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BDS und der Nelly-Sachs-PreisDeutsche Reflexe

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Die BDS-Aktivistin Shamsie bekommt den Nelly-Sachs-Preis nicht. Das ist verständlich, doch israelkritische Positionen werden zu oft diskreditiert.

Autorin Kamila Shamsie auf der Frankfurter Buchmesse 2018 Foto: Sven Simon/imago

I n Dortmund hat eine Jury der britisch-pakistanischen Autorin Kamila Shamsie erst den Nelly-Sachs-Preis verliehen, dann wieder entzogen, weil Shamsie die Israel-Boykott-Bewegung BDS unterstützt. Das wiederum hat harschen internationalen Protest provoziert. Mehr als 200 vor allem angloamerikanische AutorInnen, darunter mehrere LiteraturnobelpreisträgerInnen, bekundeten ihre Bestürzung über die Aberkennung des Preises. Eine peinliche Affäre für die Jury.

Auf den ersten Blick fügt sich der Fall Shamsie in eine Reihe von kritikwürdigen Anti-BDS-­Aktionen. Der Bundestag hat BDS in toto für antisemitisch erklärt, was Augenmaß und Differenzierung vermissen ließ. BDS besteht in Deutschland, anders als in Irland oder Schweden, nur aus ein paar Dutzend AktivistInnen und spielt politisch keine Rolle. Zudem ist BDS eine facettenreiche Bewegung, die von christlich motivierten AktivistInnen, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzten, über antikolonial inspirierten Widerstand bis zu fundamentalistischen Israelgegnern reicht.

BDS ist komplexer, als es scheint

In Deutschland ist man aus historischen Gründen mehr als vorsichtig mit Boykottforderungen in Richtung Israel. Das ist richtig. Trotzdem ist das Bild komplexer, als es der auf die NS-Zeit fixierte deutsche Blick erfasst. So war BDS in Palästina der Versuch, nach dem Debakel der gewaltsamen Inti­fada einen zivilen, friedlichen Weg einzuschlagen.

In der deutschen BDS-Debatte kommt dies ebenso wenig vor wie die Tatsache, dass in Israel Liberale vor einer Hexenjagd gegen BDS warnen. Sie hegen wenig Sympathien für die Boykottbewegung, sind aber alarmiert, weil sie in der professionell inszenierten Anti-BDS-Kampagne des Ministeriums für strategische Angelegenheiten eine rechtsautoritäre Formatierung der Öffentlichkeit und einen Angriff auf die liberale Demokratie in Israel erkennen. Die Netanjahu-Regierung bereitet völkerrechtswidrig die Annektierung eines Teils des Westjordanlandes vor – die Anti-BDS-Aktionen der Regierung sollen Kritik an der Besatzung als illegitim diffamieren.

In Deutschland kreist die Debatte indes über das Kampfwort Antisemitismus. Das ist naheliegend, aber unterkomplex. Man dürfe, heißt es großzügig, die israelische Regierung kritisieren. Doch wer das entschlossen tut, wird schnell als anti­semitisch disqualifiziert. Die deutsche BDS-Debatte ist undifferenziert und so selbstfixiert, dass noch nicht mal auffällt, wie seltsam der BDS-Beschluss des Bundestages in anderen westlichen Demokratien wirkt.

Deutsche Ängstlichkeiten

Der Fall Shamsie scheint in dieses Muster zu passen: hier deutsche Ängstlichkeit, dort Protest von literarischen Koryphäen wie Richard Ford, A. L. Kennedy, Deborah Eisenberg, Rachel Kushner, Michael Ondaatje und Teju Cole, die allesamt nicht zu den üblichen Unterzeichnern in Sachen BDS zählen. Hat die Jury also doppelt versagt – erst weil sie wenig über Shamsie wusste, dann weil die deutschen Reflexe einschnappten?

Der Fall ist schwieriger. Die deutsch-jüdische Schriftstellerin Nelly Sachs, von den Nazis ins schwedische Exil getrieben, hat so intensiv wie Paul Celan den Mord an den Juden literarisch bearbeitet und der Qual des Überlebens eine Stimme gegeben. „Wir Geretteten/ Immer noch essen an uns die Würmer der Angst“, heißt es in dem Gedicht „ Chor der Geretteten“.

Israel erschien Sachs als das Land des „Urväterstaubs“. Ob sie, wie Peter Hamm mutmaßte, fürchtete, dass in Israel aus „den Verfolgten bald Verfolger werden könnten“, wissen wir nicht. Sachs war mit Politik weniger vertraut als mit existenzieller Einsamkeit. Mag sein, dass sie die Idee Israel mehr bewunderte als deren Verwirklichung.

Sachs, die 1966 den Nobelpreis zusammen mit dem hebräischen Autor Samuel Joseph Agnon bekam, verstand sich als Stimme des jüdischen Opferkollektivs. Shamsies Bücher hingegen werden nicht ins Hebräische übersetzt, weil die Autorin nicht mit israelischen Verlagen zusammenarbeiten will. Wir können annehmen, dass dieser Boykott Sachs mehr als nur missfallen hätte. Es ist unsinnig, PreisträgerInnen auf das politische oder poetische Programm der NamensgeberInnen zu verpflichten. Aber es ist ebenso unklug, jemand zu küren, der in wesentlichen Punkten Konträres vertritt. Wäre es nicht unangemessen, sagen wir, einen Edward-Said-Preis an einen israelischen Rechten zu verleihen?

Ist Israelkritik wirklich verfassungsfeindlich?

Allerdings ist der Fall Shamsie letztlich nur eine Randnotiz. Im größeren Bild ist das Problem, dass BDS-Unterstützer wie Shamsie hierzulande wohl gar keinen Preis bekommen. Und das gilt ebenso für Hunderte von AutorInnen aus früher kolonialisierten Ländern, für afrikanische Philosophen und lateinamerikanische Feministinnen, die mit BDS sympathisieren.

Will der Verfassungsschutz alle Organisationen überwachen, die nicht gewalttätig sind, kommt viel Arbeit auf ihn zu

Ein halbes Jahr nach dem Bundestagsbeschluss ist erkennbar, dass dies nicht das Ende, sondern erst der Anfang einer Ausgrenzungskampagne war. Radikal israelkritische jüdische Organisationen wie die Jüdische Stimme dürfen bei der Bank für Sozialwirtschaft kein Konto haben. In München bekommen BDS-nahe Organisationen kaum noch Räume für Veranstaltungen. Der Leiter des Jüdischen Museums in Berlin, der eine umstrittene Jerusalem-Ausstellung verantwortet hatte, musste zurücktreten. Die Liste ist noch länger. Die Atmosphäre wird stickiger.

