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Asylpolitik in DeutschlandDeutlich weniger Abschiebungen

Im vergangenen Jahr wurden deutlich weniger Menschen aus Deutschland abgeschoben. Ein Grund dafür ist auch ein Sondereffekt.

Menschen werden abgeschoben Foto: dpa

Berlin dpa | Die Zahl der Abschiebungen ist im vergangenen Jahr deutlich gesunken. 2017 wurden insgesamt 23.966 Flüchtlinge in ihre Heimatländer zurückgebracht – das waren 5,6 Prozent weniger als im Jahr davor. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte am Sonntag die Zahlen. Zuvor hatte die Bild am Sonntag (BamS) darüber berichtet. Unter den Abgeschobenen waren 60 sogenannte Gefährder, denen die Sicherheitsbehörden einen Terroranschlag zutrauen.

Der Ministeriumssprecher begründete den Rückgang mit einem Sondereffekt. 2016 seien noch viele Flüchtlinge in Balkan-Staaten zurückgebracht worden. Diese Rückführungen in den Westbalkan seien im Vorjahr zu einem großen Teil abgeschlossen worden. Daher sei es ein „beachtlicher Erfolg“, dass 2017 eine ähnlich hohe Zahl von Abschiebungen erreicht worden sei.

Im vergangenen Jahr habe Deutschland vor allem bei der Abschiebung in „schwierigere Herkunftsländer“ erhebliche Fortschritte verzeichnet, sagte der Sprecher des Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. So habe sich die Zahl der Flüchtlinge, die nach Algerien zurückgebracht wurden, von 57 im Jahr 2015 über 169 im Jahr 2016 bis auf 455 im Jahr 2017 gesteigert – und damit innerhalb von zwei Jahren verachtfacht.

Nach Marokko wurden im vergangenen Jahr bis Ende November 590 Menschen abgeschoben – nach 61 im Jahr 2015 und 112 im Jahr 2016. Nach Tunesien stieg die Zahl von 17 im Jahr 2015 auf 219 bis Ende November Jahr 2017.

Vor zwei Wochen hatte das Bundesinnenministerium noch von etwa 26.000 Abschiebungen für das Jahr 2017 gesprochen. Dies sei eine vorläufige Zahl gewesen, sagte der Sprecher nun. Laut BamS erfolgten 98 Prozent der Abschiebungen mit dem Flugzeug. Die Bundespolizei habe für die Flieger 2017 insgesamt elf Millionen Euro bezahlt.

Afghanistan-Abschiebungen in der Kritik

In der Kritik stehen vor allem Abschiebungen nach Afghanistan. Seit Dezember wurden 174 Menschen dorthin abgeschoben. Nach Angaben des Ministeriumssprechers lag die Zahl der ausreisepflichtigen Afghanen in Deutschland zum Jahresende bei 14.416, von ihnen wurden 10.257 geduldet.

Seit einem schweren Anschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul im Mai 2017 lässt die Bundesregierung nur noch Straftäter, Gefährder sowie sogenannte Mitwirkungsverweigerer nach Afghanistan abschieben. Erst vor Kurzem waren trotz der kritischen Sicherheitslage erneut abgelehnte afghanische Asylbewerber in ihr Heimatland zurückgebracht worden. Mehrere Hundert Menschen hatten dagegen am Flughafen Düsseldorf demonstriert.

Der CSU-Innenexperte Stephan Mayer bekräftigte in der Zeitung die Forderung seiner Partei, das Auswärtige Amt unter der Führung von Minister Sigmar Gabriel (SPD) müsse die Sicherheitslage in Afghanistan neu bewerten, um die Abschiebungen dorthin deutlich zu intensivieren.

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11 Kommentare

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  • Der "beachtliche Erfolg" steht noch in Anführungsstrichen, die "erheblichen Fortschritte" schon nicht mehr -- da würde ich mir etwas deutlicher sichtbare kritische Distanz in der Berichterstattung wünschen.

  • "Daher sei es ein „beachtlicher Erfolg“, dass 2017 eine ähnlich hohe Zahl von Abschiebungen erreicht worden sei."

    Widerlich! So sieht Zivilisation und Rechtsstaat aus.

     

    Wie wäre es Thomas de Maizière & Co nach Kabul abzuschieben? Gerne auch mit Familiennachzug. Wohnort wäre dann die dortige deutsche Botschaft. Sicherlich werden da noch helfende Hände beim Wiederaufbau gebraucht...

    Alternativ tägliche Besuche des Mahnmals zum Porajmos.

    • @Uranus:

      Ihrer Meinung nach gibt es keine gesetzliche und vollstreckbare Begrenzung einer Zuwanderung nach Deutschland? Warum? Kein Land hat unbegrenzte Zuwanderung in die eigenen Sozialsysteme. Was ist in Deutschland anders als im Rest der Welt?

       

      Die meisten Abschiebungen erfolgen im Übrigen innerhalb Europas. Aber auch diese "Verteilung" klappt nicht, wenn die Menschen es nicht wollen und i.d.R. nach wenigen Wochen nach D zurück streben ...

      • @TazTiz:

        Reden Sie nicht mit dem Mann. Es soll doch neuer gesellschaftlicher Konsenz sein, dass man Fundamentalisten ausschließt.

  • Es ist wirklich zum K......

    Das Ministerium beeilt sich zu begründen, warum es populistische Forderungen nach "mehr Abschiebungen" nicht bedienen kann.

     

    Es geht offensichtlich nur darum die "besorgten Bürgern" mit Zahlen zu beruhigen und nicht um geltendes Recht und tatsächliche Umstände.

    • @Life is Life:

      Oder es geht einfach darum, dass ein Asylsystem in dem erst sorgfältig unter Einsatz Tausender Beamter, entschieden wird, wer Anspruch auf Asyl hat, nur um dann einfach alle im Land zu behalten, ein idiotisches System ist.

      Dann doch gleich Asyl abschaffen und alle die hinkommen behalten.

      So spart man sich wenigstens die Bearbeitungskosten. Klingt etwas zynisch, aber nach 3 Jahren, ist das die einzige Art der Reaktion, die es bei dem Thema von mir gibt.

  • Laut Bundesinnenministerium befanden sich zum 30.09.2017 605260 Personen mit einem abgelehnten Asylantrag in D. Also wurden ca 4% abgeschoben. Bei Konsequenter Abschiebung dieser Flüchtlinge, gäbe es keine Diskussionen über einen Nachzug von Familien für anerkannte Flüchtlinge.

    • @Günter Witte:

      Ein bisschen denke ich das auch.

      • @Gerhard Krause:

        Es gibt nach einem abgewiesenen Asylantrag noch weitere Wege eine (vorübergehende) Duldung zu erlangen. Der offensichtlichste Weg ist eine Klage gegen den abgelehnten Asylantrag. Den Menschen soll meiner Meinung nach die Chance gegeben werden, sich über diese Alternativen in Ruhe zu informieren und sie gegebenenfalls auf dem jeweils vorgesehenen Weg anzuwenden. Eine überstürzte Abschiebung direkt nach abgelehntem Asylantrag halte ich für unangemessen - zumal das einen wahnsinnigen Zusatzaufwand für deutsche Behörden bedeuten würde.

  • Nun heisst es nur noch etwas sehr Wichtiges zu präzisieren: die sogenannten Mitwirkungsverweigerer aus wichtigem oder nichtigem Grund. Und zwar dergestalt, dass diese Mitwirkungsverweigerung von den Ämtern dann auch nachgewiesen werden muss.

    • @anyhow:

      P. 82 Abs. 1 AufenthG gibt dem betroffenen Ausländer auf, innerhalb einer v.d. Behörde bestimmen, aber d. Überprüfung d.d. Verwaltungsgerichte nicht verschlossenen Frist positive Umstände nachprüfbar geltend zu machen. Die unverschuldete Passlosigkeit stellt grundsätzlich einen solchen pos. Umstand dar.

      Die Behörde hat da gar nichts zu beweisen. Sie kann aber zB die Passlosigkeit ebenfalls zu vertreten haben; das ist etwas anderes.