Baumpfleger über Dürre: „Öfter und kürzer gießen“
In Teilen Deutschlands ist es schon jetzt zu trocken. Baumpfleger Jörg Cremer erklärt, was Bäumen hilft und weshalb es mehr robuste Klimagewächse braucht.
taz: Herr Cremer, in Parks werden große alte Bäume bei Trockenheit beschnitten. Ist das im Privatgarten auch sinnvoll?
Jörg Cremer: Bei den Arbeiten geht es meist um die Verkehrssicherheit in den Anlagen, das obliegt jedem Baumeigentümer. Allerdings wird die Verkehrssicherheit in Deutschland massiv übertrieben. Es gibt deutlich weniger Personenschäden durch Bäume als im Straßenverkehr, da müssten Sie eher aufhören, Auto zu fahren. Viel Geld könnten wir sparen, wenn das Entfernen von Totholz nicht ab 3 Zentimeter, sondern erst ab 5 Zentimeter Durchmesser erfolgen würde. Das „Lebensrisiko“ wird hierdurch nicht ernsthaft erhöht.
ist Erster Vorsitzender des Fachverbands Baumpflege. Der Fachagrarwirt führt einen Baumpflegebetrieb in Sankt Augustin in Nordrhein-Westfalen.
Aber es gibt Bäume, die aus dem Nichts heraus große Äste abwerfen…
Sie meinen den Grünastbruch in Zeiten von Hitze und Trockenheit? Einzelne Baumarten wie Eichen und Pappeln neigen dazu. Wir kennen das Phänomen unter dem Begriff der Mittagsdepression. Mittags sinkt der Zelldruck in einzelnen Ästen ab, sie können abfallen. Das passiert aber höchst selten. Und genau verstanden haben wir auch nicht, wieso das eigentlich passiert. Da brauchen wir noch einiges an Forschung. Wässern kann helfen.
Also nicht beschneiden?
Wenn es um die Verkehrssicherheit geht, sollte das, was ein Laie erkennen kann, entfernt werden, Totholz etwa. Ist man sich aufgrund von Pilzfruchtkörpern nicht sicher, sollte ein Baumfachmann hinzugezogen werden. Gegen Grünastbruch hilft Beschneiden nicht wirklich. Welchen der Äste wollen Sie denn abschneiden? Sie wissen doch gar nicht, welcher eventuell betroffen sein könnte. Damit schaden Sie dem Baum eher, und teuer ist es auch.
Hilft es, einen alten Baum zu gießen?
Gießen ist gut. Einem kleinen Baum bis etwa 15 Meter Höhe, der etwa 20 Jahre alt ist, kann man alle zwei Wochen für eine Stunden den Gartenschlauch anlegen. Große Bäume wie Ahorn oder Walnuss brauchen das Doppelte. Wobei öfter und kürzer gießen effektiver ist, das durchfeuchtet den Boden besser. Ideal ist eine gleichmäßige Tropfbewässerung.
Klingt wenig…
Wir reden von Trinkwasser, damit müssen wir umsichtig umgehen. In bestimmten Gebieten werden wir absehbar Gärten nicht mehr bewässern dürfen. Wer einen Garten anlegt, sollte unbedingt eine Zisterne einbauen und bei Neupflanzungen auf resiliente Baumarten achten. Die findet man unter dem Stichwort „Klimabäume“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt