Kirchenasyl unter Druck: Hamburgs neue Härte
Nach dem Bruch des Kirchenasyls in Hamburg sei die Lage ernst, sagen Geflüchteten-Unterstützer:innen. Sie hoffen jetzt auf Gespräche.
Besondere Aufmerksamkeit erfuhr jüngst so ein Fall in Hamburg: Im späten September war ein schutzsuchender Afghane aus den Räumlichkeiten einer katholischen Kirchengemeinde geholt und nach Schweden ausgeflogen worden – in der Stadt das erste derartige behördliche Handeln mindestens seit 1984, wenn nicht überhaupt; da gehen die Auskünfte auch unter den Aktivist:innen auseinander.
„Das Eindringen von Polizei und Ausländerbehörde in den geschützten Raum der Kirche ist in Hamburg bislang beispiellos und darf sich nicht wiederholen“, schreiben die Organisationen Hamburgasyl und Fluchtpunkt Hamburg – Kirchliche Hilfsstelle für Flüchtlinge“ in einer gemeinsamen Mitteilung. „Wir rufen den rot-grünen Senat auf, das Gespräch mit den Kirchen zu suchen und von weiteren Räumungen Abstand zu nehmen.“ Hamburg dürfe sich nicht „vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter Druck setzen“ lassen oder „in den Strudel einer überhitzten politischen Debatte hineinziehen“.
Mit einer Mahnwache – Motto: „Hände weg vom Kirchenasyl!“ – wollen ökumenische und weitere Unterstützer:innen am heutigen Dienstag die Forderung unterstreichen, dass Hamburg einen lange bestehenden Konsens achten soll zwischen den Kirchen und den Behörden. Eben daran scheint sich aber die Landesbehörde nicht mehr gebunden zu sehen.
Mahnwache „Hände weg vom Kirchenasyl!“: Di., 8. 10., 16 Uhr, Hamburg, Reesendammbrücke/Jungfernstieg
Das Neue am viele so empörenden Hamburger Fall war nicht die Sichtweise des Bamf: Dass das Bundesamt sich einer Asyl gewährenden Kirchengemeinde nicht anschließt, ist inzwischen der Normalfall. Demgegenüber habe es in den Jahren 2015/16 „noch ungefähr bei 80 Prozent der inhaltlich entschiedenen Härtefälle gesagt: Ja, das sehen wir auch so“, erzählt Dietlind Jochims, Pastorin und Flüchtlingsbeauftragte der evangelischen Nordkirche. Das aber geschehe „inzwischen so gut wie überhaupt nicht mehr“.
Die Umsetzung der Bamf-Entscheidung, also etwa die „Rücküberstellung“ eines Geflüchteten in das EU-Mitgliedsland, in dem er seinen Asylantrag gestellt hat oder das tun müsste, liegt immer schon beim Bundesland – und da erkennen die Geflüchtetenhelfer:innen eine bedenkliche Neuerung.
Pastorin Dietlind Jochims, Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche
Früher habe in Hamburg die Ablehnung durch das Bamf gerade nicht dazu geführt, dass die Polizei gerufen wurde, das Kirchenasyl zu brechen, so Ossenbeck. „Wenn von den angeordneten Rücküberstellungen im Bundesschnitt knapp 10 Prozent durchgeführt werden“, sagt Jochims, „dann ist natürlich die Frage: Wo handeln die Landesbehörden, und wo tun sie das nicht?“ Und: „Müssen sie tatsächlich, und das ist das Neue, an solche symbolisch hoch bedeutsamen Situationen rangehen, wie Leute aus einer Kirche zu holen?“
Für Ossenbeck reiht sich die jüngste Eskalation durchaus ein „in die Politik von Innnensenator Andy Grote: Mir ist noch in guter Erinnerung, wie er vor einigen Wochen zur Abschiebung nach Afghanistan, die notwendig sei, einen lapidaren Kommentar gemacht hat à la: Denen werden schon nicht sofort die Köpfe abgehauen werden.“
Nun ist dieser sozialdemokratische Bonmot-Hardliner halt erst mal im Amt. Ist damit das Kirchenasyl in Hamburg dahin? Jochims verweist auf „auch jetzt noch anstehende Gespräche“ zwischen Staat und Kirche. Sie sieht „Verunsicherungen bei den Gemeinden, bei den Ehrenamtlichen. Aber es gibt auch eine große Entschlossenheit zu sagen: Von dem, was wir an Werten und Idealen und Menschenrechten für wichtig halten, lassen wir so schnell nicht.“
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