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Klimaschutzverträge mit UnternehmenDer Habeck’sche Green Deal

2045 soll die deutsche Industrie klimaneutral sein. Mit Zuschüssen will das Wirtschaftsministerium Unternehmen zu gezielten Investitionen locken.

Tesa-Kleberolle: Bis 2030 will das Unternehmen klimaneutral produzieren Foto: imago

BERLIN taz | Noch trocknet man bei Tesa in Hamburg auf Bänder aufgetragene Klebemasse mithilfe erdgasbetriebener Dampfkessel, die viel klimaschädliches CO2 ausstoßen. Doch das ändert sich: Tesa ersetzt die Kessel durch strom- oder wasserstoffbetriebene, klimaneutrale Modelle. Das Risiko, dass die Kosten viel höher sein werden als bei der bisherigen Produktion, federt die Bundesregierung ab.

Der Kleberollenhersteller, der bis 2030 klimaneutral sein will, gehört zu den 15 Unternehmen, mit denen das Bundeswirtschaftsministerium die ersten sogenannten Klimaschutzverträge abgeschlossen hat. „Das Schöne daran ist die Planungssicherheit“, sagt Tesa-Manager Thomas Erfurth.

Bis 2045 soll die deutsche Industrie klimaneutral produzieren. Um diesen Umbau zu unterstützen, hat das Wirtschaftsministerium die Klimaschutzverträge entwickelt. Die Idee: Unternehmen sollen Kostenrisiken abgenommen werden, wenn sie die Produktion umstellen. Sie bewerben sich in einem Auktionsverfahren. Wer mit dem wenigsten Geld CO2-Emissionen vermeidet, bekommt den Zuschlag. Am Dienstag hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin die Förderbescheide übergeben. „Wir schlagen zwei Fliegen mit einer Klappe“, so Habeck bei der Übergabe. „Wir senken die Emissionen im Hochenergiebereich und machen den Standort attraktiver.“

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Die Unternehmen haben sich verpflichtet, weniger CO2 auszustoßen. Sie erhalten erst Geld, wenn das der Fall ist. Die Verträge haben eine Laufzeit von 15 Jahren. Wie viel Geld die Unternehmen tatsächlich bekommen, hängt von der Entwicklung der Energiepreise ab. Sind die fossilen Energien in Zukunft teurer als die erneuerbaren, soll sogar Geld an den Staat zurückfließen.

Maue Bewerberlage in der ersten Runde

Durch die Projekte sollen nach Angaben des Wirtschaftsministeriums bis zu 17 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente weniger ausgestoßen werden. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2023 insgesamt rund 673 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Der Charme dieser Förderung liegt allerdings weniger in der direkten Wirkung der Projekte als in den Entwicklungen, die durch sie angestoßen werden. Denn ein Unternehmen, das sich von fossilen Produktionsweisen verabschiedet, bewirkt auch bei Zulieferern und Abnehmern Veränderungen.

Von 17 eingereichten Anträgen hat das Wirtschaftsministerium 15 Projekten einen Zuschlag gegeben. Sie erhalten insgesamt eine Förderung von bis zu 2,8 Milliarden Euro. Dass nur 17 Unternehmen Interesse gezeigt haben, dürfte auch die schwierige konjunkturelle Lage spiegeln. Eine zweite Ausschreibungsrunde mit 130 Bewerbungen hat bereits begonnen. Dafür steht dem Ministerium zufolge ein niedriger zweistelliger Milliardenbetrag zu Verfügung. Das Geld kommt aus dem Klima- und Transformationsfonds.

Die Projekte sind in energieintensiven Branchen wie der Glas- oder Bauinsindustrie angesiedelt. Der Chemieriese BASF hat einen Klimaschutzvertrag für die Herstellung klimaneutraler Ameisensäure abgeschlossen. „Das wird die grünste Ameisensäure im Weltmarkt“, sagt der Ludwigshafener Werksleiter Uwe Liebelt. „Der Klimaschutzvertrag hilft dabei, dass wir einen Preis machen können, der wettbewerbsfähig ist.“ Konzerne wie BASF haben zwar viel Geld. Sie investieren, aber eben nur in Projekte, die schnell lukrativ zu werden versprechen.

Aus Sicht vieler Ma­na­ge­r:in­nen ist der klimaneutrale Umbau ein enormes Risiko, weil unklar ist, wie sich die Preise von Ökostrom oder Wasserstoff entwickeln. Wird ihnen dieses Risiko abgenommen, sieht die Sache anders aus. Das ist etwa beim Unternehmen H&R Chemisch-Pharmazeutische Spezialitäten so. Die Firma stellt Vorprodukte für die Industrie her, etwa Schmiermittel. Sie will die Lösemittelraffination von Erdgas auf Strom umstellen. „Ohne zusätzliche Förderung könnten wir solche klimaschonenden Maßnahmen wettbewerbsfähig nicht umsetzen“, sagt Manager Detlev Wösten. Das Unternehmen stößt pro Jahr mehr als 100.000 Tonnen CO2 aus. Künftig sollen es 15.000 Tonnen im Jahr weniger sein.

Nur technolgische Neuerungen werden gefördert

Gefördert werden nur Projekte, die wie beim Ziegelhersteller Wienerberger technologische Neuerungen bringen. „Wir verwenden einen anderen Heizstoff, verbrauchen weniger Energie und verändern das Produkt“, erklärt der technische Direktor Burkhard Theuerkauf. Im Werk Hude-Kirchkimmen zwischen Bremen und Oldenburg baut das Unternehmen einen neuen Ofen.

Für die Herstellung von Klinkern oder Pflastersteinen wird Ton geformt durch bis zu 170 Meter lange Öfen gefahren, die auf über 1.000 Grad erhitzt werden. Das geschieht bislang mit Gas. Der neue Ofen soll mit Strom oder Wasserstoff ab Oktober 2027 betrieben werden, das sieht der Klimaschutzvertrag mit dem Wirtschaftsministerium vor. Damit soll der Ausstoß von 95 bis 98 Prozent des heute freiwerdenden CO2 verhindert werden. Der Rest stammt aus dem Ton.

Für den neuen Ofen arbeitet Wienerberger mit einer Firma zusammen, für die das ebenfalls Neuland ist. Auch für die kann sich das lohnen. Wienerberger hat in Deutschland 23 Werke mit ein bis drei Öfen. Der ­klima­gerechte Umbau ist eine große Herausforderung, sagt Direktor Theuerkauf. Immerhin das erste Projekt ist abgefedert: „Wir können die Energiewende ohne zusätzliches Risiko mitmachen.“

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14 Kommentare

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  • Habeck, Lauterbach, Pistorius und Baerbock sind die einzigen Minister die wirklich ernsthaft arbeiten.



    Alle anderen wurschteln oder wurden von lindner ausgebremst.



    Scholz? Personinifizierte Führungsschwäche.



    Die Opposition rein destruktiv.



    Proof me wrong.

  • taz: *Bis 2045 soll die deutsche Industrie klimaneutral produzieren.*

    2045 wird es zu spät sein. Nach einem Bericht des Club of Rome werden die Treibhausgas-Emissionen 2030 ihren Höhepunkt erreichen. Ab da wird ein 'sich selbst verstärkender Klimawandel' ausgelöst, und was das bedeutet, sollten selbst Politiker wissen die von Naturwissenschaften keine Ahnung haben.

    Übrigens hatte der 'Guardian' vor einiger Zeit aufgedeckt, dass große und mächtige Konzerne weltweit viele Milliarden US-Dollar in neue Projekte fließen lassen, mit denen sie die Erderwärmung ohne Skrupel weiterhin beschleunigen werden. Es bringt also nicht viel, wenn man ein paar deutschen Industrien Milliarden Euro Steuergelder gibt, damit die "vielleicht" sogar etwas Klimaschutz machen; die anderen Industrien (weltweit) ihr klimaschädliches Monopolyspiel aber weiterspielen – und es denen auch vollkommen egal ist, wieviel Geld man ihnen für Klimaschutzmaßnahmen gibt oder sie sogar 'untertänigst bittet', doch endlich mal den Klimawandel nicht mehr mit CO2 zu "füttern".

    Und wenn CDU-Merz demnächst für die klimaschädliche Wirtschaft den Kanzler "spielt", dann kann man Klimaschutz in Deutschland ohnehin vergessen.

  • Wieviel sollen Unternehmen denn bekommen, wenn sie ein Jahr hier bleiben?

  • Es wäre vermutlich besser den Industriestrom herunterzusubventionieren, davon haben alle etwas. Vor allen Dingen wird eine Abwanderung, die in vollem Gange ist, ins Ausland vermieden und wertvolle Arbeitsplätze blieben erhalten.

  • "Gefördert werden nur Projekte, die wie beim Ziegelhersteller Wienerberger technologische Neuerungen bringen."



    Da wird eine Technologie gefördert, die mindestens auf Jahrzehnte hinaus den CO2-Ausstoß unterm Strich nicht etwa vermindert, sondern verdoppelt.



    Habeck ist doch jeden Tag für einen neuen Downer gut.

  • Sollten wir fördern wie den Selbstschutz vor Cyberattacken auch und so viel mehr, anscheinend sind unsere Unternehmern tatsächlich gewillt sich selbst und uns alle in ernste Gefahr zu bringen. Alternativlose Förderungen und Pakete an gewisse Zielgruppen sind wir ebenso gewohnt wie unsere demokratische Ohnmacht dabei.

    "Aus Sicht vieler Ma­na­ge­r:in­nen ist der klimaneutrale Umbau ein enormes Risiko, weil unklar ist, wie sich die Preise von Ökostrom oder Wasserstoff entwickeln. Wird ihnen dieses Risiko abgenommen, sieht die Sache anders aus.".

    Die Jugend wächst mit fragwürdigen Zeitungsberichten in diese Welt hinein, schaut zu und wählt. Das ist also Demokratie, die wiederum von uns allen finanziell "gefördert" werden will.

  • Ich würde gerne noch zu bedenken geben, dass die Frage nach der Herkunft des Stroms den wir brauchen werden leider noch nicht ausreichend geklärt ist. Welche Kraftwerke wenn nicht Gas sollen die Schwankungen die durch die Sonnen- und Windenergie und den Bedarf entstehen ausgleichen? Welche riesen Akkus uns retten wenn die Nacht kommt und die Windflaute dazu? Es muss von allen Seiten betrachtet werden.

    • @alliknowisthatidontknow:

      whatyoudontknow is that viele kleine Akkus dezentral ungemein helfen können Bedarfs- und Angebotsspitzen zu reduzieren und den Strompreis zu stabilisieren.



      Flexibilisierung ist das Zauberwort. Die Technologie und das Wissen sind da.



      Mit subventionierten Fixpreisen wird das nix.

  • Robert Habeck hat sich doch schon längst als typischer Vertreter der Mitte bewiesen. Er verteidigt die elitäre Wahloligarchie gegen mehr demokratische Mitbestimmung und setzt als Liberaler auf Privatwirtschaft und Markt als alternativlose Wirtschaftsordnung. Dabei scheint er dann noch zu glauben, mit staatlichen Zuschüsse ließe sich die Privatwirtschaft davon überzeugen, den ökologischen Umbau unter Bedingungen des globalen Wettbewerbs voranzutreiben. Dass das eine ziemlich verwegene Wette auf eine mehr als unsichere Zukunft ist, wissen Kapitalanleger und Unternehmer natürlich. Hier Subventionen abgreifen, aber auch im Ausland investieren und Gewinne in Steueroasen parken, dass sind für international agierende Unternehmen und Vermögende schon mehr Gewohnheit als Strategie. Die Zeche zahlen am Ende die weniger vermögenden Menschen in Form von sinkenden Reallöhnen, höheren Abgaben und Gebühren, und grassierender Naturzerstörung. Dass trotzdem so viele Menschen mitmachen wollen, liegt u.a. daran, dass die Drohung mit dem Damoklesschwert sinkenden Wohlstands eine effektivere Disziplinierungsmethode als jede Strafandrohung.

  • Aus Sicht vieler Ma­na­ge­r:in­nen ist der klimaneutrale Umbau ein enormes Risiko, weil unklar ist, wie sich die Preise von Ökostrom oder Wasserstoff entwickeln. Wird ihnen dieses Risiko abgenommen, sieht die Sache anders aus."



    In Bayern gibt man sich beim Wasserstoff als etwaigen Ersatz schon bald für fossiles Erdgas auch für die Privathaushalte schon schlauer, aber die vollmundigen und auch teils aggressiven Töne kennen wir schon aus anderen Zusammenhängen im und vor dem Wahlkampf:



    Vor 12 Monaten



    "Bayerns Energieminister Hubert Aiwanger lädt den Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, zu einem Besuch des Wasserstoff-Pilotprojektes „H2Direkt“ in Hohenwart bei Ingolstadt ein."



    Quelle



    www.bayern.de/baye...rt-bei-ingolstadt/



    Faktenbasiert und aktualisiert, was passiert:



    www.tagesspiegel.d...atzt-12533708.html

  • Dazu muss ich einfach mal fragen, was hat das mit linker oder auch nur Gruppscher Politik zu tun, den Unternehmern eine Vollkaskoversicherung für ihr unternehmerisches Handeln in essentiellen Bereichen auszustellen?



    Gleichzeitig wird aber wieder noch mehr Verantwortung von Arbeitslosen und sonstigen Abgehängten gefordert, das ist die Umkehr des Prinzipes das stärkere Schultern mehr tragen können.

    Trigema will/muss die Energieversorgung auch umstellen, kriegen die jetzt keine Förderung weil Wolfgang Grupp die Tage wieder forderte, viel radikaler als sein Sohn&Nachfolger, dass die Regierung einfach weg müsse?

  • Je mehr ich von dieser selektiven Auswahl und Betteln um Förderbeträge lese, desto attraktiver wird selbst der scheiß Merz mit seiner korrekten Forderung dass die Gesamtrahmenbedingungen für Alle in Ordnung gebracht werden müssen.



    Etwas dass ja auch Sahra fordert.

    Gerade heute kam ja wieder heraus dass die Gewässerqualität auch wegen der gestiegenen Luftverschmutzung wieder schlechter geworden ist, das hat natürlich bloß mit den bösen Verbrennern zu tun und nicht mit der gesteigerten Kohleverstromung aufgrund der getroffenen, falschen politischen Entscheidungen in der Energieversorgung.

    • @Pleb:

      Gesteigerte Kohleverstromung?



      Das ist Desinformation.



      Google it.

  • Ja, es ist möglich andere Produktionsverfahren anzuwenden, aber es ist nicht wettbewerbsfähig, wenn die Konkurrenz unter Nutzung günstiger Arbeitskosten und günstigster Energie, den Marktpreis setzt.

    Dann bedeutet das eine Dauersubvention durch den Steuerzahler, die nicht enden kann, wenn das Unternehmen nicht enden soll.

    Eine Folge ist die verwendeten Mittel, fehlen im Haushalt für andere Zwecke, denken wir an den Wohnungsbau oder die Kindergrundsicherung.

    Eine weitere Folge dieses Versuchs, ein globales Problem, lokal, fast nur in Deutschland, zu lösen, ist, dass diese Mittel an anderer Stelle wesentlich mehr Wirkung erzielen.

    Das könnte hier, aber vor allem dort, wo die Bevölkerung wächst und ein Bedarf an günstiger Energie und der Wunsch nach mehr Konsum besteht. Bildung und Ausbildung dort führt zu einem besseren Leben und ermöglicht eigene Lösungen zu entwickeln und umsetzen.

    Stattdessen haben wir Ideologie getriebene Planwirtschaft.