Aufruf zum Handeln gegen Klimakrise: Der Weltklimarat warnt
„Noch nie stand mehr auf dem Spiel als jetzt“, sagt der IPCC-Chef zum Start der Beratungen in Berlin. Berichte zur Erderhitzung erzeugen bei Jüngeren Ängste.
Die Auswirkungen des Klimawandels seien weit größer „als unsere Bemühungen, uns ihm anzupassen“, warnte auch die Chefin des UN-Umweltprogramms (Unep), Inger Andersen. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) betonte zum Auftakt der Beratungen die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit beim Klimaschutz: „Nur global können wir den Klimawandel bekämpfen“, sagte sie.
Die zweiwöchige IPCC-Plenarsitzung findet derzeit offiziell in Berlin statt, tatsächlich wegen Corona allerdings weitgehend virtuell. Dabei beraten Vertreter der 195 IPCC-Mitgliedstaaten abschließend über den zweiten Teil des Sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats. Die Arbeitsgruppe II des IPCC hat darin die neuesten Erkenntnisse über die Folgen der Erderwärmung für Mensch und Natur, mögliche Anpassungen an den Klimawandel und Risikoanalysen zusammengetragen.
Es ist der zweite von drei Teilen des neuen Sachstandsberichts, den der Weltklimarat seit 1988 etwa alle sieben Jahre veröffentlicht. Der ersten Teil über die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels erschien im August 2021. Der dritte Teil soll Anfang April veröffentlicht werden.
„Apokalyptischer Ängste“
Der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO) warnte vor den Folgen „apokalyptischer Ängste“ für die psychische Gesundheit junger Leute. „Wir müssen vorsichtig sein, wie wir über die Ergebnisse der Wissenschaft berichten, über Kipppunkte, und ob wir über einen Kollaps der Biosphäre oder das Verschwinden der Menschheit sprechen“, sagte Petteri Taalas. „Wir müssen aufpassen, dass wir unter den jungen Menschen nicht zu viele Ängste auslösen“, betonte Taalas. Die Uno-Sonderorganisation WMO ist selbst nicht am IPCC-Bericht beteiligt. Sie hatte den Weltklimarat 1988 zusammen mit der Unep gegründet.
Die Regierungsvertreter diskutieren die rund 30 bis 40 Seiten lange Kurzfassung des Berichts, die sich an politische Entscheidungsträger wendet, Zeile für Zeile und verabschieden schließlich den Text. Damit erkennen die Regierungen die wissenschaftlichen Erkenntnisse offiziell an. Der komplette Bericht soll am 28. Februar veröffentlicht werden.
Laut einem Entwurf, in den die Nachrichtenagentur AFP bereits 2021 Einsicht hatte, wird der Bericht die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel betonen.
270 Wissenschaftler, darunter 15 aus Deutschland
Der IPCC betreibt keine eigene Forschung zum Klimawandel, sondern wertet tausende Studien aus und fasst die zentralen Erkenntnisse daraus zusammen. Zu dem Kernteam, das den nun vorliegenden zweiten Teil des sechsten Sachstandsberichts verfasst hat, gehören rund 270 Wissenschaftler aus aller Welt, darunter 15 aus Deutschland.
Der Meeresbiologe Hans-Otto Pörtner vom Alfred-Wegener-Institut ist Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II. Er hatte vergangene Woche dazu aufgerufen, Klima- und Artenschutz stärker zusammenzudenken. „Klima und Naturräume beeinflussen sich gegenseitig“, betonte er.
Rachel Cleetus, die für Klima und Energiepolitik zuständige Direktorin der Wissenschaftlervereinigung Union of Concerned Scientists, nannte den neuen IPCC-Bericht einen „echten Moment der Abrechnung“. Es gehe nicht mehr nur um wissenschaftliche Vorhersagen für die Zukunft, sondern um „extreme Ereignisse und langsam beginnende Katastrophen, die die Menschen jetzt gerade erleben“.
Der erste Teil des IPCC-Berichts war im vergangenen August veröffentlicht worden. Darin warnte der Weltklimarat vor einer deutlich rascheren globalen Erwärmung als zuvor angenommen. Die Erde werde sich bei der derzeitigen Entwicklung bereits gegen 2030 um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmen – und damit zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert. Die Erderwärmung ist demnach außerdem „eindeutig“ durch den Menschen verursacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste