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Armut unter StudierendenEs braucht endlich mehr Geld

Kommentar von Dariusch Rimkus

An die Sparideo­lo­g:in­nen der Ampel: Um Studierenden zu helfen, müssen die BAföG-Sätze angehoben werden. Mickrige 200 Euro als Einmalzahlung reichen nicht.

Nicht alle Studierenden, die kein BAföG bekommen, erhalten Unterstützung wohlhabender Eltern Foto: imagebroker/imago

D ie Bundesregierung hat in den vergangenen Monaten ein diffuses Bild bei der Finanzierung Studierender abgegeben: Zum einen sind da der ordentliche Heizkostenzuschuss in Höhe von 575 Euro und die Einmalzahlung von 200 Euro, die zusammen durch den Winter helfen sollten. Erstere Unterstützung kam jedoch ausschließlich BAföG-Beziehenden zu, die Einmalzahlung verspätete sich. Wer also nicht nach dem BAföG gefördert wird, hat gleich doppelt Pech gehabt.

Dabei ist hinlänglich bekannt, dass nicht alle Studierenden, die kein BAföG bekommen, auf die Unterstützung wohlhabender Eltern bauen können. Das weiß auch die Bundesregierung und versucht mit überraschend starken Maßnahmen, mehr Leute zur Förderung zu berechtigen. Doch es reicht nicht, den Kreis der Geförderten zu erweitern, um studentische Armut strukturell zu bekämpfen.

Corona und kriegsbedingte Inflation haben die Situation weiter verschärft. Schon vor beiden Krisen waren 45 Prozent der BAföG-Beziehenden armutsgefährdet. Daher braucht es eine ebenso ambitionierte Agenda, um die Höchstsätze des BAföGs endlich den realen Lebenshaltungskosten der Studierenden anzupassen. Die Regierung hat im letzten Sommer den Zuschlag für Wohnkosten auf 360 Euro angehoben – ein weltfremder Betrag.

Aus allen Regierungsparteien hört man, dass eine höhere Förderung nicht zuletzt auch am begrenzten Etat des Bildungsministeriums scheitert. Schuld sind die Sparideo­lo­g:in­nen am Koalitionstisch. Doch gerade mit begrenztem Budget muss an den richtigen Ecken investiert werden – etwa in schnellere BAföG-Ämter, studentischen Wohnungsbau oder höhere BAföG-Sätze –, statt zu einem willkürlichen Zeitpunkt mickrige 200 Euro bedingungslos an alle zu verbraten.

Der wichtigste Appell geht deshalb nicht an Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, sondern an ihren Parteikollegen, Finanzminister Christian Lindner. Die langfristige Lösung gegen studentische Armut ist so einfach formuliert wie kompliziert umgesetzt: Es braucht endlich mehr Geld!

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15 Kommentare

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  • Alle sollten die Chance auf weiterführende Bildung haben, ungeachtet ihrer finanziellen Situation. Also jetzt nicht knausern, sondern nachlegen, damit niemand wegen der Inflation oder Energiekosten abbrechen muss.



    Ich habe mit vielen BAföG-Empfängern zusammen studiert. Alle hatten genug Geld zur Verfügung und mussten den Großteil am Ende gar nicht zurückzahlen. Dabei haben alle danach gearbeitet - ein paar mit Babypause. Dennoch hätten sie locker das gesamte BAföG zurückzahlen können, ohne in finanzielle Schwierigkeiten zu kommen. Darlehen also erhöhen, aber bitte auch die Pflicht ggü der Gesellschaft anpassen!

    Ungeachtet dessen bleibt die Voraussetzung, dass die Studierenden für das Studium geeignet sein müssen. Und hier liegt meiner Erfahrung nach ein Problem des Systems. Zu viele ungeeignete Personen studieren, brauchen deutlich länger und machen gerade so den Abschluss. Von wenigen Studiengängen abgesehen, ist es ja eher schwierig niemals abzuschließen. Das zeigt sich u.a. in der Noteninflation.



    Wenn also weniger studierten, würde es das System entlasten.

    • @Terraformer:

      Zu behaupten, dass das BAFöG üppig gewesen sein soll, halte ich für eine Unwahrheit. Das ehemalige Problem beim BAFög war, dass gerade Reiche und Selbstständige Familien sich herunterrechnen konnten, und gerade die Kinder aus diesen Schichten diese "Förderung"erhielten und Kinder aus anderen Schichten oft wg. der eng gesetzten Regeln leer ausgingen.



      Allen, die länger studierten, nun Unfähigkeit nachzusagen, ist aburteilend.



      Die Studienbedingungen waren oft derart schlecht, massiv berfüllte Räume, leere Bibliotheken, zu wenig Proffessoren etc..



      Nach meinen Erfahrungen waren viele Studenten gezwungen nebenher zu arbeiten.



      Die meisten Studenten waren doch schon immer rel. arm, was ja nur eine Phase ist, und ihnen dies mit der Aussicht auf einen höheren Verdienst schmackhaft gemacht wurde, was dann oft -je nach Studienrichtung- häufig nicht eintrat.

  • Machen wir! Noch mehr Geld verteilen ,und die letzte Generation zahlt es dann zurück.



    Vielleicht auch nicht!

    • @Frau Flieder:

      Wem sollte es schaden, zahlte die letzte Generation das Geld nicht zurück?

  • 45 % der Bafög-Beziehenden sind also armutsgefährdet. Das heißt dann, dass 55 % der Bafög-Beziehenden mehr als 1250 Euro im Monat haben.



    Wäre gut, wenn die Autor*in dazu mehr sagen würde.

    • @Abid Kidoh:

      Vor allem: wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, auch nach dem Studium arm zu bleiben?

      Ist statistische Armut eines 21jährigen zukünftigen Akademikers wirklich nicht doch etwas anderes als die einer 41jährigen Arbeiterin?

      • @Suryo:

        Genau, das ist etwas völlig anderes, da die Studierenden im Qualifikationsprozess stecken und eine klare Perspektive haben, dass es nur vorübergehend ist. Bei der 41-Jährigen fehlt die Perspektive.

  • Als ich vor 40 Jahren studiert habe, hat das Geld selten gereicht. Als nicht Bafög-Empfänger waren wechselnde Job nötig. Meine Oma damals: "Lehrjahre sind keine Herrenjahre." Heute lebe ich noch immer recht minimalistisch, ist gut fürs Klima.

  • Es wäre sinnvoller mehr Geld in die Unis zu stecken, kleinere Seminargruppen, mehr Festanstellungen etc. Damit Deutschland attraktiver wird als Wissenschaftsstandort.

    • @Machiavelli:

      Das geht aber am Problem der Studierenden vorbei. Oder sollen diese dann in den top ausgestatteten Hörsälen schlafen und wohnen? ;-)

  • Eine Bafög-Erhöhung greift hier viel zu kurz. Auch Studenten, die kein Bafög beziehen, sind durch Corona und hohe Energiekosten am Limit. Für sie wurde pandemiebedingt zwar die Regelstudienzeit um zwei Jahre verlängert (und die sind häufig als zusätzliche Studienzeit tatsächlich notwendig). Das Kindergeld endet jedoch wie bisher mit 25, dazu kommt zum gleichen Zeitpunkt der Wegfall der Familienversicherung. Das allein macht fast 400,- € im Monat mehr, die stemmen auch viele Nicht-Bafög-Bezieher bzw. deren Eltern kaum noch. Von den hohenEnergiekosten ist da noch gar nicht die Rede.

  • " Die Studentische Regierung hat..."



    Da waren die Finger schneller als der Gedanke.

    Abgesehen davon, aufgrund der Statistik sind viele Studierende nominell armutsgefährdet. Das heisst aber nicht, dass sie arm sind oder gar dauerhaft arm bleiben. Der Ruf nach noch mehr Förderung als in der Ampel schon vorgesehen, wird aber schwierig. Der Handwerker, der seit der Ausbildung schon Steuern zahlt und damit für vielleicht 10 Jahre anderen Gleichaltrigen das Studium ermöglicht (dazu noch die ganzen Hochschulenkosten mit eingerechnet), wird sich über höhere Steuern bedanken. Zumal die entstehenden Akademiker nach den 10 Jahren, mit Dank sparen.

    • @fly:

      Wissenschaft und Bildung sollte im Allgemeininteresse sein, und gehört zur Infrastruktur eines Landes für gut ausgebildete Arbeitskräfte, wollen Sie dies auch noch abbauen?



      Ein Lehrling verdient bereits als ungelernte Kraft meist schon sehr viel Geld und - dies ist viel wichtiger- spart auch bereits für seine Rente ein. Akademiker kommen oft nicht einmal auf die Mindestbeitragszahl 35 Jahre und haben dadurch einen Nachteil, weil unter Kohl eigeführt wurde, dass Studienzeiten bei der Rente nicht als Anrechnungszeiten angerechnet werden, Ausbildungszeiten hingegen schon.



      Die Frage nach einer gleichermaßen geförderten Erstausbildung in Handwerksberufen stellt sich allerdings, warum soll die Meisterausbildung nicht auch gefördert werden, der gleichzeitige Verdienst wäre natürlich gegenzurechnen.



      Was ich allerdings stark bemängele ist, dass alle Schulformen und v.a. Berufsschulen, außer "natürlich" Gymnasien, teilweise massiv unter Lehrermangel leiden, obwohl weniger Schüler eine Berufsausbildung machen und eher studieren.



      Dies scheint politisch gewollt, da die Lehrer an nicht so angesehenen oder praktisch orientierten Schulformen schlechter entlohnt werden.



      Die Ungleichbehandlung ist daher systemisch und in der bürokratischen Umsetzung von Gesetzen bedingt.



      Ich sehe es allerdings auch so "Lehrjahre sind keine Herrenjahre", mit richtiger Armut und Perspektivlosigkeit und Benachteiligungen hat dies nichts zu tun.



      Dass immerhin 55% der Studenten über 1.200€ liegen, finde ich hingegen viel, soviel hätte ich in meinem Studium auch gerne gehabt.



      Die genannte Studie basiert sicherlich auf der reinen deklarierten Einkommen/Bafög-Beträgen, sichtlich nicht enthalten ist, wie viel Geld viele Studenten zudem von ihren Eltern "zugesteckt" oder vererbt bekommen, oder ob sie bereits im Eigenheim sitzen und keine Miete zu zahlen haben. Dies macht doch den Unterschied aus.

    • @fly:

      Die Abschaffung der Studiengebuehren war und ist ein Fehler.



      Und wenn der Staat (wir) schon die Studiengebuehren bezahlt, dann bitte nur fuer Faecher, bei denen es einen Mangel an Absolventen gibt.

      Denn wie Sie sagen, warum sollte der Handwerksgeselle manchem zukuenftigen Taxifahrer sein Orchideenstudium finanzieren.

      Ansonsten war zu meiner Zeit ein Nebenjob waehrend des Studiums ueblich - und ich wuesste nicht, warum man das heutigen Studenten nicht auch zumuten koennte.



      Wenn der Nebenjob nicht reicht, geht man eben arbeiten und macht ein berufbegleitendes Studium.

  • Wenn Akademiker:innen für angehende Akademiker:innen schreiben.

    Azubis? Kümmert sich um die nicht irgendeine Handwerkskammer oder Gewerkschaft oder so?