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Beschluss des ParlamentsBelgien macht Atomausstieg rückgängig

In Belgien wurde der Atomausstieg eigentlich schon 2003 gesetzlich festgelegt. Doch nun macht das Parlament des Landes einen Rückzieher.

Soll doch noch länger laufen: das belgische Atomkraftwerk Tihange Foto: Oliver Berg/dpa

Brüssel dpa | Das belgische Parlament hat mit großer Mehrheit für ein Ende des Atomausstiegs gestimmt. 102 Abgeordnete votierten für eine Verlängerung der Laufzeit der bestehenden Reaktoren, 8 stimmten dagegen. Es gab 31 Enthaltungen. Die rechte Regierung von Ministerpräsident Bart De Wever plant auch den Bau neuer Reaktoren. Derzeit verfügt Belgien über zwei Kernkraftwerke mit sieben Reaktoren – drei wurden allerdings bereits vom Netz genommen.

In Belgien wurde der Atomausstieg 2003 gesetzlich festgelegt. Ursprünglich sollten die weiteren Reaktoren der beiden Kernkraftwerke in Doel nahe der Stadt Antwerpen und Tihange 2025 abgeschaltet werden. Doch die Debatte zieht sich seit Jahren.

Angesichts der Sorge um die Sicherheit der Energie-Versorgung und mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hatte Belgiens Regierung 2022 beschlossen, den Atomausstieg um zehn Jahre zu verschieben. Jeweils ein Meiler der beiden belgischen Kernkraftwerke sollte bis 2035 am Netz bleiben.

Diskussionen um belgische AKWs auch in Deutschland

In Deutschland sorgen die belgischen Atommeiler aus den 1970er und 80er Jahren immer wieder für Diskussionen. So wurden bei Reaktoren im Nachbarland mehrfach Mängel festgestellt, etwa marode Betonteile. Unter anderem die nordrhein-westfälische Stadt Aachen und die Bundesregierung forderten deswegen in der Vergangenheit wiederholt die Stilllegung. Das Kraftwerk Tihange liegt etwa 60 Kilometer von Aachen entfernt.

Deutschland beschloss 2002 den Atomausstieg, 2023 wurden die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet.

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28 Kommentare

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  • Woher bezieht eigtl. Belgien sein Uran und wo wird es angereichert?

    • @Aurego:

      Aus Australien oder Kanada. Bewusst nicht aus Russland.

      • @Benzo:

        Das heißt, Belgien würde sich langfristig von Australien und Kanada abhängig machen.

  • Die Stilllegung 10 Jahre hinaus zuschieben ist doch ok. Belgien hat noch 4 Reaktorblöcke mit ca. 3,5 Gigawatt und etwa 4 Gigawatt mit 12 Erdgaskraftwerken (auch zur Wärmeversorgung) in Betrieb. Von den vielen Windkraftanlagen die auch noch da sind kann man eben nicht vernünftig rechnen. Ob allerdings in 10 Jahren die 3,5 Gigawatt für Grundlast vernünftig ersetzt werden können entzieht sich meiner Kenntnis. Höchstwahrscheinlich werden Erdgaskraftwerke zugebaut.

  • Tja, der Krieg. Der kann als Rechtfertigung für fast alles herhalten. Darum ist er so "wertvoll" für jene, die nur einer Sache Vorrang geben, dem Machterhalt.

    Der "sichere" Atomstaat kann nur und muss ein Überwachungsstaat sein.

  • ... auch Belgien hat meines Wissens kein Endlager für radioaktiven Müll.



    Please note: Piloten fliegen erst dann los, wenn sie genau wissen, wo die Landebahn ist. Das haben Staaten wie B. offenkundig nicht nötig. Stattdessen nutzen sie die erzeugte Energie und bürden aber die Arbeit und die immensen Gefahren von lange lange! strahlendem Atommüll ihren Kindern auf. Und deren Kindern.



    Ich will nicht wissen, wie viele Lobbyisten (für wie viel Geld) da jetzt wieder mit-"gezaubert" haben. Armselig.



    Wie wäre es statt der Nutzung von Atomkraft mit Gezeitenkraftwerken an der See (Tiedenhub), Pumpspeicherkraftwerken in (Mittel-)Gebirgen, Wind und Wasser? Und Sonne?



    Und - gescheiten Speichertechniken ?! China ist da weiter.

    • @dervogelmann:

      China ist in der Tat viel weiter, v.a. beim Neubau von Atomkraftwerken, das haben die schon verstanden.

    • @dervogelmann:

      Frage: Wenn man ca. 70 Jahre lang ohne Endlager Atomkraft betrieben hat, was genau hindert einen dann daran, es weitere 70 Jahre zu tun?

    • @dervogelmann:

      Die Piloten verfeuern Kerosin. Der Abfall, das CO2, wird einfach in der Atmosphäre entsorgt. Warten wir mal den Sommer ab, ob wir das dann immer noch so entspannt sehen, bloss weil man diese Art der Entsorgung nicht so einfach sehen kann.



      Gezeitenkraftwerke bieten sich nicht überall an, und Mittelgebirge gibt's auch nicht ohne Ende. Nicht zuletzt gibt es auch noch so etwas wie Landschaftsschutz.



      In China kann man vieles durchdrücken, anders als bei uns.

    • @dervogelmann:

      "Ich will nicht wissen, wie viele Lobbyisten (für wie viel Geld) da jetzt wieder mit-"gezaubert" haben."



      Jedenfalls nicht die jetzigen Noch-Betreiber, die wollen das nämlich gar nicht...

  • Diese Atomdiskussion geht mir auf die Nerven. Sie lenkt zu stark davon ab, was jetzt eigentlich wichtig wäre: z.B. das Schaffen von Speichermöglichkeiten. Selbst AKWs laufen besser mit Unterstützung von Speichern!



    Vor diesem Geschrei für und wider Atomkraft bleiben viele gute Ideen unter dem Radar.



    Ein Beispiel: Tagein tagaus konstant über den Tag verteilt haben wir 4-5 GW Strom aus Biogas im Netz. Würde man das einspeichern, könnte allein das Biogas 15-20 Tage Dunkelflaute überbrücken. Statt dessen wird die kostbare Energie direkt beim Bauern in einem ineffizienten Gasmotor verfeuert. Die dabei entstehende Abwärme ist im Sommer völlig unbrauchbar.

    • @Jörg Schubert:

      Wissen Sie was eine Milchmädchenrechnung ist ?? ( de.wikipedia.org/w...0Bedeutung%20haben. ) Ihr Vorschlag mit Biogas ist hier ein Paradebeispiel dafür. Sie wollen also das Gas von rund 10000 Biogasanlagen quer durch Deutschland 345 - 350 Tage speichern, ( aus 1 Kubikmeter Biogas werden ca. 6 KWh erzeugt), wer soll da die Speicher bauen ?? Wie bringen Sie dann das Gas von jeder einzelnen Biogasanlage zu einem Heizwerk ?? Außerdem heizen sehr viele Biogasanlagen mit der Abwärme ihrer Stromerzeugung ganze Orte, Siedlungen, Häuser, wie ersetzen Sie dann diese Wärmequelle wenn Sie das Gas speichern ?? Wie gesagt, Milchmädchenrechnung

      • @Günter Witte:

        "...wer soll da die Speicher bauen ??"



        Die Speicher muss man nicht bauen, die sind schon da. Es gibt in Deutschland 250 TWh Gasspeicher. Und übrigens auch ein Methannetz.



        Der Vorschlag ist jedenfalls weit weniger idiotisch als das hier:



        taz.de/Gruener-Was...s-Biogas/!6002876/

    • @Jörg Schubert:

      "Würde man das einspeichern, könnte allein das Biogas 15-20 Tage Dunkelflaute überbrücken."



      Da bin ich ausnahmsweise einmal mit Ihnen einig.



      Dazu wäre allerdings der Erhalt des Methannetzes erforderlich. Das soll aber zu Gunsten eines Wasserstoffnetzes kannibalisiert werden. Durch das dann, BTW, nur ein Drittel der Leistung durch geht...

