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Beobachter über Israels Siedlungspolitik„Keine Chance auf Zweistaatenlösung“

Israels Regierung legalisiert Außenposten – und zerstört damit die Chance auf eine politische Annäherung, sagt Dror Etkes von der israelischen NGO Kerem Navot.

Auf dem Weg zu einer Protestaktion gegen die neue errichtete Siedling Kalandia bei Ramallah Foto: Majdi Mohammed/ap
Judith Poppe
Interview von Judith Poppe

taz: Herr Etkes, Sie verfolgen seit zwanzig Jahren intensiv den Siedlungsbau im Westjordanland. Was beobachten Sie seit Amtsantritt der neuen Regierung?

Dror Etkes: Wir sehen bislang mitunter widersprüchliche Entwicklungen: Einerseits treibt die Regierung in schnellem Tempo den Ausbau von Siedlungen und die Legalisierung von Außenposten voran: Am Sonntag die Erklärung, dass zehn Außenposten legalisiert werden sollen, kurz darauf folgte die Ankündigung, dass der für die Siedlerbewegung zentrale Außenposten Homesch, von dem auch viel Siedlergewalt ausgeht, legalisiert werden soll. Und südlich von Hebron, etwa in Massafer Yatta, werden nahezu täglich Häuser von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen abgerissen.

Bild: privat
Im Interview: Dror Etkes

ist Gründer der israelischen Organisation Kerem Navot, die den Siedlungsbau im Westjor­danland verfolgt.

Und andererseits?

Andererseits könnte diese Regierung ironischerweise sogar weniger in Sachen Siedlungsbau unternehmen als ihre Vorgängerregierung – wegen des internationalen Drucks. Wir haben gesehen, dass sie vor einigen Wochen einen neuen Außenposten sehr schnell geräumt haben. Dass sie Angst haben, Khan al- Ahmar, ein beduinisches Dorf im Osten von Jerusalem, das zwangsgeräumt werden soll, anzutasten. Und am Mittwoch haben sie Hunderte von Bäumen ausgerissen, die Sied­le­r*in­nen in der Nähe der Siedlung von Shiloh gepflanzt hatten.

Außenposten sind selbst nach israelischem Recht illegale „wilde“ Siedlungen im Westjordanland. Was ändert sich, wenn sie nun nach israelischem Recht legal sind?

Zunächst einmal ist die Botschaft, dass Israel entschieden ist, jede Chance auf eine Zweistaatenlösung zu zerstören. Ansonsten ist die Ankündigung über Siedlungsbau und die Legalisierung von Außenposten für den Eigenbedarf. Die Regierung spielt mit der nationalistischen politischen Basis. Sie gibt der ultranationalistischen Öffentlichkeit in Israel, die „Rache“ will, damit Futter. ­Es ist ein Zeichen dafür, dass die Regierung das erfüllt, wofür sie gewählt wurde: mehr Siedlungen. Mehr Unterdrückung.

Noch ist der Legalisierungsprozess nicht abgeschlossen. Um wirklich legalisiert zu werden, muss die Regierung beweisen, dass die Siedlungen nicht auf Privatland von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen gebaut sind. Ist das Formsache?

Das kann ­lange Jahre dauern. Für Netanjahu ist es nicht wichtig, ob die Außenposten am Ende tatsächlich legal sind oder nicht. Ihm geht es jetzt um die Politik. Er ist schwach und verletzlich …

Er steht derzeit in drei Korruptionsfällen vor Gericht und dürfte darauf hoffen, dass seine Partner ihm helfen, ihm ein Immunitätsgesetz zu verschaffen …

Richtig, und er muss seine Partner irgendwie bei Laune halten. Und er tut dies eben genau so. Was mit der tatsächlichen Legalisierung passieren wird, ist ihm egal.

Viele der Außenposten sind auf palästinensischem Privatland gebaut.

