Krieg gegen die Ukraine: Moskau und der Winter drohen

Auch ohne weitere Waffen aus dem Westen hat Russland ein Problem. Seine Angriffe auf die Ukraine gehen trotzdem weiter.

US-Außen- minister Antony Blinken (rechts) und der britische Außenminister David Lammy (links) auf dem Weg nach Kyjiw Foto: Mark Schiefelbein

Kyjiw taz | Wenn am Kyjiwer Hauptbahnhof der Zugang zu Gleis 1 von der Polizei gesperrt ist und dahinter sportliche Männer mit Sonnenbrillen schwarze Limousinen bewachen, wissen die Einheimischen, dass prominenter Politikerbesuch in der ukrainischen Hauptstadt eintrifft.

Am Mittwochmorgen war es mal wieder so weit. Wann genau und wer kommt, wurde wie üblich nicht bekannt gegeben. Taxifahrer Ruslan ist ratlos: die Absperrungen vermasseln ihm buchstäblich die Tour. Ampeln sind ausgeschaltet, Polizisten regeln den Verkehr von Hand. „Muss wichtig sein“, mutmaßt er und wischt auf seiner Navigations-App herum. „Genau weiß man das immer erst hinterher.“

Tatsächlich kamen mit US-Außenminister Antony Blinken und seinem britischen Amtskollegen David Lammy hochrangige Besucher nach Kyjiw. Anlass war das Crimea Forum, eine Veranstaltung, die die von Russland besetzte Krim und ihre Befreiung in den Fokus rücken soll.

Doch in den ukrainischen Medien stellte man sich vor allem die Frage, ob die Abgesandten der beiden wichtigen Verbündeten vielleicht etwas Nützliches für die Ukraine in ihrem Verteidigungskrieg mitbringen würden.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Bittere Kommentare

Es ging um die Frage, ob das angegriffene Land endlich auch weitreichende Waffen aus dem Westen gegen russisches Territorium einsetzen kann. Bisher gibt es eine entsprechende Freigabe nur zur Abwehr des russischen Angriffs auf die Region Charkiw. Doch die meisten der Angriffe auf ukrainische Städte und die Energieinfrastruktur gehen von Stützpunkten auf russischem Territorium aus. Kommentatoren in den sozialen Medien fragten schon bitter, welche Restriktionen denn für den Einsatz iranischer und nordkoreanischer Waffen gelten würden, die Russland gegen die Ukraine einsetzt.

Konkret geht es um den Einsatz der Marschflugkörper vom Typ Storm Shadow aus britischer Produktion. London würde der Ukraine das gern ermöglichen, allerdings nicht ohne Zustimmung aus Washington. In der ukrainischen Regierung wünscht man darüber hinaus die Freigabe auch für amerikanische Atamcs-Raketen. Die wären mit ihrer Streumunition ideal um geparkte Jets und Helikopter auf russischen Militärflugplätzen zu zerstören.

Vermutlich werden die USA und Großbritannien nach einem Treffen von US-Präsident Joe Biden mit dem britischen Premier Keir Starmer am Freitagabend eine Entscheidung verkünden.

In Moskau ist man sich sicher, dass die Entscheidung für eine Freigabe längst gefallen sei. Offenbar nimmt man die Frage im Kreml wichtig. Machthaber Wladimir Putin meldete sich persönlich zu Wort. Der Westen würde direkt mit Russland kämpfen, falls er der Ukraine erlaube, russisches Territorium mit Langstreckenraketen aus seiner Produktion anzugreifen. Die Angesprochenen zeigten sich allerdings wenig beeindruckt.

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) verwies darauf, dass der Einsatz durch das Völkerrecht gedeckt sei. Polens Ministerpräsident Donald Tusk sagte, Putins Drohungen zeigten eher die schwierige Lage, in der sich das russische Militär an der Front befinde. Möglicherweise lässt die Wirkung russischer Drohungen auch nach, weil Moskau ähnliches bei jeder Diskussion über Waffenlieferungen in den vergangenen zweieinhalb Jahren gesagt hatte.

Russischer Vorstoß verlangsamt sich

Die Lage an der Front ist derweil unübersichtlich: In der russischen Region Kursk, in die die ukrainische Armee Anfang August eingerückt war, hat offenbar eine russische Offensive begonnen. Doch es gibt auch berichte von ukrainischen Vorstößen. Im Donbas scheint sich der russische Vorstoß auf Pokrowsk zu verlangsamen.

Wenn es um weitreichende Waffen geht, entwickelt sich für Russland zunehmend ein Problem – auch ohne westliche Systeme: So hatte es in dieser Woche den wohl bisher größten ukrainischen Drohnenangriff auf Russland gegeben. Unter anderem die Region Moskau wurde attackiert. Die dortigen Flughäfen mussten geschlossen werden. Selbst die 2000 Kilometer entfernte Polarregion Murmansk meldete, drei ukrainische Drohnen abgeschossen zu haben. Russlands Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur gehen unterdessen weiter. Die Luftwaffe hat nach eigenen Angaben 24 von 26 Drohnen in der Nacht zum Freitag abgeschossen.

Das ukrainische Energieministerium meldete, die Energieinfrastruktur in der Region Iwano-Frankiwsk sei beschädigt worden. Bereits jetzt ist klar, dass das Land im Winter mit erheblichen Schwierigkeiten bei der Energieversorgung zu kämpfen haben wird. Die Schätzungen reichen täglich 12 bis 18 Stunden ohne Strom. Da dieser für den Betrieb von Pumpen nötig ist, könne die Blackouts auch Wasser- und Wärmeversorgung beeinträchtigt sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.

Ihren Kommentar hier eingeben