Der Berliner Innensenator Andreas Geisel will nun BDS vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Sogar „grundsätzliche Kritik“ an Israel scheint ihm verfassungsfeindlich, BDS sei „noch nicht gewalttätig“. Das ist ein hübsches Argument. Wenn der Verfassungsschutz alle Organisationen überwachen will, die nicht gewalttätig sind, kommt da von Fridays for Future bis zum Roten Kreuz eine Menge Arbeit auf den Verfassungsschutz zu.

Man muss angesichts solcher Geheimdienst-Paranoia nicht gleich die Demokratie in Gefahr sehen. Aber es ist unheimlich, wie leichthändig das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung aufgegeben wird. Wo ist eigentlich die liberale Öffentlichkeit, wenn man sie mal braucht?

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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55 Kommentare

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  • Erfreulicherweise scheint doch in der einen, oder anderen deutschen Stadt etwas Vernunft durchzublitzen:



    www.tagesspiegel.d...raad/25071736.html

    • @Henriette Bimmelbahn:

      Das ist hübsch: “Kein Kuß für Mutter“



      by Tomi Ungerer - “…gebraucht.“



      (Direkt darunter.)

      Ach was!

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    "Israelkritik" ist eben keine Regierungskritik, sondern eine Kritik die sich auf die Existenz des Landes bezieht und das ist ganz klar antisemitisch.

    Es ist ja auch was anderes, ob ich die CDU-Regierung und deren Wähler krisitisiere, oder "Deutschlandkritik". übe. Wenn ich aber als Deutscher eine "Deutschlandkritik" habe und diese auf einer dumpfen Antifa-Kiddie Demo unter dem Motto "Deutschland, du dummes Stück Scheisse", oder "Nazis morden, der Staat schiebt ab..." auf die Straßen trage, dann mache ich das eben aus der Perspektive des Landes heraus. Wenn dagegen ein paar tausend Kilometer weiter in Usbekistan eine Demo mit dem Motto " Deutsche sind scheiße" stattfindet, dann ist das eine feindliche Haltung gegenüber allen.

    "Israelkritik" meint alle jüdischen Israelis und explizit die jüdischen Israelis und nicht die arabisch-muslimischen Israelis.



    Ich weiß gar nicht warum das so schwer zu verstehen ist?

    Und zum 10.000 mal in dieser Diskussion kann mir immer noch keiner erkären, wo hier die Boykottaufrufe gegenüber chinesischen Produkten, oder Öl aus Saudi-Arabien sind. Da bekommt "Kauft nicht bei Juden" nämlich nochmal einen anderen Beigeschmack.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Geht es denn nur um den Begriff? Auch Kritik, die ausdrücklich die Politik der derzeitigen Regierung meint, bekommt diesen Stempel "Israelkritik" und fertig ist die Laube.

    • @6474 (Profil gelöscht):

      Ich denke Israelis können mit Kritik an israelischer Politik generell sehr gut umgehen. Es gibt allerdings welche, insbesondere Rechtspopulistischen um Netanjahu, für die bricht die Welt und das Land Israel zusammen, wenn Kritik deren Politik fällt. Da will man gerne ohne Internationale Kritik besetzte Gebiete annektieren und illegale Siedlungen belassen. Der Begriff Antisemitismus wird meines Erachtens aus dieser politischen Ecke heraus instrumentalisiert.

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    "...ist das Problem, dass BDS-Unterstützer wie Shamsie hierzulande wohl gar keinen Preis bekommen." Das ist kein Problem, sondern das ist genau richtig so. Und by the way, keinen Preis zu bekommen, ist keine Einschränkung der Meinungsfreiheit.

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    "Israel erschien Sachs als das Land des „Urväterstaubs“. Ob sie, wie Peter Hamm mutmaßte, fürchtete, dass in Israel aus „den Verfolgten bald Verfolger werden könnten“, wissen wir nicht."

    Sie zitieren aus einem Artikel, den Peter Stamm 1991 in der ZEIT schrieb. Stamm schreibt darin aber auch, "Es war kein grammatikalisches Versehen, wenn Nelly Sachs sich im März 1962 als "weiterhin Verfolgte" bezeichnete. Tatsächlich versetzten sie seit 1960 imaginäre Verfolger immer wieder in Schreckenszustände. Es waren die Millionen schuldlos Hingemordeter, die ihre schlaflosen Nächte bevölkerten und die ihr die eigene Errettung wie eine Schuld erscheinen ließen." Der Staat Israel wurde von jüdischen Verfolgten gegründet und aufgebaut. Es ist noch heute ein Hafen für verfolgte Juden und Jüdinnen wie Nelly Sachs, die z.B. aus Ländern wie Frankreich, wo der Antisemitismus blüht, nach Israel emigrieren, weil sie den Antisemitismus in Europa nicht mehr ertragen wollen. Shamsie, die die Kultur und Wirtschaft eines Landes boykottiert, das Jüdinnen und Juden eine Heimat bietet, soll mit einem Preis geehrt werden, das nach einer jüdischen Verfolgten benannt ist? Nein, das geht gar nicht.

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    "Wo ist eigentlich die liberale Öffentlichkeit, wenn man sie mal braucht?"

    Diese Frage habe ich mir angesichts der ansteigenden antisemitischen Übergriffe in Deutschland auch oft gestellt. Vielleicht ist der Anstieg auch auf spalterische und polarisierende Bewegungen wie BDS zurückzuführen.

  • 0G
    06313 (Profil gelöscht)

    "Der Bundestag hat BDS in toto für antisemitisch erklärt, was Augenmaß und Differenzierung vermissen ließ."

    Sie möchten Differenzierung? OK. Ich differenziere mal: Das Nazi-Regime war auch nicht nur böse und schlecht, die haben ja schließlich nicht nur Juden verfolgt und vergast, sondern auch Autobahnen gebaut und jede Menge Arbeitsplätze erschaffen. Es mag ja sein, dass es auch Nicht-Antisemiten bei dem BDS gibt, aber diese Antiisraelische- Boykottbewegung ist von der Ideologie her antisemitisch durch und durch, weil sie mit zweierlei Maß misst und - entgehen Ihrer Aussage - nicht die israelische Regierung oder die israelische Politik kritisiert, sondern zu Boykott gegen den jüdischen Staat Israel, gegen seine Produkte, seine Menschen, seine Künstler, seine Sportler aufruft. Dasselbe Spiel verfolgten die Nazis. Und die waren doch Antisemiten, oder sehe ich das nicht differenziert genug?

    • @06313 (Profil gelöscht):

      "Es mag ja sein, dass es auch Nicht-Antisemiten bei dem BDS gibt, aber diese Antiisraelische- Boykottbewegung ist von der Ideologie her antisemitisch durch und durch, weil sie mit zweierlei Maß misst und - entgehen Ihrer Aussage - nicht die israelische Regierung oder die israelische Politik kritisiert, sondern zu Boykott gegen den jüdischen Staat Israel, gegen seine Produkte, seine Menschen, seine Künstler, seine Sportler aufruft." Ach, Herr Samy Stein, glauben Sie tatsächlich was Sie da sagen, der BDS, boykottiert Israel einfach so, weil er antisemitisch ist, der BDS geht zentral von Palästinensern aus, und könnte es nicht sein, dass sie das tun, weil sie einen ganz substantiellen Konflikt haben, um Land um bewaffnete Unterdrückung, Vertreibung, ein Konflikt der nach wie vor anhält? Nein? und sie legen doppelte Standards an, die Palästinenser sollten erst einmal sie MR- Probleme in anderen Ländern kritisieren. bevor sie Israel kritisieren? Also, wenn Sie überzeugen wollen, sollten Sie das zumindest anders anstellen.

      • 0G
        06313 (Profil gelöscht)
        @ingrid werner:

        "Ach, Herr Samy Stein, glauben Sie tatsächlich was Sie da sagen, der BDS, boykottiert Israel einfach so, weil er antisemitisch ist"

        Ich habe nicht geschrieben, der BDS boykottiert Israel "einfach so, weil er antisemitisch ist", sondern der BDS-Boykott ist antisemitisch motiviert, weil er ganz pauschal und undifferenziert zum Boykott gegen den einzigen jüdischen Staat auf der Welt aufruft, gegen seine Bevölkerung, seine Kunstschaffenden, seine Kultur, seine Sportler, seine Künstler und seine Wirtschaft sowie den Staat Israel als Personifikation des Bösen darstellt und die Ursachen für die durchaus kritikwürdige Palästinenserpolitik der israelischen Regierung völlig ausblendet. Mit der Staatsgründung Israels begann der Widerstand der Araber gegen den Staat Israel, dieser Widerstand gegen die Existenz Israels wird verbal, militärisch und terroristisch seit vielen Jahrzehnten fortgesetzt . Dieser Widerstand drückt auch der BDS aus. Israel befindet sich seit seiner Staatsgründung mehr oder weniger ständig im Kriegszustand. Und es wird sich nichts daran ändern, solange es Gruppierungen wie den BDS oder die Hamas gibt, die gegen Israel agitieren und den Palästinensern einreden: Die Juden seien schuld an ihrem Elend. Und dass dieser Widerstand gegen Israel antisemitisch motiviert ist, belegen nicht zuletzt die vielen antisemitischen Angriffe auf jüdische Einrichtungen und Rabbiner außerhalb Israels. Erst im Juli d. J. wurde der in Berlin ansässige Rabbiner Teichtal von 2 Arabisch sprechenden Männern attackiert.

        www.welt.de/politi...-und-bespuckt.html

  • "BDS besteht in Deutschland, anders als in Irland oder Schweden, nur aus ein paar Dutzend AktivistInnen und spielt politisch keine Rolle."

    Ein kurze Suche im taz-Archiv erbrachte 331 Artikel zum Stichwort "BDS". Das ist knapp hinter "thunberg" (360). Könnte es sein, dass taz.de vielleicht das falsche Forum ist, um BDS als bedeutunglos darzustellen...

    Davon abgesehen: Es ist mir persönlich völlig egal, ob es auch AfD-Anhänger gibt, die jeglichem deutschnationalen Volksblabla abhold sind, überhaupt nichts gegen Ausländer haben, sondern nur gerne aus dem Euro rauswollen und sich nicht anders zu helfen wissen. Wenn die es nicht schaffen, sich politisch wirksam von den Rechtsaußen ihrer Partei zu distanzieren, dann gehören sie für mich zum Problem "Rechtsextremismus".

    Entsprechendes gilt für Unterstützer einer Bewegung, die es AUCH nicht schafft, sich von ihren antisemitischen Elementen zu distanzieren. Da können Sie noch so lange über den "Facettenreichtum" dieser Bewegung referieren, Herr Reinecke: Wer "BDS unterstützt", unterstützt auch die Antisemiten unter seinem Mäntelchen mit.

    Und die haben von allen Ländern der Welt in Deutschland am wenigsten verloren. Ihre Existenz ist im Zweifel sogar in Israel selbst noch eher zu rechtfertigen als ausgerechnet hier. Wer also nur etwas gegen israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik außerhalb er Grenzen von 1949 hat und mit den Palästinensern mitfühlt, kann sich eigentlich denken, dass er das besser über einen anderen Kanal als BDS kommunizieren sollte, wenn er in Deutschland reüssieren möchte. Und um es Allen klar zu machen, hat es der Bundestag nochmal formal beschlossen.

    Eigentlich ist das nur fair.

    • @Normalo:

      in welchem Zeitraum sind die 331 BDS- Artikel geschrieben und in welchem die 360 über Greta Thunberg? Sehen sie?

      • @ingrid werner:

        Sicherlich über eine längere Zeit als Thunberg, aber die ist auch seit einem Jahr eines der absoluten Topthemen. Es ging mir mehr um die absolute Menge an Aufmerksamkeit, die BDS geschenkt wurde.

        Können wir uns ergo darauf einigen, dass 331 Artikel trotzdem eine stolze Zahl für ein Phänomen sind, das in Deutschland "praktisch keine Rolle" spielt?

        • @Normalo:

          das ist so eine Frage die nur "gefühlte" Antworten zulässt, es kommt immer noch darauf an, was in den Artikeln steht, wer über wen schreibt und mit welchem Wissen, in den Artikeln, die ich gelesen habe scheinen zwei widerstreitende Seiten über eine dritte zu schreiben, die sie nicht wirklich kennen, und die auch noch zunehmend isoliert wird. Nochmal zu Zahlen: Würde Greta Thunberg ihre Quote der letzten 2 Jahre halten käme sie nach 14 Jahren bei 2520 Artikeln raus. Also ja, zusammengenommeneindeutig, der BDS ist medial eine unbedeutende, zumindest unzureichend sondierte Angelegenheit, sag ich mal so als Nichtinsider. Die Quellen u ihre Verbreiter, die hierzulande notorisch gg ihn holzen möchte ich mal als nicht vertrauenswürdig ausschließen. Die Sache der Freiheit der Palästinenser von Besatzung, Vertreibung u Enteignung ist jdflls eine absolut legitime u moralisch berechtigte. Und selbst die andere Seite, die sich hier, wie Herr Reinicke, dankenswerterweise, zumindest noch herausnimmt Zweifel an der Verbannung und Isolierung des BDS anzumelden, traut sich selten bis nie mehr zu. Wohl weil sie dann befürchten muss gesellschaftlich geächtet zu werden, hier sind wir bei einem Tabu angelangt und wenn dieses auch noch institutionell forciert wird, und alle den gleichen offizialistischen Tenor nachquacken: "alles Terroristen" usw. und das bei einer moralisch u rechtlich absolut richtigen Sache, denke ich: so muss es sich anfühlen in einer heraufziehenden Diktatur, unter einer Inquisition. Und an diesem Punkt muss laut und vernehmlich ein "Halt- So nicht! kommen. Wenn sich so einfach die Hebel bewegen lassen!

          • @ingrid werner:

            Ok, Sie wollen sich also nicht einigen sondern weiter Erbsen zählen. Fein. Schreiben Sie mal 331 Artikel zu irgendwas, und behaupten Sie dann, das Thema der Artikel sei eigentlich eher in Deutschland nicht so relevant. Vielleicht noch eine andere Zahl - "219a": 299 Artikel. Kurz und pauschal: BDS mag nicht das dauerhafte Top-Tema der taz sein, aber eine kleine Randerscheinung schafft es auch in 20 Jahren nicht auf annähernd solche Aufmerksamkeit.

            Und was Ihre Übrigen Ausführungen betrifft: Ja, vielleicht rührt der gar nicht mal so abwegige Verdacht auf Antisemitismus einer Kampagne in diesem Land an einige Tabus. Sehr sicher sogar, würde ich sagen. Haben Sie damit ernsthaft ein Problem??

            Schaunen Sie doch mal andersrum: Wenn sich jemand aus Deutschland ganz besonders vehemment und betont mit dem Unrecht des Staates Israel und den Rechten seiner Gegner, ganz zufällig aber so ziemlich gar nicht mit dem Unrecht, das seine Gegner verüben, befasst, dann hat das anderswo vielleicht ein Gschmäckle, aber es geht schon noch so irgendwie. Hier aber ist es ein No-Go.

            Ich habe auch nichts dagegen, dass wir Deutschen, die überall in der Welt Alles besser wissen, und meinen andere Länder hätten nur daruauf gewartet, dass WIR ihnen erklären, was gut und richtig ist, beim Thema Israel einfach mal die Klappe halten und mal - ganz ohne erhobenen Zeigefinger - nur fragen, ob wir irgendwie helfen können. Stünde uns gut.

            Kriegen aber einige wieder nicht hin, weil sie sich ja soo sehr ausgerechnet darüber entrüsten müssen, was Israel sich für Schoten leistet. Gibt es wirklich kein passenderes Ziel, das mindestens genau so viel Unrecht verübt, dessen Existenz, Misstrauen gegen Nachbarn und Leidensgeschichte aber nicht ausgerechnet hier bei uns seine Wurzeln hat??

            Mir fallen ein paar ein. Die Boykottbewegungen für diese Länder kommen aber wahrscheinlich nicht mal ansatzweise auf 331 Artikel...

    • @Normalo:

      " Da können Sie noch so lange über den "Facettenreichtum" dieser Bewegung referieren, Herr Reinecke: Wer "BDS unterstützt", unterstützt auch die Antisemiten unter seinem Mäntelchen mit."

      Es ist nun mal keine Seltenheit, dass sich in allen möglichen Organisationen auch Mitglieder befinden, die möglicherweise die Ziele oder Ambitionen konterkarieren. Deshalb die ganze Organisation zu diffamieren ist ein ziemlich verbrauchter und untauglicher Versuch, Kritik abzuwürgen.



      Im Falle Israel wissen wir doch alle, dass Kritik an der rechtsnationalistischen israelischen Regierung und der durch sie verübten Verbrechen fast immer als Antisemitismus abgetan wurde. Die Taktik ist stets gleich. Kritiker werden mit allen Mitteln verunglimpft.



      Kein Mensch käme z.B. auf die Idee, FfF zu verurteilen, wenn bei den Demos auch Leute mit gegangen wären, die FfF für eigene Zwecke instrumentalisieren wollten.



      Demokratisches Handeln geht anders und ist auch stets etwas anspruchsvoller als schlichtes Schwarzweißdenken.

      • @Rolf B.:

        "Es ist nun mal keine Seltenheit, dass sich in allen möglichen Organisationen auch Mitglieder befinden, die möglicherweise die Ziele oder Ambitionen konterkarieren."

        Warum steht dann das uneingeschränkte Rückkehrrecht aller palästinseinsischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen weiter ungekürzt in den Zielen? Es würde reichen, sich von Jenen zu distanzieren, die damit auch millionenfache (Re-)Immigration auf das israelische Staatsgebiet ( also vor 1967) bezwecken. Oder überhaupt mal klarzustellen, dass man die politische und geografische Integrität Israels in diesen Grenzen anerkennt.

        Dass das nicht klappt zeigt, welchen Einfluss die Mitglieder haben, denen es eben nicht mit einer Befreiung der West Bank und des Gazastreifens getan ist. und solange dieser Einfluss so stark ist, kann man nicht umhin, eine Unterstützung der Kampagne insgesamt auch als Unterstützung dieser Leute zu betrachten.

        Und jetzt mal ehrlich: Wenn es NICHT um Israel geht, sondern um andere politische Initiativen, die ihre Harmlosigkeit betonen, es aber auch nicht gebacken bekommen, sich von ihren Extremisten loszusagen, dann sehen Sie das doch genauso, oder?