  • Die AKWs sind bestimmt auch für den Export gedacht, die Belgier haben ja einen Abnehmer für den Strom zu praktisch jedem Preis gleich um die Ecke

    • @Gerald Müller:

      Zu praktisch jedem Preis ganz sicher nicht. Atomstrom ist nur dann billig, wenn man Folgekosten (Endlagerung!) der Allgemeinheit aufbürdet. Sonst sollte man es eher mit Wind, Sonne und Wasser versuchen.

      • @Aurego:

        In diesem Fall werden die Folgekosten hauptsächlich der belgischen Allgemeinheit aufgebürdet. Und etwaige Baukosten auch. Das glaubt doch keiner mehr, dass sich noch Investoren finden.

        • @Jörg Schubert:

          Belgien hat jetzt schon relativ hohe Schulden.

  • Das muss ein Virus mit dem Namen "rückwärts immer, vorwärts nimmer" sein. Anders kann ich mir nicht mehr erklären, warum so viele Staaten und ihre Bewohner nahezu schon panisch vor der Realität die Augen verschließen und bei rechten Rattenfängern und ihren konservativen Handlangern Zuflucht suchen.

    • @Minelle:

      Die Realität ist aber nun mal kein Virus, sondern situationsbedingt die richtigen Entscheidungen treffen.



      Man hat ja in der Ukraine gesehen, wie anfällig eine Gesellschaft ist, wenn nicht immer und zu jeder tages- und Nachtzeit ausreichend Energie in den verschiedensten Formen zur Verfügung steht. Wie weiter unten Carsten S. bereits schreibt, haben die Menschen einfach keine Lust sich einzuschränken. Moralinsaure Umweltpredigten hin oder her. Alternative Energien sind sicher nötig und auch brauchbar. Aber deren Vertreter konnten bisher ja noch nicht überzeugen, das diese, dank effizienter Speicher, dann auch wirklich 24 Stunden und das an 365 Tagen im Jahr ohne Schwankungen zur Verfügung steht.

    • @Minelle:

      Na ja, weil zusammenrücken und sich einschränken nicht so gut kommt. Damit gewinnt man jeine Wahlen.



      CO2 und Klimaerwärmung sind auch Realität.

  • "Bau neuer Reaktoren"? In Belgien, notorisch klamm und im politischen Dauerkrisenmodus? Absurd schon (aber nicht ausschließlich) in dieser Hinsicht.

    • @My Sharona:

      Unschön wäre, wenn sie kurzfristig Tatsachen schaffen würden - z.B. mit einem Baubeginn. Das verpulverte Geld wäre dann über den Verteilweg Europa auch unser Geld.

      • @Jörg Schubert:

        Wenn der deutsche Markt diesen Atomstrom aufnimmt, macgen die Belgier doch alles richtig, wirtschaftlich gesehen. Wobei wir nicht wissen, ob es so kommt. Etwas Atomstrom werden wir vielleicht abnehmen, aber auch nicht beliebig vuel davon brauchen. So gesehen sehe ich noch keine Neubauten, sondern allerhöchstens hier und da ein bisschen Ersatz.

        • @Carsten S.:

          Dummerweise geben unsere Nachbarländer nur dann Strom günstig ab, wenn sie etwas übrig haben. Das ist im Winter oft nicht der Fall.



          Ansonsten finde ich den Strom, der mit Steuergeldern der Nachbarn subventioniert wird, ganz gut.

        • @Carsten S.:

          Strom aus Belgien brauchen wir kaum. Wir schalten unsere Windräder ja jetzt schon ständig ab, weil sonst anscheinend zu viel Strom da wäre.

        • @Carsten S.:

          Bei uns wird im Moment ca. 30 Gigawatt mit Kohle und Erdgas erzeugt. Sehr CO2-lastig.

          • @Der Cleo Patra:

            Mein Reden.



            Stolz wie Bolle über den Atomausstieg, aber Atomstrom importieren.