Bertelsmann-Umfrage zu Care-Arbeit: Gefühlte Gerechtigkeit der Männer
Frauen übernehmen einen Großteil der Care-Arbeit. Eine Umfrage zur Coronakrise zeigt, dass 66 Prozent der Männer die Aufteilung für gerecht halten.
S chulbrote schmieren, darauf achten, dass das Kind den Turnbeutel mitnimmt, Hausaufgaben kontrollieren, Tee kochen, wenn es krank ist, die Hand halten, dafür sorgen, dass genug Seife im Spender ist und eine Waschmaschine nach der anderen anstellen. Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeit mit der Lohnarbeit unter einen Hut zu bringen, ist herausfordernd. In der Coronakrise ist diese Mehrfachbelastung jedoch noch einmal gestiegen.
Wer derzeit in einer heterosexuellen Beziehung mit Kindern lebt, kann also eigentlich nur noch hoffen, ein Mann zu sein. Denn laut einer neuen Studie des Marktforschungsunternehmens Ipsos, die die Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben hat, leiden Frauen mehr unter den besonderen Umständen in der Pandemie.
In der Studie geben 43 Prozent der befragten Frauen an, dass es ihnen schwerer als sonst falle, Beruf und Familie zu vereinbaren; bei den Männern sind das nur 32 Prozent. Kein Wunder: Bei allen Aufgaben, wie Kochen, Terminkoordination und Hausausgabenbetreuung bei Kindern oder Putzen, gibt die Mehrheit der Frauen an, sich um diese Aufgaben zu kümmern. Bei den Männern ist es jedes Mal die Minderheit. Klar also, leiden diejenigen mehr, die mehr Care-Arbeit leisten.
Dass Frauen noch immer einen Großteil der Haushalts- und Pflegearbeit übernehmen, ist keine neue Erkenntnis, auch wenn sie einen gepfefferten Aufschrei verdient hätte. Deutet sie doch auf eine allgemeine Schieflage in der Gesellschaft hin, selbst wenn man davon ausgeht, dass heterosexuelle Paare einvernehmlich entscheiden, dass derjenige, der mehr lohnarbeitet, weniger im Haushalt machen muss. Dass das meistens die Männer sind, ist ein anderes Problem.
Neu ist, dass 47 Prozent der Frauen, aber 66 Prozent der Männer der Meinung sind, bei ihnen zu Hause werde die Haus- und Betreuungsarbeit gerecht aufgeteilt. Diese unterschiedliche Wahrnehmung, gepaart mit dem Fakt, dass Frauen mehr Care-Arbeit übernehmen, verdient Wut.
Denn entweder bedeutet es, dass Paare gar nicht darüber sprechen, ob sie die Aufteilung gerecht finden, oder aber, dass Männern bewusst ist, dass sie weniger Care-Arbeit verrichten und die Aufteilung trotzdem gerecht finden. Oder aber, dass für Männer ein Großteil der Care-Arbeit immer noch unsichtbar bleibt.
So oder so: Gerade in einer Krise sollte das nicht mehr schweigend hingenommen werden. Also auf sie mit Gebrüll!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen