Bewegungstermine in Berlin: Von Bauern das Kämpfen lernen
Der Rechtsdrall der Bauernproteste ist auf die neoliberale Bekämpfung der Klimabewegung zurückzuführen. Eigentlich gibt es gemeinsame Interessen.
E nde Gelände, Letzte Generation und Co. können ruhig etwas neidisch sein: Was Bäuer:innen am Montag zum Auftakt der Aktionswoche des Bauernverbandes in Sachen Blockaden geleistet haben, ist enorm und beachtlich. Überall in Deutschland haben Traktoren entscheidende Infrastrukturpunkte blockiert und das Land in Teilen lahmgelegt. Einige Städte wie Cottbus oder Brandenburg an der Havel sollen zwischenzeitlich kaum noch zu erreichen gewesen sein.
Möglich wurde diese Blockadeleistung, weil Bäuer:innen aufgrund ihrer Traktoren eine extrem kampffähige gesellschaftliche Gruppe sind, die schon in vergleichsweise geringen Zahlen (in Berlin protestierten eigentlich nur einige Hundert Menschen) enorm zu stören vermag. Entscheidend war aber auch, dass die Bäuer:innen ihre Blockaden vorab anmelden konnten und zum Beispiel das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg sogar noch Auflagen der Polizei gekippt hat. Im Kontext von Klimaprotesten wäre das schlicht unvorstellbar.
Warum das so ist, hat auch mit der gesellschaftlichen Unterstützung zu tun, die die Bäuer:innen haben – und die Letzte Generation nicht. Seit dem Peak der Klimabewegung im Jahr 2019 hat sich das Fenster geschlossen, in dem eine gerechte Alternative zum Bestehenden kurzweilig möglich schien. Das liegt vor allem an der neoliberalen Politik der Ampelparteien (plus CDU), die klargemacht haben, dass es eine gerechte Transformation auf Kosten der Reichen und Konzerne nicht geben wird (Stichwort Klimageld).
Was tun? Weitermachen!
Da ein gerechter Wandel nun aber vom Tisch ist, werden wenigstens die verbleibenden fossilen Privilegien erbittert verteidigt. In diesem Kampf finden sich breite Teile der Bevölkerung wieder – und die extreme Rechte versucht, diese Ängste zu instrumentalisieren, indem sie gegen Migrant:innen, Bürgergeldempfangende und Linke hetzt. In diesem Klima haben es linke Stimmen schwer, obwohl für Probleme wie das Sterben von Kleinbetrieben oder Landgrabbing durch Immobilienkonzerne eigentlich ein klassenkämpferischer Ansatz nötig wäre.
Dennoch ist es wichtig, dass sich etwa die AK Grüne Gewerke der FAU Dresden an den Protesten beteiligt – schon alleine, um jene Landwirte nicht alleine zu lassen, die sich nicht von rechts vereinnahmen lassen wollen. Kontraproduktiv ist es dagegen, wenn Linke nun herablassend über Bäuer:innen herziehen und wenn – auch in der taz – von Mähdrescher- und Mistgabelmobs gesprochen wird. Irre wird es, wenn den Bauern dann auch noch in merkwürdiger Umkehrung der Polemik gegen die Letzte Generation attackiert werden, weil sie Straßenblockaden errichten.
Wem soll man noch Doppelstandards vorwerfen, wenn man sie selbst anlegt? Vom Tisch ist mit den Bauernprotesten aber die Illusion, dass es bei der Kriminalisierung von Klimablockaden jemals um so etwas wie Rechtsstaatlichkeit gegangen wäre. Für Linke dürfte es eigentlich keine Überraschung sein: Von der Bevölkerung werden Blockaden dann akzeptiert, wenn sie politisch gefallen – und vom Staat, wenn er sie akzeptieren muss.
Versammlungsfreiheit verteidigen
Wenn aber demokratische Rechte zunehmend nach Gefallen gegeben und genommen werden, müssen sie verteidigt werden. Die Versammlungsfreiheit beispielsweise ist derzeit akut bedroht – doch nicht wegen der Bauernprotesten. Fast sieben Jahre nach dem G20-Gipfel beginnt am 18. Januar der Prozess gegen sechs Betroffene des sogenannten Rondenbarg-Komplexes in Hamburg. In der Straße Rondenbarg wurden während des Gipfels 2017 Demonstrierende von der Polizei teils ins Krankenhaus geprügelt, nachdem aus den vorderen Reihen einige Steine geflogen waren.
Keineswegs werden den sechs Menschen, deren Prozess jetzt auch mal beginnt, Steinwürfe zur Last gelegt. Die Staatsanwaltschaft versucht über das Konstrukt einer „gemeinschaftlichen Tat“ zu argumentieren, dass bereits das bloße Mitlaufen auf der Demo „psychische Beihilfe“ für die Steinwürfe gewesen sei. Offensichtlich wäre eine Verurteilung ohne Nachweis von individuellem Fehlverhalten ein schwerer Schlag gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Am Dienstag um 19 Uhr informiert eine Podiumsdiskussion im Mehringhof deshalb über das Verfahren. Zum Protestauftakt wird es am Samstag (20. 1.) in Hamburg auch eine Demo geben, zu der bundesweit mobilisiert wird. Aus Berlin fährt an dem Tag um 10:30 Uhr an der Ecke Ostbahnhof / Koppenstraße ein Solibus (vorherige Anmeldung unter gemeinschaftlichberlin@systemli.org, empfohlener Solibeitrag 15 Euro).
Klimakrise und Faschismus bekämpfen
Aber noch weitere Themen, die von der politischen Linken bespielt werden, gehen eigentlich auch die Bäuer:innen an. So betrifft etwa Wasserknappheit, wie sie die Klimakrise auslöst und etwa vom Tesla-Werk in Grünheide verstärkt wird, auch die Landwirte. Jeden Monat veranstaltet die BI „Tesla den Hahn abdrehen“ Führungen mit vielen Infos und Neuigkeiten. Der Termin ist auch eine gute Gelegenheit, sich zu vernetzen, um aktiv gegen den Ausbau der Fabrik zu werden. Los geht es am Samstag (13. 1.) um 13 Uhr am Regionalbahnhof Fangschleuse.
Wie fossile Großkonzerne seit Jahrzehnten effektive Klimamaßnahmen verhindern, darum geht es am Sonntag (14. 1., 20 Uhr) beim Filmabend in der Tristeza (Pannierstraße 5), wo auf der Leinwand „Klima – Im Würgegriff der Ölkonzerne“ flimmern wird. Wie sich die Gesellschaft (auch Bäuer:innen) dagegen wehren kann und wie die notwendige Transformation der Gesellschaft aussehen könnte, zeigt der Film „Der laute Frühling“, der am Montag (15. 1., 19 Uhr) in der B-Lage (Mareschstraße 1) gespielt wird.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Denn dies ist die Perspektive, die Ampelparteien (plus CDU) und Faschisten gleichermaßen Angst einjagt: Ein tatsächlich gerechtes Umverteilungs- und Transformationsprojekt.
Der Blick in die Geschichte zeigt, wozu bürgerliche Parteien fähig sind, um solche Ideen zu verhindern: Am 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht von faschistischen Freikorps unter Billigung der SPD erschossen. Ihnen gedacht wird jedes Jahr auf der traditionellen LL-Demo, die am Sonntag (14. 1.) um 10 Uhr am Bahnhof Frankfurter Tor losgeht. Vielleicht wird dabei deutlich werden, dass es letztlich die befreite Gesellschaft bedarf, um die Nazis vom Acker zu jagen.
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