        • @Normalo:

          ich glaub weil das in einer noch gültigen UN- Resolution drin steht. Die Geschichte der Naqba holt Israel noch ein, vllcht wäre es an der Zeit, sich zu begangenem Unrecht endlich zu bekennen, statt weiterhin Alternative Fakten zu verbreiten. 5 Millionen Palästinenser passen ohnehin nicht mehr rein, da dies die ökolog. Ressourcen noch mehr überfördern würde als sie es jetzt schon sind. Laut einer vor kurzem weit verbreiteten Studie steht Israel schon jetzt weltweit an Nr 2, hinter Katar, der Länder mit den am meisten "gestressten" Wasserresourcen. Die Israelis u die Palästinenser dürften das wissen, aber es dürfte den Palästinensern um Anerkennung der Vertreibung und Kompensation gehen. Wäre nur Recht und fair. Ach ja, extra für sie: die Palästinenser haben Israel mit den Osloer Verträgen schon anerkannt, völkerrechtlich voll gültig, von der Gültigkeit dieser Verträge in Bezug auf die Rechte der Palästinenser möchte Israel aber nichts wissen und erklärt sie regelmäßig für "tot", nach denen hätten die Palästinenser schon längst einen eigenen Staat haben sollen und zuvor der Siedlungsbau eingestellt sein sollen. Das ständige Geschrei überdeckt, dass es in Wirklichkeit Israel ist, dass die Existenz Palästinas und der Palästinenser nicht anerkennen will - in Wort und Tat.

          • @ingrid werner:

            Die UN-Resolution ist faktisch genauso Makulatur wie Oslo, und das sollte auch klar sein. Wichtig ist, wer heute was mit der Kampagne bezweckt.

            Wenn es z. B. um Reparationen geht, kann man das ja auch so sagen. Tut man aber nicht. Stattdessen werden die territorialen Ansprüche beibehalten und ein "Rückkehrrecht" für eine Flüchtlingsschar gefordert, die um ein mehrfaches größer ist als die der ursprünglich tatsächlich mal Geflüchteten.

            Man KÖNNTE das viellleicht alles wohlwollend interpretieren - wenn da nicht genau die Kräfte im BDS sowohl in Palästina alsauch außerhalb wären, die ganz klar Israel von der Landkarte haben wollen und einen Israeli lieber tot als auf "palästinensischem" Land sehen.

            Dann schreiben Sie noch: "Das ständige Geschrei überdeckt, dass es in Wirklichkeit Israel ist, dass die Existenz Palästinas und der Palästinenser nicht anerkennen will - in Wort und Tat."

            Das ist möglicherweise richtig - und schön blöd von den BDSlern, denen es wirklich DARUM geht. Warum lassen sie sich in dieser Diskussion fangen, statt die nötige Distanz zu den Revisionisten zu schaffen und sich z. B. darum zu kümmern, dass Palästina eine demokratische Ordnung und ein gelebtes Menschenrechtsverständnis erhält, das die israelische Zivilgesellschaft nicht mehr als den Leuchtturm im Nahen Osten dastehen lässt? Wenn man Israel die moralische Autorität nehmen will, ist der ausgestreckte Finger ein wesentlich stumpferes Werkzeug als eine moderne und auch praktisch umgesetzte Verfassung.

          • @ingrid werner:

            "die Palästinenser haben Israel mit den Osloer Verträgen schon anerkannt, völkerrechtlich voll gültig"

            Die Knesset hat Oslo I mit 61 zu 50 Stimmen abgesegnet.

            Die PLO hat dem nie zugestimmt, Arafat hat es ohne Mehrheit der PLO unterschrieben.

            "However, what received hardly any attention was the fact that on October 6, 1993, the PLO executive did not ratify the Oslo accord, for lack of a quorum."

            "Arafat announced in Tunis that he could not get a quorum of the executive council of the PLO to ratify the Declaration of Principles of the Oslo Accords"

            blogs.timesofisrae...n-of-oslo-accords/

            Die PLO hat Oslo I nie zugestimmt und Arafat hat das auch bestätigt, er hätte dafür keine Mehrheit im Exekutivkomitees bekommen.

            Arafat und Abbas haben es unterschrieben und Israel tut so, als ob die Unterschrift der beiden Deckungsgleich mit einer Zustimmung ist, was nicht der Fall ist.

  • Zur BDS -Bewegung gehören auch solche wie ich, Juristen die sich für die Einhaltung der Menschenrechte sowie der Einhaltung des Völkerrechts, kurz: Der Einhaltung der zivilisierten und westlichen Werte einsetzen. Davon ist Israel Lichtjahre entfernt. Auch bereitet es mir angst, wenn zwar eine sehr kleine Lobby aber sehr mächtige, im Bundestag Beschlüsse / Gesetze durchsetzten lässt die erkennbar wenig mit dem Volkswillen zu tun haben. Oder wenn diese Lobby es fertig bringt, dass sämtliche Freiheitsrechte freier Bürger wie etwa Presserecht, freie Meinungsäußerung oder das Recht auf Versammlung eingeschränkt werden.

    Selbst in den Kommentarrubriken der deutschen Zeitungen wird Israelkritik regelmäßig unterdrückt bzw. nicht veröffentlicht. Selbst Satire über Israel ist nicht erlaubt bzw. unerwünscht. Z.B. wurden Künstlern in Frankreich auftrittsverbote erteilt. Jan Böhmermann wäre beinahe am Ende seiner Karriere gelandet, weil er sich einen Gag über einen jüdischen Künstler erlaubt hat und dieser Gag als antisemitisch eingestuft wurde.



    Im Übrigen halte ich den Bundestagsbeschluss sowie die Schikane der Münchner Stadtverwaltung gegenüber BDS Aktivisten für grundgesetzwidrig. Das der Bundestag grundgesetzwidrige Gesetze verabschiedet oder die Exekutive grundgesetzwidrige Massnahmen ergreift, ist nichts auch nichts neues mehr.

    • 0G
      06313 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      Ja, auch ich bin für die Einhaltung des Völkerrechts, fordere das aber nicht - wie Sie und andere BDS-Anhänger es tun - von Israel allein, sondern auch von allen im Nahostkonflikt involvierten Staaten, z.B. den Iran, Syrien, Libanon, etc. etc. BDS misst mit zweierlei Maß und ist für mich - weil es sich auf den Judenstaat eingeschossen hat - eine durch und durch antisemitische Bewegung. Darunter mag es ja ein paar Unschuldslämmer geben, oder aber es sind welche im Wolfspelz, wer weiß.

