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Berichterstattung über Nahostkonflikt„Es geht hier nicht um Deutschland“

In der deutschen Berichterstattung über Israel und Palästina wird oft eigene Geschichte verhandelt, kritisiert Nahostwissenschaftler Tom K. Würdemann.

Das Al-Shifa-Krankenhaus in Gaza-Stadt nach dem Ende des israelischen Einsatzes am 1. April Foto: Khaled Daoud/apa images/imago
Nicholas Potter
Interview von Nicholas Potter

taz: Herr Würdemann, lesen Sie gerne deutsche Medien, um sich über den Nahostkonflikt zu informieren?

Tom Khaled Würdemann: Ich lese viele Nachrichten aus Deutschland zu diesem Thema, aber ich tue es meistens nicht gerne.

taz: Warum nicht?

Würdemann: Ich finde, dass die deutsche Berichterstattung zu Israel und Palästina oft vielmehr deutsche Innenpolitik und deutsche Identitäten verhandelt, als sich mit dem eigentlichen Konflikt zu beschäftigen.

taz: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Würdemann: Den Springer-Verlag sehe ich hier generell als negatives Beispiel: Nach dessen Logik ist Israel die erste Verteidigungslinie des Westens gegen Islamisierung und Migration. Und Bild und Welt vermutlich die zweite. Ein extremes Beispiel: Ende Oktober haben auch bekannte deutsche Journalisten wie Jan Fleischhauer ein Video geteilt, in dem gesagt wird, die Hamas sei schlimmer als die SS, weil die SS wenigstens noch so etwas wie ein schlechtes Gewissen beim Holocaust empfunden hätte.

taz: Welche Fragen von „deutscher Identität“ stecken dahinter?

Würdemann: Für viele Deutsche ist der Israel-Palästina-Konflikt eine Art Verlängerung der Frage um deutsche Verantwortung für das jüdische Volk. Darauf gründet die historische deutsche Israelsolidarität – das ist völlig okay. Problematisch wird es, wenn statt einer friedlichen Lösung für Israelis und Palästinenser dann die Erlösung von der deutschen Vergangenheit im Zentrum steht, so wie im eben genannten Beispiel: Guck, die Palästinenser sind noch viel schlimmer als Opa. Denn es geht hier nicht um Deutschland, es geht um einen tragischen Konflikt mit zwei Seiten.

Im Interview: Tom Khaled Würdemann

ist Nahostwissenschaftler und Mitarbeiter an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Er schreibt zur Zeit seine Dissertation über die palästinensische Nationalbewegung.

taz: Die Linguistin Monika Schwarz-Friesel kommt zu dem Schluss, dass deutsche Medien eigentlich kaum ein Land so oft kritisieren wie Israel.

Würdemann: In der Vergangenheit wurde deutschen Medien zu Recht vorgeworfen, dass sie einseitige Schlagzeilen produzierten, nach denen die Aggression von der israelischen Armee ausgegangen sei, wenn es sich eigentlich um eine Reaktion gehandelt hat. Im derzeitigen Krieg sehe ich aber häufig das Gegenteil: Pressemitteilungen der israelischen Armee werden häufig ohne weitere Kontextualisierung reproduziert. Und es folgt keine eigene Hintergrundrecherche. Oft fehlt in deutschen Redaktionen gute Fachexpertise zum Thema, anders als bei englischsprachigen Medien.

taz: Zum Beispiel während der Operation am Al-Schifa-Krankenhaus in Gaza im November: Die israelische Armee hatte diese damit begründet, dass unter dem Krankenhaus ein wichtiger Stützpunkt der Hamas liege. Bei der New York Times hieß es: „Der Druck steigt, während Israel ein Gaza-Krankenhaus nach der Hamas durchsucht.“ Am selben Tag bei der Zeit hingegen: „Israelische Armee findet Hamas-Einsatzzentrum im Schifa-Krankenhaus“.

Würdemann: Das ist ein gutes Beispiel. Am Ende gab es Beweise, dass zumindest Teile des Krankenhaus-Komplexes für militärische Zwecke benutzt wurden. Eine große „Kommandozentrale“ wurde aber nicht nachgewiesen. Gleichzeitig muss man sagen: Die Berichterstattung deutscher Medien ist sicherlich immer noch besser als die in vielen anderen Staaten, beispielsweise in der arabischen Welt. Dort ist es mittlerweile zur Mehrheitsmeinung geworden, dass man die Hamas überhaupt nicht kritisieren soll.

taz: Was machen deutsche Medien richtig?

Würdemann: Sie bemühen sich relativ oft darum, Stimmen zu finden und zu fragen – israelische sowie palästinensische –, die sich tatsächlich für positive Friedensideen einsetzen. Die taz ist ein gutes Beispiel: Dass die Zeitung polarisiert, wirkt authentisch – mehrere Meinungen kommen vor. Gleichzeitig wird in Deutschland die Breite der Perspektiven in diesen beiden Gesellschaften zu wenig abgebildet. Die israelische Linke zum Beispiel wird viel häufiger porträtiert, obwohl die politische Rechte den israelischen Diskurs viel mehr bestimmt. Für die palästinensische Seite gilt das Gleiche.

taz: Manche berufen sich lieber auf den arabischen Sender Al Jazeera, der auch ein englischsprachiges Angebot hat. Eine verlässliche Quelle aus Ihrer Sicht?

Würdemann: Al Jazeera leistet professionelle Vorort-Berichterstattung mit vielen Ressourcen. Sie haben einen riesigen technischen Vorteil gegenüber deutschen Medien und haben viele Kriegsverbrechen durch IDF-Soldaten dokumentiert. Aber der Sender betreibt auch eine sehr klare und aggressive Agenda, nach der die Hamas einfach nur eine Widerstandsorganisation gegen die „zionistische Besatzung“ sei. Der 7. Oktober wird als eine reine „Militäroperation“ abgetan – ähnlich wie Putin seinen Angriff auf die Ukraine darstellt.

taz: Unterscheidet sich der arabische von dem englischsprachigen Auftritt?

Würdemann: Früher schon, AJ English war eher antiimperialistisch-links als islamisch-konservativ. Seit dem 7. Oktober sind die Unterschiede aber geringer geworden.

taz: Al Jazeera wird vorgeworfen, der islamistischen Muslimbruderschaft, aus der die Hamas hervorgegangen ist, nahezustehen. Zu Recht?

Würdemann: Al Jazeera wird von Katar finanziert, ein Land, das der weltgrößte Sponsor der Muslimbruderschaft ist. Die inhaltliche Nähe zwischen Al Jazeera und der Ideologie der Muslimbruderschaft war in der Vergangenheit sehr offensichtlich und hat die arabische Medienöffentlichkeit über Jahrzehnte geprägt. Es ist aber nicht so, dass der Sender 24 Stunden am Tag Werbung für die Muslimbrüder macht, sondern ein vielfältigeres Angebot hat.

taz: Wie sieht es in anderen arabischen Ländern aus?

Würdemann: Ein interessantes Beispiel ist Saudi-Arabien: Mittlerweile werden auch proisraelische Stimmen in die Talkshows eingeladen. Die saudischen Medien berichten über die Hamas inzwischen deutlich weniger einseitig als andere arabische Medien, sie orientieren sich auch stärker an der Idee der Zwei-Staaten-Lösung. Aber wer sich in einem autoritären Regime jetzt plötzlich nicht mehr antiisraelisch äußert, wird nicht notwendigerweise ausgeglichen humanistisch berichten – und so finden dort zunehmend rechte und sogar rassistische israelische Positionen auch Raum.

taz: Im englischsprachigen Raum fällt der britische Guardian oft mit einer sehr kritischen Blattlinie auf, was Israel betrifft. Ist die Zeitung das propalästinensische Pendant zum proisraelischen Springer-Verlag?

Würdemann: Ich finde den Guardian sehr einseitig propalästinensisch, aber nicht diskurszerstörend einseitig. Er ergreift klar Partei, aber das geht nicht so weit wie die Israel-Solidarität der Springer-Presse in Deutschland.

taz: Die New York Times gewann dieses Jahr den Pulitzer-Preis für ihre Berichterstattung zum Nahostkonflikt. Verdient?

Würdemann: Ich finde ihre Arbeit zu diesem Thema relativ gut. Die Tatsache, dass die New York Times von beiden Seiten oft scharf angegriffen wird, spricht für sie. Und ihre Meinungssektion hatte schon immer die Tradition, anders als viele deutsche Zeitungen, ein sehr breites Spektrum abzubilden.

taz: Welche israelischen Medien lesen Sie gerne?

Würdemann: Ich spreche kein Hebräisch, aber die Haaretz auf Englisch ist und bleibt das Beste aus meiner Sicht. Auch die Times of Israel hat mich seit dem 7. Oktober positiv überrascht: Sie hat eine Fähigkeit zur Selbstkritik bewahrt. Und das +972 Magazine fand ich vor dem Hamas-Angriff zu utopisch und einseitig antizionistisch. Aber es liefert wertvolle, kritische Recherchen über die israelische Kriegsführung und das ist notwendig. Es hat wegen seiner Radikalität keine Schmerzgrenzen.

taz: Oft übernehmen Medien die Zahlen der Todesfälle in Gaza direkt von der der Hamas unterstehenden Gesundheitsbehörde, letzter Stand: mehr als 40.000 getötete Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen seit Beginn des aktuellen Kriegs. Die Zahlen dürften laut Experten größtenteils stimmen, sie weisen allerdings statistische Ungereimtheiten auf, was die Zahl der getöteten Kinder und Frauen betrifft, und unterscheiden nicht zwischen Zi­vi­lis­t*in­nen und Kämpfern. Wie sollen Medien mit solchen Zahlen umgehen?

Würdemann: Die Zahlen werden von beiden Seiten instrumentalisiert. Ein bekannter Wissenschaftler hat zum Beispiel neulich behauptet, dass Israel „40.000 Zivilisten“ getötet hätte, bevor er sich auf Nachfrage korrigierte. Es gibt auch Menschen, die diese Zahlen überkritisch verwenden. Auch in deutschen Medien wird zu Recht gesagt: Diese Zahlen können nicht unabhängig überprüft werden. Das kann aber in manchen Fällen zu einer Anzweiflung der humanitären Katastrophe in Gaza führen. Wir haben mittlerweile eine Situation, in der niemand mehr genau sagen kann, wie viele Menschen in Gaza gestorben sind, weil die Infrastruktur zusammengebrochen ist.

taz: Gibt es besonders hartnäckige Falschmeldungen?

Würdemann: Das beste Beispiel ist weiterhin die Explosion, mutmaßlich einer abgestürzten Hamas-Rakete, nahe dem Al-Ahli-Krankenhaus am 17. Oktober. Medien schrieben diese zunächst Israel zu und verbreiteten zunächst auch unkritisch übertriebene Opferzahlen. Auf der anderen Seite ist die Vorstellung immer noch weitverbreitet, dass die israelische Armee besonders große Rücksicht auf palästinensische Zivilisten nehme – viele Videos und Interviews von israelischen Soldaten selbst zeigen allerdings das Gegenteil.

taz: Viele informieren sich über den Nahostkonflikt fast nur noch über Instagram und Tiktok. Es herrscht ein Krieg der Bilder – gefüttert mit KI, Desinformation und Videos aus anderen Kriegen. Macht das Ihnen Sorgen?

Würdemann: Ja. Das Problem in diesem Kontext ist auch, dass von extremen Kräften auf beiden Seiten ein Narrativ gestrickt wird: Die andere Seite sei zu bösartig, um mit ihr zu koexistieren. Diese Narrative müssen faktisch dekonstruiert und humanistisch kritisiert werden. In den sozialen Medien geschieht aber das genaue Gegenteil. Oft denke ich: Ohne die extremen Emotionen, die der Konflikt in aller Welt auslöst, wäre er vermutlich schon gelöst.

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23 Kommentare

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  • ++Zur Berichterstattung: "Würdemann: Al Jazeera wird von Katar finanziert"

    Dieser eine Satz steht halt dafür, wer was Bezahlt, dessen Lied wird gespielt.++

    Man muss bedenken, im Iran läuft eine Uhr noch ca. 16 Jahre rückwärts (bis 2040), bis dahin will der Iran, auch mit der Hilfe seiner Handlangern, Huti und Hamas den Staat Israel vernichtet haben, damit ist nicht nicht ein Militärischer Sieg gemeint, sondern das bedeutet das der Iran möglichst alle Israelis bis dahin getötet haben will.

    Die Palästinenser haben ihren eigenen Staat verdient, doch so lange wie der Iran die Fäden im Hintergrund zieht, können die Palästinenser und Israelis nicht zur Ruhe kommen.



    Ich sehe da keine Lösung, so lange wie der Iran immer wieder den Terror sät,



    erst wenn es im Iran zu einen Umbruch vielleicht irgendwann geben wird und das Iranische Volk sich von den Mullahs befreit, also endlich Religion und Staat getrennt wird, dann könnte die ganze Region in Frieden leben.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Einspruch. Geopolitische Ereignisse sind doch von innenpolitischer Bedeutung. Auch und gerade die Vielseitigkeit der bundesrepublikanischen Identität verdient Berücksichtigung. Und wenn hierzulande ein Kippah-Träger wegen der vermeintlichen oder tatsächlichen Handlungen der IDF krankenhausreif geschlagen wird, dann geht es doch um Deutschland.

    Als Medienmacher:innen müssen wir darauf bedacht sein, den Zeitgeist mit Skepsis und Sorgfalt zu betrachten. Denn kaum etwas ist so zukunftsgefährdend wie der Zeitgeist. Das zeigt uns die Geschichte.

    Um nun konkreter zu werden: Verachtenswert finde ich die reflexhafte Vorverurteilung Israels. Dem jüdischen Staat, wohl der einzigen Demokratie der Region, wird ein Standard absoluter Perfektion angelegt, während einem terroristischen Failed State alles Denkbare, alles Diabolische verziehen wird. Man wirft Israels pluralistischer Gesellschaft Apartheid vor und ignoriert kramphaft den Anti-Black-Rassismus innerhalb der pro-palästinensischen Community, von der grausamen Geschichte des arabischen Sklavenhandels ganz zu schweigen.

    Letzteres Thema durfte ich zum Glück neulich in meinem Taz2-Artikel „Weiße Flecken der Erinnerungskultur“ erläutern.

    • @Michaela Dudley:

      "Verachtenswert finde ich die reflexhafte Vorverurteilung Israels."

      Man sollte Kritik an der Bande von Rechtsextremen und Nationalisten, die gerade an der Regierung sind, mit Israel gleich setzen und Kritik an deren Kriegsverbrechen verteidigen.

    • @Michaela Dudley:

      Die "Vielseitigkeit der bundesrepublikanischen Identität" führt leider oft dazu, dass überschaubar kompetente Menschen die Meinungsspalten zum Nahostkonflikt dominieren. Es reicht aber nicht, sich mit dem NS, dem Deutschen Herbst oder der Migrationsgeschichte nach Deutschland (sowohl Muslime als auch Juden betreffend) auszukennen, um kompetent Position zum Nahostkonflikt zu beziehen. Das sieht man schon an Kategorien wie "pro-palästinensisch" oder "pro-israelisch". Hinter jeder dieser Etiketten stecken zahlreiche Positionen zum Nahostkonflikt und je nachdem, was genau gemeint ist, bin ich zumindest beides: pro-palästinensisch und pro-israelisch. Schade, dass in der deutschen Kommentarlandschaft zu viele Differenzierungen verloren gehen. Grund dafür ist, dass es zu viel um Deutschland geht.

  • 27 Millionen Menschen der Sowjetunion sind in Folge des Zweiten Weltkriegs von deutschen getötet worden.

    Das hat völlig berechtigt nicht dazu geführt, dass man den Stalinismus der Sowjetunion kritiklos hat gewähren lassen oder gar in heutiger Zeit Putin Waffen schickt.

    In ähnlicher weise darf Israelfreundschaft nich bedeuten, sich gemein zu machen mit in Teilen rechtsextremen Regierungen, aggressiven Nationalisten und Kriegsverbrechern.

    Freundschaft mit Israel kann nur bedeuten, mit aller Kraft auf einen Frieden hin zu wirken.

  • "40.000"

    Es ist erschreckend, dass Israel keine eigenen Zahlen hat bzw. sich keine Gedanken darüber macht, wie hoch der Anteil der Zivilisten sein kann bei Bombardierungen. Aber man muss sich nur die Bilder der zerstörten Städte anschauen und sich vorstellen wie hoch wohl der Anteil getöteter Zivilisten ist, wen fast ganze Städte nieder gebomt werden.

    Das infrage stellen der Zahlen ist eine peinliche Veranstaltung.

  • "In der Vergangenheit wurde deutschen Medien zu Recht vorgeworfen, dass sie einseitige Schlagzeilen produzierten, nach denen die Aggression von der israelischen Armee ausgegangen sei. ..."

    Jeder weiß vom Terrorüberfall der Hamas dem alles voraus ging. Von daher halte ich die Behauptung "die Medien" würden Schlagzeilen produzieren, dass "die Aggression von der israelischen Armee ausgegangen sei" für völlig haltlos.

    Was von Israel ausgeht und was nicht nur die deutschen Medien berichten sind die Kriegsverbrechen, das zehntausendfache Töten von Kindern, Frauen und anderen Zivilisten, das Zerbomben ganzer Städte, das Verhungernlassen von Menschen und genozidiale Sprüche aus der Regierung.

  • Danke für eine selten gewordene Auffassung, auf beiden Augen sehen zu wollen, weder Hamas, noch Netanyahu künstlich zu schonen.



    Eine Anregung, womöglich.

    Vielleicht kann die taz ja auch mal z.B. über Marokkos ebenso krass völkerrechtswidrige Besatzung Westsaharas berichten, doch eben auch weiterhin über die von palästinensischen Gebieten. Immer ein guter Lackmustest.

    PS: Der Guardian, zumindest die Artikel, die ich las, hat m.E. fundierte Berichte erbracht, die sich auf Daten und Recht beziehen.

  • Guter Punkt mit der deutschen Identität. Bei der Reportage von Zapp zur deutschen Medienlandschaft wurde ja auch festgestellt, dass in Talkshows sehr selten Israelis oder Palästinenser eingeladen sind. Zwar ist Nahost das Thema, aber man redet nicht mit den Betroffenen, sondern dreht sich auch dort um sich selbst. Wir wollen von der einen oder der anderen Seite Absolution für die Taten unserer Großväter, instrumentalisieren damit den Konflikt für unser Bedürfnis. Hilft uns, aber niemanden vor Ort.

    • @Moritz Pierwoss:

      Ich finde diesen Punkt zwar auch wichtig aber für Linke auch äußerst heikel.

      Zum einen ist er durch und durch völkisch-nationalistisch gedacht - eine kollektive, vererbbare Schuld nur durch Ethnizität ist weit rechtsaußen. Vor allem wenn losgelöst von den tatsächlichen Machtverhältnissen argumentiert wird (Deutschland ist so gut wie einflusslos in Nahost).

      Zum anderen kollidiert das Argument extrem hart mit der mulitethnischen Identität der deutschen Jugend - Nachfahre von Nazis zu sein, ist dort bald ein Minderheitenphänomen.



      Das Dritte Reich als (negativ) identitätstiftend anzusehen, heißt also die "Leitkultur" der deutschen Rentner zu verkünden. Das steht in direktem Widerspruch zum multiperspektivischen Identitätsansatz der progressiven Linken.

      Gerade die deutschen Muslime machen ja darauf aufmerksam, dass der Nationalsozialismus nicht ihre Geschichte und Verantwortung ist, sondern die der "Almans". Daher ist logischerweise ihr Blick auf Israel ein anderer.

    • @Moritz Pierwoss:

      Das hilft uns genauso wenig. Sieht man in den sozialen Medien haufenweise.

  • Pressekritik. Notwendig, auch wenn hier die taz schmeichelhaft davon kommt. Aber die Breite des Meinungsspektrums etwa in Kommentaren finde ich ist auch ein gutes Kriterium, das für die taz positiv ausfällt, ein Zeugnis, dass der interviewte Experte auch der New York Times ausstellt. taz - eins rauf mit Mappe.

    Das mit den Opferzahlen, die stets ausschließlich von der verbrecherischen Hamas stammen, ist auch ein Trauerspiel: Bescheid über das wahre Ausmaß der Gaza-Tragödie weiß eigentlich niemand. Letztes Mittel gegen die israelisch-hamasische Front gegen Waffenruhe und Desinformation:

    Die UN-Vollversammlung möge eine Resolution beschließen, die UNO möge sofort eine Untersuchung in Gaza über die Plausibilität allein der Opferzahlen beginnen und dafür eine einmonatige UN-Truppen-überwachte Waffenruhe beanspruchen dürfen. Natürlich muss die Zeit auch genutzt werden, um die Situation für die Betroffenen in Gaza zu verbessern.

  • Man muss diesen ziemlich irren Vergleich SS/Hamas nicht teilen (zumal er ohne jeglichen Erkenntnisgewinn ist).



    Für mich ist Israel aber auf jeden Fall der (einzige) glaubwürdige Vertreter und Verteidiger universeller Menschen- und Bürgerrechte in der Region. Dass im Gaza-Konflikt von Seiten der IDF auch Grenzen verletzt werden, liegt in der Natur der Sache. Aber sie respektieren diese Grenzen und versuchen, sie einzuhalten. Was sie von der Hamas substantiell unterscheidet.



    Wenn in einem Land mitten in einer kriegerischen Auseinandersetzung immer noch 500.000 Menschen gegen die eigene Regierung demonstrieren können und so (völlig selbstverständlich) Grundrechte in Anspruch nehmen, spricht das mehr für Israel und seine intakte Demokratie als alles andere.



    Dass in Deutschland der Konflikt auch innenpolitische Komponenten hat, ist nichts Neues. Die "Staatsraison" ist der sichtbare Ausdruck dafür. Die (innenpolitische) Diskussion allerdings hat sich doch erst an der Frage nach dem Umgang mit dem massenhaft und offen zur Schau gestellten Antisemitismus seitens der propalästinensischen Zustimmungsbekundungen entzündet.

    • @Vigoleis:

      Wow, der Kommentar könnte original aus der BILD stammen. Selten so viele aneinandergereihte und falsche Behauptungen gelesen.

      "glaubwürdige Vertreter und Verteidiger universeller Menschen- und Bürgerrechte"



      Sie treten Menschen- und Bürgerrechte im WJL schon seit Jahrzehnten mit Füßen! Warum wollen Sie das nicht wahrhaben?

      "Aber sie respektieren diese Grenzen und versuchen, sie einzuhalten"



      Es gubt mittlerweile tausende Videos, die das Gegenteil beweisen. In den sozialen Medien kann man auch wunderbar beobachten wie radikalisiert Teile der israelischen Gesellschaft mittlerweile sind. Da gibt es z.B. (nicht gerade wenige) Aufrufe alle Palästinenser zu töten. Und diese Radikalisierung macht auch vor der IDF nicht halt.

      "intakte Demokratie"



      Eine intakte Demokratie besetzt nicht völkerrechtswidrig fremde Gebiete, vertreibt nicht deren Einwohner, betriebt keine Apartheid in besetzten Gebieten, erfindet keine "Verwaltungshaft", würde gegen straffällige eigene Soldaten genauso drakonisch vorgehen wie gegen palästinensische Bürger, würde es nicht dulden wenn dren Soldaten bei Siedlerterror wegsehen oder gar unterstützen etc usf.....

    • @Vigoleis:

      Man muss den Vergleich SS/Hamas nicht teilen, zumal er ohne jeglichen Erkenntnisgewinn ist.



      Genau so dämlich ist das Verbinden des Davidsterns mit dem Hakenkreuz. Sieht man auch immer wieder mal.

    • @Vigoleis:

      Jeder sollte sich überdies die Frage stellen, wie die Hamas vorginge, hätte sie die gleiche Feuerkraft und die gleichen Fähigkeiten wie die IDF.

  • Natürlich geht es auch um Deutschland. Egal, was im Nahen Osten passiert: ich will keine antisemitischen Mobs in Deutschland. Die, die in Berlin auf offener Straße "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" gebrüllt haben, laufen immer noch frei herum, und das war vor dem 7. Oktober.



    Der "Guardian" nimmt übrigens ausschließlich die Hamas-Perspektive ein. Erinnert sehr an Labour unter Corbyn.

    • @Kurt Kraus:

      "ausschließlich die Hamas-Perspektive"? Das ist falsch. Was aber stimmt, ist, dass eine erstaunliche Menge Muslime und Palästinenser*innen zu Wort kommen: Intellektuelle, Kulturschaffende, Autoren. In Deutschland ist es immer nur der Ahmad Mansour. Ich frage mich dann immer: ist es wirklich so unwichtig, was Muslime und Palästinenser*innen zum Thema zu sagen haben?

  • Ohne die extremen Emotionen, die dieser Konflikt in aller Welt auslöst, wäre er vermutlich schon gelöst. Das gilt dann aber wohl auch für Israelis und Palestinenser.

    • @aujau:

      Würde ohne diese Emotionen die Hamas trotzdem vom Iran finanziert?

      • @Arne Babenhauserheide:

        Ja. Denn auch aus Emotionen entsteht ein Machtanspruch.

  • .Die inhaltliche Nähe zwischen Al Jazeera und der Ideologie der Muslimbruderschaft war in der Vergangenheit sehr offensichtlich und hat die arabische Medienöffentlichkeit über Jahrzehnte geprägt.



    Und das geht in grossen Stil auch heute weiter....aber verdeckt, im Stillen, meist unbemetkt von Öffentlichkeit

  • Danke für dieses sehr ausgewogene Interview!