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AfD-Verbot?Wütend abwiegeln

Kommt ein AfD-Verbotsantrag? Die Partei reagiert empört und betont gelassen zugleich. Juristisch hätte sie beim Verbotsantrag aber erhebliche Probleme.

Bernd Baumann und sein erhobener AfD-Zeigefinger im Bundestag Foto: Hannes P. Albert/dpa

Berlin taz | Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, wirkte schon um neun Uhr am Dienstagmorgen im Jakob-Kaiser-Haus des Bundestages so, als wenn er einen Ruhepuls von 180 hat: Er müsse den Frageteil der Pressekonferenz erstmals seit sieben Jahren mit einem Eingangsstatement beginnen, sagte er, um sich dann über „furchtbare Lügen“ in einer Talkshow zu beschweren. Der Grund: Eine „Hart aber fair“-Sendung vom Vorabend zum Thema AfD-Verbot, bei der kein Politiker der autoritär-nationalradikalen Partei eingeladen war.

Baumann schimpfte, er müsse „durch und durch gemeine und hinterhältige Lügen“ richtigstellen: Seine Partei würde keine Deportationspläne hegen. Ebenso sei es falsch, dass die AfD Staatsbürger in zwei Klassen einteilen würde. Die Fakten sind nicht auf seiner Seite: Po­li­ti­ke­r*in­nen seiner Partei fordern immer wieder millionenfache Abschiebungen unter dem Kampfbegriff „Remigration“. Ebenso raunen AfD-Politiker vom „Bevölkerungsaustausch“, beklagen den Verlust einer ethnischen Homogenität. Das Oberverwaltungsgericht Münster urteilte im Mai, der Verdacht sei begründet, dass es den politischen Zielsetzungen eines maßgeblichen Teils der AfD entspricht, deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund nur einen rechtlich abgewerteten Status zuzuerkennen.

Nach seinem wütenden Eingangsstatement wirkten Baumanns Beschwichtigungen danach etwas unglaubwürdig: Seine Partei habe keine Angst vor einem Verbotsantrag, behauptete er. „Mir ist vor gar nichts bange.“ Er werte den parteiübergreifenden Gruppenantrag des CDU-Politikers Marco Wanderwitz als „allerletztes Aufgebot“ der „untergehenden“ etablierten Parteien: „Wir sehen das äußerst gelassen“, so Baumann.

Die Szene vom Dienstagmorgen ist exem­plarisch für den Umgang der AfD mit dem drohenden Verbotsverfahren. Die Kommunikationsstrategie der Partei oszilliert zwischen wutentbrannter Empörung, der lang eingeübten Opferinszenierung und aufgesetzter Harm- und Sorglosigkeit.

Demonstrative Gelassenheit und juristische Probleme

Das gleiche Schauspiel führte wenige Stunden später auch die AfD-Chefin Alice Weidel auf. Einerseits schimpfte die designierte Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, dass der Antrag den „undemokratischen Ungeist der Konkurrenzparteien“ widerspiegele und empörte sich darüber, dass man nicht einfach 20 Prozent der Wähler bundesweit ausschließen könne – die AfD liegt laut seriösen Umfragen bundesweit bei 17 Prozent. Nur um sich kurz darauf wieder demonstrativ gelassen zu geben, weil sie dem Antrag keine Chance auf eine Mehrheit gebe. Im letzten Punkt dürfte sie allerdings recht haben: Die Unterstützung für den Antrag bröckelt zusehends, eine Einbringung im Bundestag kommt frühstens nächste Woche.

Über die juristischen Chancen eines Verbotsantrags, der auch vom Bundesrat oder der Bundesregierung gestellt werden könnte, ist damit aber noch nichts gesagt. Entsprechend wich Weidel einer Nachfrage zu den juristischen Chancen des Verbots weiträumig aus: „Sie finden im AfD-Programm bürgerliche und vernünftige Politik. Darum muss man das nicht weiter thematisieren“, sagte sie dazu. Das sehen Verfassungsschutz und Gerichte allerdings deutlich anders – angesichts einer Vielzahl von rassistischen, islamfeindlichen und demokratieverachtenden Äußerungen hochrangiger AfD-Politiker*innen.

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18 Kommentare

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  • Bei dieser Physiognomie bastelt mein Unterbewusst sofort ein passendes Kostüm dazu - es ist nicht abzustellen.

    Bei den Herren Kotré, Hilse und Curio gehts mir genau so, auch die Damen dieses Clubs schreien nach "Berchtesgadener Trachtenjacke" und nach "Kletterjacke" als angemessenes Outfit.

  • Die AfD tritt nicht mehr als neoliberale Partei an, sondern ihr Markenzeichen ist Hass auf Ausländer und Migranten, die Partei sieht in der Migration den Untergang Deutschlands. Folglich will sie Ausländer, Migranten, Geflüchtete sortieren und deportierten. Das geht in der bestehenden Rechtsordnung nicht. Damit ist die Partei nicht mehr Grundgesetz- konform. Viele Politiker der AfD äußern sich sehr selbstbewusst in diese Richtung, große Angst vor einem Verbot hat die Partei gar nicht. Der Jugendverband ist definitiv rechtsextrem. Ein Verbotsverfahren hätte Chancen, egal wie sich die Partei gibt. Wenn die Partei so weitermacht, könnte es irgendwann zum Bürgerkrieg kommen, die Partei sorgt für Spaltung, Hass, sie versucht eine tolerante offene Debattenkultur abzuwürgen.

  • Für mich stellt sich allerdings die Frage, warum sich keine Mehrheit für einen Verbotsantrag findet. Die Idee, die AfD "wegzuregieren", wie sie Herr Dobrindt verbreitet, funktioniert ja richtig dufte. In Sachsen: 30% trotz CDU-geführter Regierung. In Bayern: 14,7% bei den letzten Landtagswahlen (= ca. Bundesdurchschnitt), obwohl CSU und Hupsis Freie Wähler regieren. Grüne Regierungsbeteiligung als Ausrede geht da also gar nicht. Sachsen-Anhalt: 20,8% bei den letzten Landtagswahlen; Ministerpräsident seit Jahren: auch ein CDUler.



    Und wie sich die CDU/CSU das Wegregieren vorstellt, kann man sich auch ausmahlen: Man macht in weiten Teilen die Politik, die die AfD will. Und was lernt der AfD-Wähler: Wenn er AfD wählt, passiert genau das, was er will. Während das alles in der Zeit, als die AfD weniger Wählerstimmen hatte, nicht passiert ist -- im Übrigen auch und gerade mit der "besseren Alternative für Deutschland" an der Macht.



    Ein toller "Anreiz", nicht AfD zu wählen ...

    • @Libuzzi:

      Kurz gesagt, am Ende wählen die Wähler lieber das Original. Nicht trotz des Rassismus und Fremdenhass, sondern wegen...

  • "Juristisch hätte sie beim Verbotsantrag aber erhebliche Probleme"

    In erster Linie hätte der Bundestag ein verfassungsrechtlichs Problem. Nennt sich auch das Gebot strikter Staatsfreiheit. Kurz gefasst besagt das Verbot, dass die von einem Verbotsverfahren betroffene Partei keinesfalls unter dem (auch nur potenziellen) Einfluss staatlicher oder staatlich kontrollierter Akteure stehen darf. Das bedeutet, dass ein Verbotsverfahren nicht stattfinden darf, wenn die Partei zugleich auf der Führungsebene mit V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern der Nachrichtendienste durchsetzt ist. Zudem müsste der Abzug der Ermittler nach Rechtsprechung des BVerfG bereits vor der Einleitung eines Verbotsverfahrens erfolgen. Also vor der Abstimmung im Parlament. Zu dieser Sicherstellung der Staatsfreiheit aber ist der Bundestag nicht im Stande, da die entsprechenden Behörden dem Innenministerium bzw den Ländern unterstellt sind. Es bedürfte also vor einer Abstimmung im Parlament die Zustimmung der Bundesregierung und des gesamten Bundesrates.

    Bisher wurden alle fünf Verbotsverfahren von der Bundesregierung und/oder dem Bundesrat initiert, noch keines allein durch den Bundestag.

    • @Sam Spade:

      Ich zitiere mal aus dem Urteil:



      www.bundesverfassu...17_2bvb000113.html

      "d) Ein zur Verfahrenseinstellung führendes Hindernis kommt lediglich als ultima ratio möglicher Rechtsfolgen von Verfassungsverstößen in Betracht. Zur Feststellung des Vorliegens eines unbehebbaren Verfahrenshindernisses bedarf es einer Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen einerseits und dem Präventionszweck dieses Verfahrens andererseits."

      • @ToSten23:

        Und da interpretieren sie jetzt was genau hinein?

        • @Sam Spade:

          "Kurz gefasst besagt das Verbot, dass die von einem Verbotsverfahren betroffene Partei keinesfalls unter dem (auch nur potenziellen) Einfluss staatlicher oder staatlich kontrollierter Akteure stehen darf"

          Ist nicht korrekt.

          Es wird abgewogen. Übrigens gibt es auch aus (a) und (b) folgende Ausarbeitungen was genau "tätig sein" meint.

          Jedenfalls ist unstrittig, dass das Problem die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit war, welche die NPD hatte, nicht dass V Leute in ihr waren. Dieser zweite Teil war nämlich nicht relevant genug um zu dem Zeitpunkt abgewogen zu werden, auch wenn nahe liegt, dass die Gerichte bereit gewesen wäre Personen, Landesverbände usw. zu verbieten, wenn denn V Leute zu viel Tätigkeit vorzuweisen hatten.

          Diese müssen ihre Arbeit und Aktionen früh genug einstellen, aber müssen nicht Jahre lang komplett weg sein.

          • @ToSten23:

            Ganz hervorragende Begründung. Reiht sich ein in ihren letzten Kommentar in dem sie bei einem Parteiverbot die Beweislastumkehr für AfD Mandatsträger eingeführt und der Venedig Kommission rechtlich bindende Kompetenzen einräumt haben.

            Eine Argumentation auf einen Leitsatz aufzubauen ohne Kenntnisse des Urteils zu haben ist wie den Klappentext eines Buches zu lesen und zu meinen man wisse über den Inhalt bescheid. Noch dazu die Begründung "Ausarbeitung aus Punkt a und b". Ausarbeitung eines Leitsatzes? Ziemlicher Quatsch das alles. Sorry, aber ich mache nicht jeden Blödsinn mit.

            Ich helfe aber gerne dabei Einbildung in Bildung umzuwandeln und gebe gerne eine Empfehlung zum Thema. Befassen sie sich doch einmal zum Einstieg mit dem Rechtsstaatprinzip, Art 20, Abs 3 GG.

            • @Sam Spade:

              "Ausarbeitung aus Punkt a und b. Ausarbeitung eines Leitsatzes?"

              Ja. Findest du in juristischen Zeitschriften, aber auch indem du das Gespräch mit Doktoren der Jurisprudenz suchst und dir die Literatur und Diskussion erklären lässt.

              Natürlich hatten diese dann nicht den Leitsatz als Grundlage, aber es ist etwas naiv so zu tun, als wäre Abstraktion etwas das für Diskussionen nicht hilfreich ist.

              Fake News: "Parteiverbot die Beweislastumkehr für AfD Mandatsträger eingeführt", was ich gesagt habe ist, dass im Fall eines Parteienverbots AfD Mandatsträger*innen im EU Parlament ihr Mandat verlieren dürften durch die Prüfung der Rechtsgrundlagen für jede einzelne Mandatsträger*in. In Deutschland gibt es bereits die Erfahrungen zum KPD Verbot...

              Ich habe sogar angezeigt, wo noch mehr abgewogen würde ob das Mandat erhalten bleibt (bei voriger Distanzierung und Parteiaustritt).

              Übrigens schenke ich einer rechtlich nicht bindenden Einschätzung der Venedig Kommission und den Ordnungen des Parlaments mehr Gehör als Internet Forenbeiträgen.

              • @ToSten23:

                Na ja, wird dadurch nicht richtiger, aber immerhin ein Erklärungsversuch hinsichtlich des Leitsatzes.

                Als Beweislastumkehr bezeichnet man es, wenn ein Angeklagter versuchen soll seine Unschuld zu beweisen, anstatt das der Ankläger in der Pflicht ist die Schuld nachzuweisen. In diesem Zusammenhang ein Auszug ihres Kommentars hinsichtlich des Mandatsverlust.

                ".. die Person nicht direkt das Mandat verlieren, wenn diese glaubhaft machen kann, dass sie nicht vom Verbot erfasst sein würde."

                Belassen wir es dabei!

  • Wäre die NSDAP vor 1933 verboten worden, wären eben 6 Millionen Juden und andere Missliebige nicht bestialisch ermordet worden! Ganz zu schweigen von den 60 Millionen weiteren Opfern des Zweiten Weltkrieges. Soll man es jetzt bei der AFD noch einmal drauf ankommen lassen?

  • Jede relevante Partei, die existieren will, muss Grundrechte und Menschenrechte akzeptieren, zumindest die allgemeine und gleiche Menschenwürde, den sozialen Bundesstaat, die Rechtsstaatlichkeit.



    Wir wollen keine unfaire und undemokratische Partei an irgendwelchen Schalthebeln.

    Da die AfD nie die Kurve nach rechtskonservativ-nur-seltsam bekommen hat, sondern sogar umgekehrt in den bräunlichen Sumpf abbog und -biegt, ist eine Prüfung wohl das Mindeste.



    Lieber wäre mir gewesen, dass die Partei so aus dem Parlament gedrängt worden wäre. Doch Merkel, auf deren Buch ich dennoch gespannt bin, hat auch das versemmelt mit "asymmetrischer Demobilisierung" etc.

  • Der größte Fehler, den deutsche Demokraten je gemacht haben, war es, eine rechtsextreme Partei gewähren zu lassen, bis es zu spät war.

    • @Suryo:

      Das Problem ist: Damals gab es eine starke SPD der Leute noch echte Überzeugungen hatten.



      Die haben damals Lieber Exil, Gefängnis und Tot in Kauf genommen, als für die Machtergreifung zu stimmmen, während alle anderen zugestimmt haben.



      Man sollte meinen, heutige Politiker sollten daraus gelernt haben und verhindern, dass es jemals wieder soweit kommt.

  • "...weil sie dem Antrag keine Chance auf eine Mehrheit gebe. Im letzten Punkt dürfte sie allerdings recht haben: Die Unterstützung für den Antrag bröckelt zusehends..."



    Wenn dieser Antrag nicht zustandekommt, wird das den letzten Adelsschlag bedeuten. 'Seht doch, selbst die Altparteien glauben nicht, dass die AfD verboten werden kann!'



    Man kann dann schon den Countdown setzen, wann die sogenannte Brandmauer fallen wird.



    Den Rest möge sich jeder selbst ausmalen.

    • @Encantado:

      >Man kann dann schon den Countdown setzen, wann



      >die sogenannte Brandmauer fallen wird.

      der countdown läuft doch schon.



      Die CDU übernimmt immer mehr der AFD-Positionen und in Sachsen fordern immer mehr CDU-Abgeordnete, mit der AFD Koalitionsgespräche zu führen.



      6 Abgeordnete und laut FAZ knapp die hälfte der Sachsen-CDU-Mitglieder.

      die berühmte Brandmauer ist nicht mehr als ein Mäuerchen.

      • @Magnus Wagner:

        "die berühmte Brandmauer ist nicht mehr als ein Mäuerchen."



        Traurig aber wahr.



        War sie eigentlich immer schon. Anstalt und Mitternachtsspitzen haben hierzu schon vor längerem absolut sehenswerte Beiträge gebracht.



        Wer sich gruseln möchte...