Wert auf das Fairtrade-Siegel als Konsument*innen in anderen Ländern. Im Schnitt geben die Deutschen pro Kopf 13 Euro für fair gehandelte Produkte im Jahr aus. In Österreich investierten die Konsument*innen 30 Euro und die Schweizer*innen 69 Euro im Jahr für Produkte mit Fairtrade-Siegel.

Doch das Siegel ist umstritten. „Fairtrade ist kein geeignetes Instrument, um den Ärmsten der Armen zu helfen“, sagt Stefan Klonner, Entwicklungsökonom der Uni Heidelberg. Um Anbauflächen fair zertifizieren zu lassen, müssten die Produzent*innen für ihre Verhältnisse hohe Investitionen tätigen. Das könnten nur besser gestellte Landwirt*innen leisten oder jene, die bereits gut organisiert sind.

Zudem handelt es sich laut Klonner bei Produkten wie Kaffee und Kakao um sogenannte Cashcrops, Produkte also, die ausschließlich für den Weltmarkt produziert werden. Hierfür höhere Preise und bessere Produktionsstandards zu verlangen sei einfacher als zum Beispiel für Reis oder Weizen, der in den Anbaugebieten selber ein Grundnahrungsmittel ist und wo nur ein kleiner Teil exportiert wird.

Dabei weist Klonner darauf hin, dass es für Bauern, die meist selbstständig tätig seien, schon einfacher sei, sich zu organisieren und Zugang zu fairen Abnehmer*innen zu haben, als für angestellte Fabrikarbeiter*innen, etwa in den Textilfabriken.

Künftig mehr fairen Reis und faire Textilien anzubieten, ist auch das Ziel von Transfair. Hierbei seien sie jedoch viel stärker auf die Mitarbeit der großen Konzerne angewiesen. Und diese zeigten sich bisher kaum kooperativ.

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5 Kommentare

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  • Vielleicht sollte der Verfasser nicht gar zu harsch mit dem deutschen Einkaufsverhalten umspringen. Im Vergleich zu den deutschen Preisen sind die österreichischen ein recht gutes Stück teurer und die schweizerischen kann man ruhig als "gepfeffert" bezeichnen.

     

    Dann sollte auch das Angebot in den Supermärkten betrachtet werden. Natürlich kann man fehlendes Fairtrade-Angebot an der Info-Theke reklamieren. Allerdings muss man damit rechnen, mit einem "Hammwernich" abgespeist zu werden. Mit etwas Glück hört man sich die Nachfrage des Kunden sogar geduldig an und verspricht, der Sache nachzugehen. Aber - leider - es tut sich nichts an der Front. Das Angebot an Fairtrade-Produkten ist nach wie vor mager bis überschaubar.

     

    Danach ergibt sich ein Schwarzer-Peter-Reigen vom Kunden zum Handel und vom Handel zum Einkauf, von dort weiter zum Großhandel. Bin schon gespannt, wann er über Importeur und Großhandel des Exportlandes beim bösen bösen Erzeuger landet, der gefälligst umsonst zu liefern hat.

     

    Wie nannte man diese Waren früher? Richtig: Kolonialwaren - Erzeugnisse der Kolonien.

     

    Den damaligen exorbitanten Gewinnen trauert der Handel offenbar heute immer noch nach. Und das Gejammere hört nicht auf, selbst angesichts der Tatsache, dass heute nahezu jede/r weiss, dass die dreistesten und größten Preissteigerungen den Handelsspannen entstammen und den Erzeugern kaum das Existenzminimum lassen.

    • @noevil:

      Richtig, "Markt" funktioniert nicht.

  • Und was sollen wir als Verbraucher jetzt tun? Also ich würde schon gerne die Hersteller fair bezahlen, aber ich habe mit Ihnen nun mal keine direkte Handelsbeziehung. Vieles (z.B. Blumen oder Früchte) kaufe ich auch lieber regional. Ich kann nicht gleichzeitig dem Biobauern hier und den Bauern in Lateinamerika helfen. Soviele Lebensmittel verbrauche ich nicht.

  • Hoppla, musste da jemand dringend ein neu gelerntes Wort („Cashcrops“) unterbringen ?

     

    Kaffee und Kakao sind relativ preiswert. Zugleich fallen sie in die Kategorie Genussmittel. Es ist schön, wenn man sie hat. Im Notfall geht es allerdings auch ohne sie. Das erleichtert die Kaufentscheidung ungemein. Man riskiert nichts, wenn man seine Vorurteile über Bord kippt und Solidarität übt, gewinnt aber ein erstaunlich gutes Gefühl. Der Mehrwert solcher guter Taten ist also erheblich. In einer Gesellschaft, die auf Profit ausgerichtet ist, erklärt das manches.

     

    „Die Wirtschaft“ (who the fuck...) redet uns Konsumenten seit gefühlten Ewigkeiten ein, Fairness würde sich nicht rechnen – und wenn doch, würde sie zu Lasten der Qualität gehen. Viele Leute glauben das ganz unbesehen. „Erfolg“ gibt schließlich beinah jedem recht in ihren Augen. Noch mehr Menschen aber denken nicht mal drüber nach, ob und wenn ja wie sie manipuliert werden. Die reagieren nur auf aufgeschnappte Stimmungen – und kaufen das, was am häufigsten propagiert wird. Von allen fair gehandelten Produkten sind das eindeutig Schokolade und Kaffee. Trends verstärken sich halt selbst mittels Werbung.

     

    Dass das Fairtrade-Siegel „kein geeignetes Instrument“ ist, um „den Ärmsten der Armen zu helfen“, ist damit aber nicht gesagt. Wichtig ist momentan noch, dass (selbst im hasenfüßigen Deutschland) erst einmal eine positive Entwicklung in Gang kommt. Dafür braucht es positive Erfahrungen, die man gerne öfter machen würde. Warum also nicht Schokolade und Kaffee? Wenn Schokolade und Kaffee fair produziert werden und trotzdem schmecken können, wieso sollten dann Fairness, Qualität und Preis anderswo ein unlösbarer Widerspruch sein? Ich meine: Wollen wir nicht alle fair behandelt werden als Teil des Produktionsprozesses?

  • mir reicht es ehrlich gesagt, wenn ich zwar nicht "den Ärmsten der Armen" helfe -dafür gibt es ja noch die Möglichkeit zu spenden - aber den Zweitärmsten ein faires Auskommen mit fairen Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu sichern. Besser als ohne Transfair ist es mit Transfair auf jeden Fall in der Welt.

     

    Wenn man alles will, kriegt man oft gar nichts.