Aus für das Antifa-Café: Politische Bildung ausgesperrt
Eine Mehrheit in Pinnebergs Stadtrat verbietet politische Veranstaltungen in städtischen Jugendhäusern. SPD und Grüne prüfen rechtliche Schritte.
„Eine unmögliche Entscheidung, die dem Landesgesetz zur politischen Bildung zuwiderläuft“, sagt Ann-Katrin Tranziska, Grüne Landesvorsitzende in Schleswig-Holstein und Ratsfrau in Pinneberg. „Dass in einem Jugendzentrum mit den Namen von Widerstandskämpfer*innen gegen den Nationalsozialismus kein antifaschistischer Austausch mehr möglich ist, macht mich fassungslos“, sagt Tranziska. Vor allem ältere Herren würden hier Jugendlichen den politischen Austausch in den drei städtischen Einrichtungen untersagen. Die Grünen überprüfen, auf welcher Ebene sie gegen diesen „zutiefst antidemokratischen Beschluss“ rechtlich vorgehen können.
„Der Beschluss entspricht so gar nicht dem Grund von Jugendzentren, die einen Raum für politische Auseinandersetzungen bieten sollen“, sagt auch Kai Vogel, SPD-Landtagsabgeordneter und Ratsherr. Mit diesem Beschluss würden selbst politische Sachbuchvorstellungen verunmöglicht. Vogel will ebenfalls rechtliche Schritte prüfen.
Natalina di Racca-Boenigk, CDU-Vorsitzende und Bürgervorsteherin, hatte der taz schon im Vorfeld gesagt, sie sehe keinen Konflikt mit dem bildungspolitischen Auftrag der Jugendarbeit. Ihr Änderungsantrag sehe lediglich vor, dass nicht mehr nur „parteipolitische Veranstaltungen“ untersagt werden, sondern alle politischen Veranstaltungen.
Antifa-Café und FFF sind betroffen
Dass der Beschluss das Aus für das „Antifa-Café“ im städtischen „Geschwister-Scholl-Haus“ zur Folge haben wird, sei nicht der Grund für ihren Antrag. Stattdessen führte die CDU an, mit dem Antrag würde der AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) die Nutzung verwehrt.
In Pinneberg ist die JA allerdings wie im ganzen Land kaum präsent. Die Grüne Jugend Pinneberg hält das deshalb für ein Scheinargument. Die Gruppe sieht in der „Pinneberger Politik einen entsetzlichen Dammbruch“. Neben dem „Antifa-Café“ sind auch Fridays for Future betroffen.
Auch das „Antifa-Café“ möchte den Verweis auf die JA nicht gelten lassen. Schon der Wertekanon der Einrichtungen – gegen Rassismus, Sexismus und Antisemitismus – stünde einer Nutzung durch die JA entgegen. Und wegen der Zugehörigkeit zur AfD wäre sie auch nach der bisherigen Benutzungsordnung nicht möglich gewesen. Diese „scheinheilige Argumentation“ entlarve, dass CDU, FDP und Bürgernahe „geschlossen jeder Art von antifaschistischer Arbeit“ entgegenstünden – und auch jeglichem jugendlichen Engagement.
FDP und Bügernahe beantworteten Anfragen der taz nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos