Berliner CDU und Cannabis: Kriminalisiertes Kiffen
Die Berliner CDU markiert in Sachen Cannabisgesetz demonstrativ Haltung. Bei Verstößen will sie Kiffer mit drastischen Strafen maßregeln.
B is zu 30.000 Euro Strafe soll denjenigen drohen, die Cannabissamen aus Nicht-EU-Ländern beziehen. Das sieht der Bußgeldkatalog vor, den die Berliner CDU rund um mögliche Folgen der seit dem 1. April geltenden gesetzlichen Cannabisteillegalisierung erarbeitet hat. 30.000 Euro für ein paar nichteuropäische Samen sind ganz schön happig.
Wer nach dem Wunsch der Berliner CDU einem Minderjährigen direkt vor den Augen eines Polizisten den Rauch seines Joints ins Gesicht bläst, muss sich dieses Fehlverhalten schon 30 Mal hintereinander leisten, um auf diese Summe zu kommen. Kiffen in der Nähe von Jugendlichen soll mit 1.000 Euro bestraft werden.
Fragt man herum bei Cannabisaktivisten, die sonst wirklich alles rund um das neue Cannabisgesetz wissen, können die sich auch nicht erklären, warum Samen beispielsweise aus Holland in Ordnung gehen, aus den USA aber nicht. Weil man glaubt, so den Markt besser kontrollieren zu können? Liegt es an der Angst vor amerikanischer Gentechnik?
Die Berliner CDU hat sich bei der Erarbeitung ihrer strafrechtlichen Anti-Kiffer-Maßnahmen erkennbar Mühe gegeben, Cannabiskonsumenten durch die Hintertür erneut zu schikanieren und zu kriminalisieren.
Im Zweifelsfall sind sie sogar eine Bedrohung für die Sicherheit des Vaterlandes. Bekifft lässt sich jedenfalls kein Krieg gewinnen, deshalb sollen Soldaten nicht einmal in ihrer Freizeit auf dem Gelände einer Kaserne einen durchziehen dürfen. Und wer zwischen 7 und 20 Uhr in einer Fußgängerzone einen Joint in der Hand hält, soll dafür mit 500 Euro Bußgeld rechnen müssen.
In Fußgängerzonen besaufen ist aber okay
Es ist zugegebenermaßen etwas abgedroschen, der Dämonisierung von Kiffern mit dem Hinweis zu begegnen, wie lasch im Vergleich mit der Volksdroge Alkohol umgegangen wird. Aber es wirkt nun mal nicht besonders verhältnismäßig, dass man sich in Fußgängerzonen zu jeder Zeit besaufen darf, wie man will. Aber sobald man einen Spliff erglühen lässt, soll man ordentlich zur Kasse gebeten werden.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Die Berliner CDU gibt an, man habe keine besonders übertriebenen Strafmaße im Sinn und man orientiere sich bloß an dem, was auch Hamburg plane. Ob der Koalitionspartner der CDU in Berlin, die SPD, die im Bund ja für das neue Cannabisgesetz und die Entkriminalisierung gestimmt hat, die Bußgelder in der Höhe mittragen wird, das steht noch in den Sternen. Bis zum 1. September wünscht sich die Berliner CDU hier eine Einigung.
Dass die hiesige CDU kaum minder rigide gegen Cannabiskonsumenten vorzugehen gedenkt als Bayern, das dem neuen Cannabisgesetz immerhin offen den Krieg erklärt hat, schmeckt der Berliner Cannabislobby natürlich überhaupt nicht. Besonders bitter aber stößt ihr auf, dass bestimmende politische Kräfte in der Stadt ganz offensichtlich mit viel Eifer und Akribie weiter das Bild des Kiffers als potentiellem Dauergefährder des Sozialgefüges zeichnen.
Und gleichzeitig sind diese nicht fähig oder bewusst unwillig, den Cannabisclubs, die seit dem 1. Juli laut Gesetz dafür da sind, ihren Mitgliedern Cannabisblüten abzugeben, die obligatorischen Genehmigungen zu erteilen.
Berlin hat es wieder mal geschafft, als einziges Bundesland nichts geschafft zu haben. Alle haben es im Gegensatz zu Berlin hinbekommen, gemäß des Bundesgesetzes Strukturen zu schaffen, die Anträge der Cannabisvereine auf Lizenzen zu bearbeiten.
In Berlin sollen das nun die Gesundheitsämter der Bezirke übernehmen. Aber die sagen beinahe unisono: Wir wollen und werden dafür nicht bereitstehen. Wie es nun weitergeht, weiß niemand. Berlin hält sich somit nicht an das Bundesgesetz. Ein derart kriminelles Verhalten sollte ordentlich bestraft werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten