Linke in Berlin: Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Fünf prominente Mitglieder der Berliner Linken, darunter Ex-Kultursenator Klaus Lederer, verlassen die Partei. Sie machen der Linken schwere Vorwürfe.
Laut einer gemeinsamen Stellungnahme seien sie „an einem Punkt angelangt, an dem sich in – für unser Selbstverständnis zentralen – politischen Fragen unvereinbare Positionen verfestigt gegenüberstehen und eine nötige sachlich-inhaltliche Klärung nicht stattfindet“. Es sei ihnen Immer weniger möglich, sich für ihre inhaltlichen Positionen einzusetzen: „Dies erlebten wir nicht zum ersten Mal bei einer klaren Positionierung zum Antisemitismus, sondern z.B. auch bei der Frage der Solidarität mit der Ukraine.“
In einer ersten Reaktion äußerten sich die Fraktionschefs Anne Helm und Tobias Schulze: „Die Ankündigung des Austritts aus unserer gemeinsamen Partei bedauern wir sehr. Wir werden innerhalb unserer Fraktion in den Dialog treten, wie wir in Zukunft weiterhin gemeinsam den Aufgaben, die die Berliner:innen uns als soziale Kraft übertragen haben, gerecht werden.“
Erst am Dienstagabend hatte der Landesvorstand der Berliner Linken in einer Sondersitzung ohne Gegenstimmen eine Resolution zur innerparteilichen Debatte um Antisemitismus gefasst und die Partei zum Zusammenhalt aufgerufen. In dem Papier heißt es: „Wir stehen entschlossen gegen jeden Antisemitismus. Dies ist in der Breite der Partei Konsens.“ Zudem wurde sich darauf geeinigt, ein „konkretes Maßnahmenpaket gegen jeden Antisemitismus“ zu entwickeln, wie es in einer Mitteilung hieß.
Die außerordentliche Sitzung fand anderthalb Wochen nach dem Eklat auf dem Landesparteitag statt, den etwa zwei Dutzend Delegierte unter Protest verlassen hatten, darunter die nun Ausgetretenen. Hintergrund des Streits war ein von ihnen eingebrachter Antrag unter dem Titel „Gegen jeden Antisemitismus“, an dem es mehrere beantragte und beschlossene Änderungen gegeben hatte. Gestört hatte sich die Parteitagsmehrheit etwa an der Bezeichnung des Hamas-Terrors als „eliminatorischem Antisemitismus“, der, so die Argumentation an die Schoah gebunden sei, sowie der Forderung, jüdische Menschen „unter Einsatz rechtsstaatlicher Mittel zu schützen“.
Kompromissversuch gescheitert
Der Landesvorstand, dem keiner der fünf angehört, stellte sich auf der einen Seite hinter jene „Genoss:innen, die öffentlich oder intern angefeindet werden“. Öffentlich hatte es zuletzt massive Antisemitismus-Vorwürfe gegen Parteimitglieder aufgrund ihrer Positionierungen zum Israel-Palästina-Konflikt gegeben. Andererseits bemühte sich die Resolution um eine Abgrenzung: „Unsere Solidarität endet aber dort, wo das Massaker des 7. Oktober als Akt des Widerstandes gefeiert wird oder die Kriegsverbrechen der israelischen Armee bejubelt werden.“
Lederer und Co dagegen schrieben: Die beschlossene Resolution bliebe „weitgehend dem Modus treu, die zutage liegende Differenz verbal zu umschiffen. Auch zu den Ereignissen beim Umgang mit unserem Antisemitismusantrag auf dem Landesparteitag und in dessen Nachgang bleibt sie eher vage, von Konsequenzen ganz zu schweigen.“
Trotz des verkündeten Parteiaustritts wollen die fünf weiterhin der der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus angehören: „ Als undogmatische, demokratisch-sozialistische Linke arbeiten wir weiter an unseren Zielen und beziehen politisch Position.“
Mit Bezug auf die Ereignisse des Parteitages war vergangene Woche bereits der Ex-Fraktionschef Udo Wolf aus der Partei ausgetreten; ihm folgte, weniger auf diese Vorgänge fokussiert, der ehemalige Pankower Bürgermeister Sören Benn. Bundesweit für Aufsehen sorgte zudem der Austritt von Henriette Quade aus Sachsen-Anhalt.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Rückgabe von Kulturgütern
Nofretete will zurück nach Hause
Autoritäre Auswüchse beim BSW
Lenin lässt grüßen
Kamala Harris’ „Abschlussplädoyer“
Ihr bestes Argument
Nach Ermordung von Jamshid Sharmahd
Deutschland schließt Konsulate des Iran
Nahostkonflikt in der Literatur
Literarischer Israel-Boykott