    • @Nico Frank:

      Sie schreiben: "Auch bereitet es mir angst, wenn zwar eine sehr kleine Lobby aber sehr mächtige, im Bundestag Beschlüsse / Gesetze durchsetzten lässt die erkennbar wenig mit dem Volkswillen zu tun haben."

      Soso, der "Volkswille". Macht sich das "Volk" so viele Gedanken um "die Einhaltung der Menschenrechte sowie der Einhaltung des Völkerrechts" in Bezug auf den Nahen Osten? Und würde es sich auch so viele Gedanken darüber machen, wenn es nicht der Judenstaat wäre, der diese Rechte angeblich verletzt?

      Tja, das Völkerrecht. Selbst für die meisten Juristen (wie mich) ist das eine Spezialmaterie, von der sie kaum Ahnung haben. Aber ich habe schon so manche Diskussion mit Nichtjuristen geführt, die sich mit Leidenschaft auf das Völkerrecht beriefen - und immer ging es um Israel und um die jüdischen Siedlungen im Westjordanland. Denn in Deutschland "weiß" (fast) jedes Kind, genauer: glaubt es zu wissen, dass diese Siedlungen gegen das Völkerrecht verstoßen - das heilige deutsche Völkerrecht auf ein judenfreies Westjordanland. Sie schreiben: "Selbst in den Kommentarrubriken der deutschen Zeitungen wird Israelkritik regelmäßig unterdrückt bzw. nicht veröffentlicht." Soso, "Israelkritik" wird also hierzulande unterdrückt. Und woher kommt dann der "Volkswille", von dem Sie schreiben?

      Und was mag das für eine "sehr kleine Lobby" sein, von der Sie da schreiben? Die aber so mächtig ist, dass sie den Bundestag dazu bringt, den "Volkswillen" zu missachten? Ist´s die jüdische Weltverschwörung? Aber das wollen Sie bestimmt nicht sagen, das wäre ja antisemitisch, und Sie wollen ja nur die Einhaltung der Menschenrechte und des Völkerrechts.

      Und: Wieso soll der Bundestagsbeschluss, der BDS als antisemitisch bewertet, gegen das Grundgesetz verstoßen? Steht im Grundgesetz, dass BDS nicht antisemitisch ist? Nein, das steht da nicht. Da steht gar nichts zu BDS. Und da steht auch nicht, dass der Bundestag keine politischen Bewertungen über politische Bewegungen beschließen darf.

      • @Budzylein:

        @Budzylein @Sammystein - soweit mir die Modi die Wiederrede erlaubt, nehmen Sie das als kurze als Antwort:



        Sie beide beschweren sich über die redliche BDS-Bewegung, weil die BDS ungerecht sei. Die Ungerechtigkeit sehen sie darin, dass die BDS – Bewegung –ich sagt das mal freimund – nicht alle Schurken der Welt gleich behandelt. Quasi, die BDS-Bewegung müsste z. B. China für die Uiguren-Unterdrückung genauso kritisieren wie Israel, erst dann könne die Israel-Kritik eine Legitimität erhalten.



        Ich sage Ihnen, ein Schurke hat weder ein Recht noch einen Anspruch darauf, mit anderen Schurken gleich behandelt zu werden. Das Beste ist, man ist erst gar kein Schurke, dann braucht man auch nicht weinerlich rum tun.

        • 0G
          06313 (Profil gelöscht)
          @Nico Frank:

          Sie missverstehen da etwas. Es geht nicht darum, dass Israelkritik erst dann "legitim" ist, wenn auch andere "Schurken"-Staaten entsprechend kritisiert werden, sondern es geht darum, dass der Begriff Israelkritik und auch der Umstand, dass andere "Schurkenstaaten" (China, Iran, Syrien, etc.) nicht genauso heftig kritisiert werden, die Fokussierung auf Israel ganz eindeutig und offensichtlich judenfeindlich/antisemitisch motiviert ist. Niemand spricht von Iran- oder Venezuela-Kritik, sondern von Kritik an den iranischen oder venezolanischen Machthabern oder an deren Politik. Allein schon der Begriff Israelkritik spricht Bände und entlarvt die Intention und Motivation. In Ihrer Aussage "Ich sage Ihnen, ein Schurke hat weder ein Recht noch einen Anspruch darauf, mit anderen Schurken gleich behandelt zu werden" entblößt schon ein sehr sonderbares Rechtsbewusstsein. Ich finde schon, dass Schurken an ihren Taten gemessen werden und dementsprechend alle gleich behandelt werden sollten. Aber offensichtlich drücken der BDS und Sie bei vielen Schurken beide Augen zu und haben Nachsehen, während ein Land, das seit seiner rechtmäßigen Gründung durch Holocaust-Überlebende angefeindet und militärisch angegriffen wird, als Personifikation des Bösen und wie ein Stellvertreterstaat für alle Schurken behandelt wird. Dass es sich bei diesem Staat rein zufällig um einen jüdischen Staat handelt, den einizigen auf der Welt, macht aus der Israelkritik des BDS das, was es ist: Antisemitismus in reinster Form.

      • @Budzylein:

        Verstoßen die Siedlungen gar nicht gegen das Völkerrecht?

        • @Karl Kraus:

          Ich bin, wie gesagt, kein Völkerrechtler und möchte auch keiner werden. Aber die im nachstehenden Artikel gebrachten Argumente gegen das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Völkerrecht finde ich recht überzeugend: www.mena-watch.com...-das-problem-sind/

          Davon mal abgesehen: Diejenigen, die meinen, die Siedlungen verstießen gegen das Völkerrecht, könnten ja - wir haben schließlich Meinungsfreiheit - auch der Meinung sein, dass sie das Völkerrecht im betreffenden Punkt falsch oder ungerecht finden; Politik besteht schließlich zu einem wesentlichen Teil darin, Regelungen, die als verfehlt erkannt werden, zu ändern. Merkwürdigerweise wird aber von denen, die die Siedlungen für völkerrechtswidrig halten, nie gesagt, was sie eigentlich inhaltlich von der betreffenden völkerrechtlichen Regelung halten. Es wird auch - jedenfalls in diesem Forum - nie gesagt, was denn nach deren Meinung konkret geschehen soll. Frei nach Merkel: Die Siedlungen sind jetzt nun mal da. Sollen die im Westjordanland wohnenden Juden alle nach Israel abgeschoben werden? Und wenn ja: Warum sollten denn im Westjordanland keine Juden leben dürfen? Gehört es nach Ansicht derjenigen, die so gern das Völkerrecht und die Menschenrechte gegen Israel in Stellung bringen, zu den "Menschenrechten" von Palästinensern, in einem "judenfreien" Gebiet zu leben? Und wenn nicht: Wo sollen die betreffenden Juden denn sonst wohnen, wenn nicht in den Siedlungen?

          • @Budzylein:

            Sollte es mir nicht erlaubt sein, wir haben ja schließlich Demokratie und Meinungsfreiheit, mir ihr Haus und Grund einfach zu nehmen, und darüber frei zu verfügen, ihr Haus einzureißen, mir ein neues zu bauen, ganz nach Belieben. Sie werden doch hoffentlich nicht so menschenfeindlich sein, ihr Grundstück Ingridwernerrein zu fordern? oder?...

  • 7G
    75026 (Profil gelöscht)

    "...wie seltsam der BDS-Beschluss des Bundestages in anderen westlichen Demokratien wirkt."



    Wie kommt der Autor zu dieser Aussage? Er möge sich mal den englischen Wikipedia-Artikel zu BDS ansehen. Da kann er nachlesen, dass es auch in Kanada, Dänemark, Großbritannien, den USA und Frankreich Maßnahmen und Beschlüsse gegen BDS und gegen Israel-Boykotte gegeben hat. Und ich nehme nicht an, dass die Liste vollständig ist.

  • Erstmal Respekt, entweder hat der Autor oder die taz ein Händchen für Symbolik, der Widerruf des Preises war am 18. September, das ist inzwischen 12 Tage her und ausgerechnet heute, an Rosch ha-Schana, wird das Fass wieder aufgemacht.

    Zum Text, hier wird, mal wieder, verschiedenes in einen Topf geworfen, wie es gerade gebraucht wird.

    Zuerst, Nelly Sachs ist 1970 gestorben, da war Israel bereits 22 Jahre Unabhängig und es gibt schlicht keine politischen Aussagen von ihr zu Israel. "Ob sie, wie Peter Hamm mutmaßte, fürchtete, dass in Israel aus „den Verfolgten bald Verfolger werden könnten“, wissen wir nicht." Richtig, wissen Sie nicht, es ist reine Spekulation ihrerseits, aber das Zitat einfließen zu lassen, erzeugt eine von Ihnen gewünschte Tendenz die sich nicht mit den Aussagen von Nelly Sachs belegen lassen.

    "zusammen mit dem hebräischen Autor Samuel Joseph Agnon"



    Mal wieder aus der deutschen Wikipedia abgeschrieben? Samuel Agnon war Israeli, ist übrigens auch auf den alten 50 Schekel Scheinen abgebildet, er ist auch als Israeli in der Liste der Nopelpreisträger gelistet.

    www.nobelprize.org.../1966/agnon/facts/

    Zur Jerusalem Ausstellung sei mal die Zeit zitiert, "Geschichtsklitternd, unwahrhaftig und einseitig."



    www.zeit.de/2019/0...-netanjahu/seite-2

    "...die nicht gewalttätig sind..."

    Wenn in Berlin, vor dem Brandenburger Tor, zu Solikundgebungen mit Kulturprogramm eingeladen wird und die Mainacts sonst so Klassiker schmettern wie, "Brennt Tel Aviv nieder, wir wollen Tel Aviv niederbrennen," seh ich den Schritt nicht mehr weit und von der taz kommt da lautes Schweigen.

    "Wo ist eigentlich die liberale Öffentlichkeit, wenn man sie mal braucht?" Auf den "Aufstand der Anständigen" warte ich inzwischen seit dem Jahr 2000, sagen Sie mir bescheid wenn was in Aussicht ist.

    • @Sven Günther:

      könnte man auch an Yom Kippur machen, aber was nicht ist, kann ja noch werden.

  • Endlich mal ein ausgewogener Artikel zum Thema. Danke dafür.

    Die Aufgeregtheit der Positionierungen gegenüber BDS ist einfach nur peinlich. Zum einen sind Menschenrechte universell und unteilbar - auch für Palästinenser. Zum anderen gilt das Völkerrecht auch für den Staat Israel.

    BDS ist ein Mittel, um hierzu einen Wandel in der israelischen Politik zu bewirken. Nicht mehr und nicht weniger.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @J_CGN:

      Dann sollten Sie sich einmal im Originalton anhören, was BDS-Gründer Omar Barghouti so denkt:

      "Die Palästinenser und die Araber im Allgemeinen haben Israel niemals als jüdischen Staat anerkannt und werden dies niemals tun"

      An anderer Stelle im Video sagt er, die Juden sollten doch wieder in die Länder zurückkehren, aus denen sie gekommen sind:

      Zugegebenermaßen handelt es sich um ein propagandistisches Video, aber die Aussagen sind erkennbar echt:

      www.facebook.com/w...?v=893917100816355

      • @88181 (Profil gelöscht):

        an diesem Kommentar zeigt sich wieder deutlich, dass Sie und viele andere ihre humanistische Bildung nicht ganz durchdrungen haben, sonst würden bestimmte begriffliche Unterscheidungen nicht solche unüberwindbaren Hürden für sie darstellen. Israel ist in den letzten Jahren an verschiedene Staaten herangetreten, mit der Aufforderung es als "jüdischen Staat" anzuerkennen: Ergebnis, nach meinem Kenntnisstand: die allermeisten Staaten, wenn überhaupt irgendein Staat, erkennen dies nicht an. Es ist einfach gängige diplomatische Praxis überhaupt keinen Staat als einer bestimmten Ethnie zugehörig anzuerkennen, diplomatisch anerkannt wird lediglich ein Staat an sich, das macht auch völlig Sinn mit Hinblick auf die meisten anderen Länder, sie nicht ethnisch vorzudefinieren, da die meisten ethnisch plural sind, so auch Israel. Hier lag auch die Kritik an dem Nationalstaatsgesetz - und zwar von überall, nicht allein vom BDS, dass es den Staat als allein jüdisch definiert, obwohl es doch gängige Praxis sein sollte, zumal in demokratischen Staaten, dass der Staat "der Staat aller seiner Bürger" sein sollte. Achtung, dieser Ausdruck gilt in Israel heute schon als antisemitisch oder als "Claim unserer Feinde" (Y. Lapid hatte ihn in einem Tweet in Bezug auf LGBTQ verwendet und musste sich dafür zurechtweisen lassen), soweit ist es schon in der "einzigen Demokratie des Nahen Ostens" gekommen. In diesem Licht: was ist nun an dieser Äußerung Barghoutis antisemitisch?

  • "Es ist unsinnig, PreisträgerInnen auf das politische oder poetische Programm der NamensgeberInnen zu verpflichten."

    Das stimmt, aber der Preis will ja nicht irgendwelche Menschen ehren, sondern jene, die "überragende schöpferische Leistungen auf dem Gebiet des literarischen und geistigen Lebens hervorbringen und die insbesondere eine Verbesserung der kulturellen Beziehungen zwischen den Völkern zum Ziel haben, die sich der Förderung der zwischenstaatlichen Kulturarbeit als eines neuen und verbindenden Elementes zwischen den Völkern besonders angenommen haben, die in ihrem Leben und Wirken die geistige Toleranz und Versöhnung unter den Völkern verkündet und vorgelebt haben"

    Wer seine Bücher nicht im Nachbarland verlegen läßt, weil er mit isrealischen Verlagen nicht zusammenarbeiten will, hat sich zumindest auf den ersten Blick nicht als Preisträger ins Spiel gebracht.

    • @pitpit pat:

      in welchem paralleluniversum ist britisch-pakistan nachbarland von was?

  • 0G
    06137 (Profil gelöscht)

    Zitat: "Das ist verständlich, doch israelkritische Positionen werden zu oft diskreditiert."



    Allein die Tatsache, dass es den Begriff "Israelkritik" und den "Beruf" des "Israelkritikers" gibt, nicht jedoch etwa den Begriff "Irankritik" oder "Saudi-Arabien-Kritik" sollte doch jedem zu denken geben, dass hinter "Israelkritik" mehr steckt, als eine eventuell noch verständliche Auseinandersetzung mit menschenrechtsmäßig kritikwürdigen Zuständen.

    • @06137 (Profil gelöscht):

      Bei vielen eine Frage des Framings. Ich kritisiere den israelischen Nationalismus und ein System der Appartheid und prompt nennt mich irgendjemand Israelkritiker. Ich benenne die Punkte in Bezug zu, z.B. der Türkei und niemand nennt mich Türkeikritiker.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    "So war BDS in Palästina der Versuch, nach dem Debakel der gewaltsamen Inti­fada einen zivilen, friedlichen Weg einzuschlagen."

    Guter Witz.

    Die BDS-Kampagne vom Palästinensischen BDS-Nationalkomitee (BNC) geleitet.

    bdsmovement.net/bnc

    Die größte und wichtigste Kraft in diesem Gremium ist der Rat der Nationalen und Islamischen Kräfte (PNIF). Zu ihm gehören fünf in Europa und den Vereinigten Staaten verbotene Terrororganisationen: die Hamas; die PFLP; die Populäre Front –Generalkommando (PFLP-GC); die Palästinensische Befreiungsfront sowie der Palästinensische Islamische Dschihad.

    en.wikipedia.org/w...and_Islamic_Forces

    Alles ganz friedliche Leute.

    BDS ist der zivile Arm der terroristischen Organisationen, die Israel vernichten wollen.

    Jeder, der dreimal mit der Maus klicken kann, findet das schnell heraus und stellt fest, mit wem er da in einem Boot sitzt.

    • 8G
      87233 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich.

      Die Moderation

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @87233 (Profil gelöscht):

        Ist das alles?

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Ist Ihr Antisemitismusvorwurf alles?

        • @88181 (Profil gelöscht):

          JA, ein weniger Beißreflexe an den Tag legen

  • Ach was!

    “Zudem ist BDS eine facettenreiche Bewegung, die von christlich motivierten AktivistInnen, die sich für die Rechte der Palästinenser einsetzten, über antikolonial inspirierten Widerstand bis zu fundamentalistischen Israelgegnern reicht.…“

    Tja - Journaille'ismus - pur. Get it? Fein.



    &



    Werd‘s bei Gelegenheit - meiner (früheren) jüdischen Freundin.



    Mal - Mitteilen. Newahr.

    Liggers - “Deutsche Reflexe“ - Herr Stefan Reinecke.



    Wie wahr. Normal. Gellewelle.



    &



    “Das Auge sieht alles. Außer sich selbst.“

  • Mir stellt sich bei sowas immer die Frage, warum so viele Intellektuelle mit Herzblut bei Israelkritik (legitim oder nicht) dabei sind und deutlich weniger Elan zeigen bei Kritik an offensichtlich schlimmeren autoritären Regimen.

    Ja, ist ein bisschen Whataboutism. Aber diese Fokussierung ist immer wieder erstaunlich.

    • @gyakusou:

      "diese Fokussierung" ist (nicht nur) Ihre erfindung.



      oder kritisieren Sie eine politik in Serbien, wenn's um Chinas politik in Tibet geht?

      • @christine rölke-sommer:

        Also ich werde schon stutzig, wenn bestimmte internationale Intellektuelle deutlich häufiger Israel kritisieren und Teil einer Kampagne sind als zum Beispiel Iran, Saudi-Arabien oder China zu kritisieren. Da sind mir ähnliche Anstrengungen der Personen nicht bekannt.

        • @gyakusou:

          allerdings: kaum ein anderes Land, selbst die Türkei oder Russland nicht (oder es läuft unter der Wahrnehmung hierzulande) beschwert sich so häufig wie Israel über Kritik an ihr und versucht korrigierend einzuwirken; wenn Russland oder die Türkei demnächst auch noch versuchen alle Kritik an ihnen mit Antirussismus- oder Antiturkismusbegrifflichkeiten zu deckeln versuchten oder die Chinesen entsprechend, wäre der erhitzten Diskussionen kein Ende mehr und die Moderation hier im Kommentarbereich würde ziemlich ins Schwitzen kommen. (Die USA hatten es unter G.W.Bush mal mit "Antiamerikanismus" probiert als ihnen die Kritik am Irakkrieg zu viel wurde, ist damit aber nicht sehr weit gekommen und hat dankenswerterweise von dem Begriff abgelassen).