Vegetation nach Waldbränden: Nach dem Feuer die Zitterpappeln
Die Flora in Brandenburg hat nach den Bränden im Sommer gelitten. Die Forscher sind überrascht, wie schnell die Pflanzen zurückkehren.
Maren Schüle aber zählt weiter. Für ihre Dissertation erfasst die 27-Jährige systematisch die Vegetation auf den alten Brandflächen. Erstes Zwischenergebnis: „Wir sind überrascht, wie schnell die Pflanzen zurückkehren“, sagt die Biologin, „in den ersten Jahren nach dem Brand nimmt die botanische Vielfalt zu, in einigen Jahren danach geht sie langsam zurück.“
In robuster Outdoorkleidung, mit Mütze und Rucksack, steht sie Anfang September in einem Dickicht aus Pappeln, ein bis vier Meter hoch. Sie haben sich auf der Fläche angesiedelt, auf der 2018 der Kiefernforst erst abgebrannt und die danach von der Besitzerin, einer Genossenschaft, beräumt und danach gepflügt worden war. Die schwarzen Baumstümpfe der Kiefern stehen noch immer in Reih und Glied, zwischen Pappeln und Stümpfen ein Pfahl.
Das Gelände ist in Untersuchungsflächen unterteilt, auf einer Fläche liegen zehn Probekreise, die mit Pfählen markiert sind. „Im Radius von zehn Metern erfasse ich alle Pflanzen einschließlich der Moose, die ich finde“, sagt Schüle. Sie findet Heidekraut und das weit verbreitete und von Förstern wenig geschätzte Landreitgras, aber auch Gräser wie Drahtschmiele, verschiedene Seggen und Straußgras sowie seltene Pflanzen wie das Niederliegende Johanniskraut oder den Hauhechel. Rund 20 Arten pro Probekreis hat die Biologin zu Beginn ihrer Arbeit, zwei Jahre nach dem Waldbrand, auf der beräumten Fläche gefunden. Inzwischen sind es noch 15.
Zitterpappeln und Birken sind Pionierbaumarten
Die Pflanzen, die jetzt hier wachsen, konnten sich entweder ansiedeln, weil ihre Samen sehr flugfähig sind – wie die der Pappel. Oder aber sie haben in der sogenannten Samenbank überlebt, Vorkommen unterschiedlichster Samen, die im Boden zum Teil Jahrzehnte im Wartestand überdauern. Herrschen für sie günstige Bedingungen, keimen und wachsen sie. Um später, wenn etwa konkurrenzstärkere Pflanzen den Standort erobern, wieder zu verschwinden.
Einige Kilometer weiter untersucht Schüle nach derselben Methode die Entwicklungen auf einer Waldbrandfläche im Wildnisgebiet der Stiftung Naturlandschaften, die nicht beräumt, sondern auf der das Totholz stehen und liegen gelassen wurde. Hier ist die Pflanzenvielfalt doppelt so hoch. Allerdings befinden sich in der Nähe brachliegende Ackerflächen, insofern könnte das Ergebnis durch herübergewehte Samen beeinflusst worden sein.
Hier wie dort finden sich neben Kiefern vor allem Zitterpappeln und Birken. Beide sind Pionierbaumarten, deren zahlreiche, leichte Samen der Wind weite Strecken mitnimmt und in der Landschaft verteilt. Robust und zäh besiedeln sie den trockenen Sandboden, auch die extreme Trockenheit des vergangenen Sommers konnte sie offenbar nicht schrecken.
Besonders eindrucksvoll sind die vielleicht einen Meter hohen Pappeln, die auf gerade abgebrannter Fläche stehen. Selbst angekokelt, treiben sie doch von unten wieder aus – und bilden teils meterlange Wurzelausläufer, aus denen wieder neue Triebe ausschlagen. Bei Berechnungen darüber, wie viel Kohlenstoff Wälder in ihrer Biomasse speichern, würden die unterirdischen Ausläufer und Wurzeln häufig nicht berücksichtigt, sagt Thilo Heinken: „Hier besteht noch Forschungsbedarf.“ Der Botaniker an der Uni Potsdam betreut Schüles Dissertation und vertritt die Universität im Pyrophob-Verbundprojekt. Was die Wissenschaft fasziniert, lässt die Waldbesitzer:innen häufig kalt.
„Förster können mit dem weichen Holz der Zitterpappeln wenig anfangen“, sagt Heinken. Die gesamte Waldwirtschaft, Sägewerke, die Bauindustrie, alle seien auf Fichten und Kiefern ausgerichtet. „Diese Pappeln hier zeigen uns aber an, dass sie mit den hiesigen Bedingungen besonders gut zurechtkommen“, sagt Heinken, „vielleicht müssen wir hier umdenken, und Verwendungen für die Pappel suchen.“
Vereinzelt stehen zwischen dem Pappel-Birken-Dickicht wachsen auch kleine Eicheln und Kiefern. Sie können sich nicht auf den Wind verlassen, sondern sind darauf angewiesen, dass jemand ihre Samen transportiert und ausbringt. Eichelhäher zum Beispiel oder Eichhörnchen. Von den Samen, die vor dem Waldbrand in der etwa handbreiten Humusschicht des Forsts lagen und dort vielleicht schon keimten, ist nichts geblieben. Diese dunkle, nährstoffreiche Schicht aus Pflanzenresten ist komplett verbrannt.
Übrig geblieben ist der nackte Erdboden. Der sei, sagt Heinken, als Grundlage für neue Pflanzen ganz gut geeignet. Perspektivisch wird an der Stelle also in einigen Jahrzehnten ein Mischwald entstehen.
Und die Buche? „Sie kommt viel, viel später, in Jahrzehnten erst. Sie braucht den Schatten und das Mikroklima eines Waldes, um zu keimen und aufzuwachsen. Beinahe kahle Fläche zu erobern, das überlässt sie anderen.“
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