Ja, und mit einigen der Außenposten werden sie es schwerer haben: Givat Harel, Sde Boaz. Haroe, Malachei Hashalom. Andere werden leichter sein. Aber wie gesagt, Netanjahu kümmert das nicht. Er muss der Öffentlichkeit, die sein Lager unterstützt, etwas zuwerfen.

Nach welchen Kriterien hat die Regierung die zu legalisierenden Außenposten ausgewählt?

Die sind meines Erachtens willkürlich ausgewählt. Es sind solche dabei, die vor längerer Zeit gegründet wurden, und jüngere. Einige sind Bauernhöfe, andere reguläre Außenposten. Aber es war der Regierung wohl wichtig, dass sie überall in der Westbank verteilt sind und tief ins Westjordanland reichen.

Die Regierung ist derzeit dabei, das Oberste Gericht zu entmachten. Die Siedlerführer haben ihr eigenes Interesse an diesem Schritt.

Ja, die Siedler hassen den Obersten Gerichtshof, weil sie keine Einschränkungen wollen. Sie können einfach nicht akzeptieren, dass ein säkularer Richter ihnen sagt, dass ein Teil von Eretz Israel nicht ihnen gehört.

Die internationale Gemeinschaft hat den Schritt ungewöhnlich harsch kritisiert. Kann die Entscheidung durch internationalen Druck noch rückgängig gemacht werden?

Internationaler Druck ist wohl das Einzige, was noch etwas ausrichten kann. In Israel wird niemand dagegen ankämpfen, außer einer sehr kleinen Gruppe der Linken.

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17 Kommentare

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  • Wir Deutschen sind froh über die Wiedervereinigung. Doch was war das entscheidende Moment, dies zu ermöglichen? Es war der Kniefall Willy Brandts in Warschau. erst durch die Anerkennung der DDR waren überhaupt Verhandlungen möglich. Was bedeutet das für Israel und die Palästinenser?

    Wir müssen endlich Abstand nehmen von der Chimäre Zweistaatenlösung. Damit wird es nur weiteres Leid und Krieg geben. Erst wenn wirunsere Denkblockade lösen und als Deutsche und Europäer der Palästinensischen Autonomiebehörde die Einstaatenlösung vorschreiben, wird Bewegung in die Verhandlungen kommen. Statt über Grenzverlauf hier, Siedlung da könnte über reale Probleme diskutiert werden. Im Ergebnis könnte dann doch eine Zweistaatenlösung herauskommen. Doch als einstieg in die Verhandlungen muss neu gedacht werden. Auch Israel könnte mit der Einstaatenlösung besser verhandeln. Es könnte der gamechanger sein.

  • Hm. Israel ist militärisch in der stärkeren Position. Das war aber nicht immer so. Vor und auch noch zunächst nach der Staatsgründung war Israel militärisch schwach. Die jetzige militärische Stärke ist ja gerade entstanden als Reaktion auf die Eliminationsbestrebungen auf arabischer Seite. Allerdings "ins Meer treiben", usw.,usw. war schon damals, hat also mit der überlegenen Position mMn nichts zu tun. Wo gibt es von arabischer Seite einen Dror Etkes?

  • Die Gelegenheit zur Gründung eines Palästinenser Staats wurde mehrmals verpasst. Auch von 1948 bis 1968 wo das Westjordanland von Jordanien völkerrechtswidrig besetzt war. Jetzt ist der Zug abgefahren. Durch Hamas und Hisbollah wäre die Sicherheit und Existenz Israels nicht mehr gewährleistet. Einen 2.Gazastreifen braucht niemand. Die Lösung Staat für Alle wäre das Ende des Staates Israel . Also wird sich nichts ändern.

    • @Klempner Karl:

      Wenn der Zug für einen paläst. Staat abgefahren ist, dann bleibt logischerweise nur die Einstaatenlösung. Und es hat nicht immer nur das >Nein< der Palis gegeben (man muss auch nicht zu allem >ja< sagen) sondern auch den ungebremsten Siedlungsbau, der den Unwillen der Israelis zu Frieden u 2Staatenlösung deutlich zeigt. Diverse Politiker u.a. Peres haben es klar auf den Punkt gebracht, am Tag nach der Einstaatenlösung wird Israel oder Israel als zionistischer Staat abgeschafft. Oder, könnte man ergänzen, die Demokratie um am "jüdischen u demokratischen Staat" festzuhalten. Auf Dauer wird der aber nicht haltbar sein. Israel bewegt sich genau darauf zu: die eigene Abschaffung entweder mit oder ohne vorgeschaltete Abschaffung der Demokratie, Bürgerkrieg etc. Mit der aktuellen Entwicklung, mit dem Personal, ist es unvermeidbar. Die Einsichtsfähigkeit fehlt offenbar in der israel. Spitze. Netanjahu z.B. ist ja nicht dumm, er sieht das bestimmt, glaubt aber wahrscheinlich dass die Palästinenser irgendwie soweit verdrängt/ vertrieben werden können, dass sich das Palästinenserproblem irgendwann erledigt. Leute wie Ben Gvir o Smotric sind da in ihrer Rhetorik wesentlich deutlicher u brutaler, was auf blutige kommende Auseinandersetzungen hindeutet, bis hin zu Staatszerfall falls sie politisch die Oberhand gewinnen. Diese Kalkulation beinhaltet also erhebliche Risiken auch für die eigene Gesellschaft und das im wesentlichen weil man den Hals nicht voll bekommt und das ganze Territorium zw Meer u Jordan haben will oder weil man sich vom eigenen selbstbestätigenden, selbstlegitimierenden identitären Diskurs aus Tora, Geschichte, Holocaust und ein paar Propagandaversatzstücken, die alle Schuld bei den Palis abladen ("sie haben immer nein gesagt") und die zusammen Landnahme ohne Rücksicht auf die Palästinenser legitimieren sollen, nicht (mehr) lösen kann, weil man zu vielen zu lange das Hirn gewaschen hat.Hisbollah ist übr. liban., d. Libanon will man aber nicht erobern, oder?

    • 3G
      31841 (Profil gelöscht)
      @Klempner Karl:

      Nichts ändern heißt langfristig Sackgasse, auch die hat mal ein Ende. Man will es sich nicht ausmalen, wie das aussähe.

  • Auch ohne die Siedlungen gibt es auf der palästinensischen Seite keinen Partner für eine Zwei-Staaten-Lösung.

    • @h3h3y0:

      Ja. Und das seit Jahrzehnten. Angestrebt von palästinensischer Seite wird die Auslöschung der jüdischen Existenz in Israel und ein ethnisch rein arabischer Staat.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Henriette Bimmelbahn:

        Von allen samt und sonders?

        • @31841 (Profil gelöscht):

          Ich hoffe, nicht von allen. Bitte beachten Sie, ich habe nicht geschrieben, dass ich alle Palästinenser und israelischen Araber für Terroristen und Killermonster halte. Es gibt viele ermutigende Beispiele für ein gutes, respektvolles Miteinander zwischen J. und A. in Israel und um Israel herum. Aber - denken Sie an die Überschrift - wir sprechen von einer *2*-Staaten-Lösung, heißt: eines palästinensisch-arabischen Staates UND eines jüdischen Staates. Nochmal: eines souveränen jüdischen Staates. Und, während alle mir bekannten palästinensischen Offiziellen einen palästinensischen S. vehement einfordern, kenne ich keinen, der gleichzeitig einen jüdischen S. einfordert. Vielleicht mit Ausnahme von Mansour Abbas, nach eigener Definition israelischer Araber und Teil des palästinensischen Volkes und der Umma:



          www.mei.edu/public...and-raams-strategy



          und Mitglied der vorigen Regierung. Sein pragmatischer, vernünfiger Ansatz, ca. ab Minute 33:07



          www.washingtoninst...NgUVYJ5dXtXZmY0so4



          Warum wird das von Befürwortern der Zweistaatenlösung konsequent "übersehen".

          • 3G
            31841 (Profil gelöscht)
            @Henriette Bimmelbahn:

            Vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.



            Ich möchte Ihre Darstellung nicht in Frage stellen.



            Was mir an Gedanken dazu kommt: Wo gibt es von israelischer Seite aus der faktisch ultimativ überlegenen Position heraus den Versuch, die Starre auf palästinensischer Seite aufzuweichen. Warum sollte das nicht stetige Versuche wert sein, denn eine eleminatorische Haltung gegenüber Israel ist in Palästina mitnichten die einzige.

  • Andere Staaten werden wegen völkerrechtswidriger Annexion mit Sanktionen belegt ....

    • @Jörg Schulz:

      Welchen Staat hat Israel überfallen und annektiert ?

      • @Klempner Karl:

        Hören Sie doch auf, was für ein Rechtsverständnis ist das denn. Nur weil es gerade nicht vollgültig als Staat anerkannt ist kann man sich nicht einfach nehmen was einem nicht gehört. Können Sie sich ein Haus einfach aneignen, dessen Eignerschaft ungeklärt ist?Nö, nicht mal wenn es leersteht, oder? Wer hat eigentlich über Anerkennung u Grenzziehungen in der Region früher entschieden? Ein paar europ. Kolonialmächte. In der entstehenden UN fehlte auch noch der übergröße Teil der Weltgemeinschaft, weil selbst damals noch unter Kolonialherrschaft stehend. Die Europäer u die Amerikaner haben sich also im wesentlichen selbst ermächtigt. Israel schert sich überhaupt nicht um internationales Recht u Rechtssprechung etwa des internationalen Gerichtshofes, der schon mehrmals entschieden hat, Besatzung und Siedlungen sind illegal. Und dann will es einen Popanz aufbauen, dieses Gebiet, die Westbank gehörte ja keinem? Ähnliche Stories etwa vom "leeren Land" hat es schon früher erzählt um sich den größten Teil Palästinas anzeigen. Und nun möchte es auch den kleinen Rest den Palis stehlen? Da es ganz offenbar jegliche Achtung v Recht u Gesetz verloren hat, außer dem was es zu eigenem Nutzen sich setzt, wundert es überhaupt nicht u ist es nur konsequent, dass es jetzt die eigene Demokratie u den Rechtsstaat begräbt.

      • 3G
        31841 (Profil gelöscht)
        @Klempner Karl:

        Rechtsgrundlage der Annexion bzw. staatsbildenden Besiedlung?

    • @Jörg Schulz:

      Andere Staaten haben auch nicht die schützende Veto-Hand der USA, die sie vor einer seit 1967 fälligen Intervention des UN-Sicherheitsrates schützt...das mag sich nun ändern. Irgendwann wollen auch die USA sich nicht mehr brüskieren lassen.

  • Inwiefern stehen die völkerrechtswidrigen Siedlungen der Zweistaatenlösung entgegen?



    Die Siedler würden dann halt die palästinensische Staatsbürgerschaft bekommen, und müssten sich wohl wegen der Grundstücke und des Terrors vor palästinensischen Gerichten verantworten.

  • Die Zweistaatenlösung ist schon seit Jahren tot und hatte nie eine Chance auf Realisierung. Dieser politische Zombie wird immer wieder von verschiedenen Seiten heraufbeschworen, jedoch nicht von den Verantwortlichen in Israel oder bei den Palästinensern. Die arabischen Völker interessieren sich nicht die Bohne für ihre palästinensischen Brüder und Schwestern. Die sind heillos zerstritten und lassen sich von faschistoiden Hassregimen wie dem Iran instrumentalisieren. Von der regelmäßig aufflammenden Gewalt profitieren nur diejenigen, die Israel destabilisieren oder gar vernichten wollen. Eine Zweistaatenlösung kann aus dieser Saat des Hasses soweiso nicht entstehen.