Migrationsdebatte: Özdemir stellt sich nach rechts
In einem Gastbeitrag in der FAZ spielt Cem Özdemir die Erfahrungen seiner Tochter gegen Migranten in Deutschland aus. Das ist falsch.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat am Sonntag in einem Gastbeitrag in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine härtere Asylpolitik gefordert, und begründete dies auch mit Erfahrungen seiner Tochter. Er schrieb: „Wenn sie in der Stadt unterwegs ist, kommt es häufiger vor, dass sie oder ihre Freundinnen von Männern mit Migrationshintergrund unangenehm begafft oder sexualisiert werden.“
Richtig ist: Sexuelle Belästigung ist für viele Frauen Alltag und nie zu verharmlosen. Doch Özdemir spielt die Erfahrungen seiner Tochter gegen Migranten in Deutschland aus. Seine Formulierung legt fälschlicherweise nahe, dass man einem Menschen den Migrationshintergrund ansehen könnte. Darüber hinaus unterstellt sie, dass das übergriffige Verhalten der Männer mit ihrer „migrantischen“ Herkunft zu tun habe.
Es gibt keine Zahlen, die diese Behauptung belegen. Viele Männer haben ein frauenfeindliches Weltbild – das betrifft aber erwiesenermaßen nicht nur migrantisch gelesene Männer. Frauenhass und sexualisierte Gewalt werden nicht nur importiert, sondern sind genauso made in Germany.
Der Länderbericht zu Femiziden von FemUnited aus dem Jahr 2022 bestätigt das: „Bei 22 Prozent der Täter wurde ein ethnischer Minderheitenhintergrund festgestellt; dieser Anteil ist nicht höher als in der Durchschnittsbevölkerung.“ Studien zeigen, dass Gewalt gegen Frauen ein strukturelles Problem ist, das durch fehlende Gleichstellung bedingt wird. Wenn also fast jeden zweiten Tag ein Femizid in Deutschland begangen wird, ist das ein gesellschaftliches Problem.
Leser*innenkommentare
Dietmar Rauter
em Özdemir war immer gern der Vorzeige-'Grüne' aus einer Migrantenfamilie (Genauso wie die 'grüne' Ministerin Aminata Toure'), um das bunte Grünenbild abbilden zu können. Viel mehr habe ich von diesem eher als Oberlehrer auftretenden Mann bisher mitbekommen. Insofern passt er gut in das Personal, das uns als WählerInnen so präsentiert wird, mes geht um Machterhaltung, mehr nicht.
Semon
Seit dem der Özdemir sich beim Gyphosatverbot enthalten hat, obwohl das im Koalitionsvertrag vereinbart war, ist der Mann bei mit unten durch.
K2BBQ
Özdemir will MP von BW werden und da muss man auch mal die Ausländerkarte spielen.
Fisherman
Nur mal so als Experiment: wenn man den Artikel einem "unentschlossenen" Wähler aus... sagen wir mal: Sachsen, vorliest und diesen unentschlossenen Wähler danach auf die Sonnenallee schickt, welche Partei wird der dann wohl "wollen die mich veräbbeln"-raunend wählen?
Liebe Genossen, Analyse und Kritik anyone? Haben wir unser linkes Handwerkszeug verlegt, verlernt, verloren?!
Earl Offa
Zugegeben: Ich habe besagten Artikel in der faz nicht gelesen, schaue jetzt aber gleichwohl mal in meine magische Glaskugel: Özdemir ist nicht unsympathisch, aber sehr oft sehr opportunistisch (was nicht immer schlecht sein muss). Er hat vor einigen Jahren im Bundestag auch schon mal einen national-patriotischen Überholversuch gemacht - und zwar ausgerechnet bei der Partei ganz rechts. Kostprobe? "Sie sind ja gar nicht für unsere tolle deutsche Nationalmannschaft! Sie sind ja für die Russen!" Ich stelle die (korrekte Wiedergabe der) Erfahrungen seiner Tochter nicht in Abrede, daran ist sicher Vieles bedenkenswert und kann Anstoß zum Handeln geben. Aber gerade zum jetzigen Zeitpunkt in den Mainstream-Chor einzustimmen... (die Außenministerin erzählt auch immer mal wieder Familiäres, mehr oder minder passend, aber doch stets sehr opportun). Sei all dem wie auch immer: MP in Ba.-Wü. wird er nicht, dazu ist seine Partei schlicht und einfach prozentual zu sehr im Sinkflug (trotz läppischer Prahlereien aus der Bundeszentrale, jetzt aber doch das "Projekt Volkspartei" neu (wieder)anpacken zu wollen und was es da noch alles an absurdem Senf gibt).
Deep South
Nee, genau umgekehrt wird ein Schuh draus. Es ist genau diese Art von ideologischem Beißreflex, die AfD und Co in die Karten spielt. Alles nicht ernst zu nehmen und nach "rechts" zu schieben, was irgendwie nicht ins setzkastenartige Weltbild passt, ist zudem genau das Gegenteil von Feminismus. Nämlich Ignoranz gegenüber Mißständen und Opfern. Man muss nur mal an die Kölner Silvesternacht und die anfängliche Berichterstattung in linken Medien denken. Da wurde der massenhafte Mißbrauch von Frauen durch Linke relativiert und unglaubwürdig gemacht. Die Kritik daran hat man anfangs den Rechten überlassen und ab diesem Punkt ist ganz viel von dem "Wir schaffen das" gekippt und heute hat die AfD bundesweit 20%. Nirgendwo hat Özdemir das grundsätzlich mit Migration verknüpft. Das blosse Erwähnen von Mißständen als "rechts" zu labeln, zeigt nur eins: Man hat nichts dazu gelernt.
Prim
Ich glaube hier stimmt etwas mit dem vergleichen nicht. 22 Prozent hört sich nicht nach einer Minderheit an. Und gleichzeitig alle ethnischen Minderheiten über eine Kamm zu scheren, finde ich auch nicht so richtig. Da es immer unterschiedliche kulturellen, wie auch situative Faktoren gibt, die Probleme mit sich bringe, wie auch keine Probleme. Ich finde es ist komplexer.
Perkele
Özdemir ist ein Karriere-Politiker. Er hat schon z.Zt. als GRÜNER Parteivorsitzender sein eigenes Machogehabe ausgelebt. Fragt mal Simone Peter! Er macht das, was seiner Karriere förderlich ist. Und ist das Diskriminierung oder blinder Populismus, dann ist es eben so. Er will Kretsche in BW beerben - darum geht es. Dieser Mann ist unehrlich.
Daniel Müller
Der Begriff Migrant ist wirklich sehr problematisch. Dahinter verbergen sich so viele verschiedene Lebenswege und Schicksale, das er hier wenig Sinn macht. Was aber Fakt ist, dass viele junge Männer in unser Land gekommen sind, ohne die entsprechende Zahl an jungen Frauen. Gleichzeitig erleben sie hier eine offene liberale Kultur. Das erzeugt meiner Ansicht nach Frustration und führt auch zu Übergriffen.
1Pythagoras
Sehr unfaire Rhetorik. Kontraproduktiv.
PeerTuba
Wenn man das Fazit des verlinkten Artikels liest: „Alle Männer, und besonders „migrantische“, müssen verstehen, dass intersektionaler Feminismus auch für sie ein Ausweg sein kann.“ beisst sich das aber arg mit der Intention dieses Artikels hier.
Zudem würde ich Özdemirs Tochter durchaus zubilligen, „Migrationshintergrund“ bei den Belästigern zu erkennen. Warscheinlich wird sie auf arabisch angegangen. Und türkisch versteht sie ohnehin.
Zangler
„Es gibt keine Zahlen, die diese Behauptung belegen.“
Es gibt allerdings Zahlen, die sie widerlegen und als die Lüge entlarven, die sie sind! Sowohl in den USA als auch in vielen europäischen Ländern ist belegt, dass Migranten der ersten Generation bei den Gewalt- und Sexualverbrechen gegenüber Einheimischen deutlich unterrepräsentiert in den Kriminalstatistiken auftauchen, und zwar mindestens etwa nur halb bis ein Viertel so häufig. Angesichts des öffentlichen Klimas und den damit verbundenen Verzerrungen der Statistik ist der Effekt sicherlich eher unter- als überbewertet.
Die Kriminalitätsrate ist allerdings am höchsten unter der Gruppe der 18- bis 35-jährigen Männer mit niedrigem Bildungsniveau und geringem Einkommen. Das betrifft dann auch Migranten, gerade der zweiten Generation, die sich an das einheimische kriminelle Milieu assimilieren, was aufgrund der Tatsache, dass sie Opfer von Diskriminierung sind, auch nicht erstaunlich ist.
Junge Frauen fühlen sich zurecht beunruhigt, wenn sie Gruppen junger Männer mit einem bestimmten Auftreten an bestimmten Orten begegnen. Das hat aber mit der Härte der Migrationspolitik nichts und mit der Güte der Sozialpolitik alles zu tun!
Falschgeld
Wenn man die Mutter aller Probleme in der Migration ausmacht verortet man sich rechts. Mehr sagt dieser Kommentar über Özdemir nicht aus und trotzdem scheint das kontrovers zu sein?
Eine einfache Reflexion darüber, wo man sich selbst im politischen Spektrum verortet scheint manchen Lesern zu nahe zu gehen.
Es ist das alte Simpsons "No, it's the children who are wrong"-Meme wieder und immer wieder.
Stefan Gröschel
Also... ich glaube der Schreiber dieser Zeilen hat vermutlich nur "weiße" Freunde. Herr Özdemir beschreibt genau die Erfahrungen der meisten meiner migrantischen" (was für ein Wort!) Bekannten.
Selbst Freund X, selber Migrationshintergrund und bislang ein überzeugter Anhänger offener Grenzen/keine Obergrenze, hat seine Meinung stark verändert nachdem er innerhalb von 2 Wochen zweimal(!) überfallen wurde. Die Täter hatten, wie mein Freund, in beiden Fällen optisch Migrationshintergrund. Die Polizei sagt, Anzeige gerne, aber keine Chance sie zu erwischen.
Leute, das ist doch nicht normal. Sicherheit ist ein elementares Bedürfnis jedes Menschen, und nicht "rechts". Diese Ignoranz großer Teile der Linken treibt die Leute immer mehr in die Arme der AfD. Leider.
Özdemir für Bundeskanzler! :-)
Nisse
Einfach mal die Kriminalstatistik lesen und bei sexueller Belästigung, Vergewaltigung etc. den Anteil der nichtdeutschen Strafverdächtigen anschauen. Da gibt es genug Zahlen...
Troll Eulenspiegel
Absolut richtig differenziert.
Sexuelle Belästigung gegenüber Frauen ist ein reines Männerproblem. Kein Ausländerproblem.
Jim Hawkins
Es kann nicht sein, was nicht sein darf.
Die Töchter von Freunden berichten, dass sie absolut jedesmal beim Gang über die Sonnenallee massivem Catcalling ausgesetzt sind.
So ist es nicht in der Schloßstraße, nicht am Kudamm und nicht in der Bergmannstraße.
metalhead86
@Jim Hawkins Aber ist das Korrelation oder Kausalität?
elma
@Jim Hawkins Dann sollen „die Töchter ihrer Freunde“ mal an einer Baustelle mit deutschen Bauarbeitern vorbei gehen—hören Sie endlich mit ihrem Anti-arabischen Rassismus auf und der verbalen Ghettoisierung von Neukölln auf.
Gesunder Menschenverstand
Cem Özdemir beschreibt in dem Artikel so viel mehr als die Erfahrungen seiner Tochter. U. a. verweist auf die Redeverbote der westdeutschen Linken der 80er Jahre. Kritik an der DDR war verpönt, weil das nutzt ja nur den Rechten.
Und diese Denunzierung eines lesenswerten Artikels finde ich erbärmlich.
Kajakia
@Gesunder Menschenverstand Ich kann ihnen nur zustimmen