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Einsturz der Carolabrücke in DresdenRechtzeitig Geld sparen

Kommentar von Wolfgang Mulke

Wer zu spät an Sanierung denkt, muss zusätzlich zu den Baukosten auch noch die Schäden finanzieren. Billiger kommt es, zeitig zu investieren.

Von einer Hebebühne aus überprüfen Ingenieure im September die Rügenbrücke Foto: Stefan Sauer/dpa

D resden ist knapp einer Katastrophe entgangen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist, dass vermutlich auch andere Brückenbauwerke einsturzgefährdet sind, selbst wenn es nicht erkennbar ist. Spekulationen über die Ursache des Zusammenbruchs großer Teile der Carolabrücke helfen aktuell nicht weiter. Fachleute werden die Gründe erforschen. Wohl aber lassen sich Schlüsse aus dem Unglück ziehen.

So verdeutlicht der erkennbare Schaden, dass ein Neuaufbau viel teurer kommt als rechtzeitige Investitionen in die Instandhaltung. Dabei geht es nicht nur um die reinen Baukosten, sondern auch um die Schäden, die durch die nun ausfallende Verkehrsverbindung oder die zerstörten Fernwärmeleitungen entstehen. Die Sanierung des betroffenen Teils der Carolabrücke stand für das kommende Jahr auf dem Plan. Was zu spät gepflegt wird, kann, so zeigt es sich jetzt, zum teuren Fiasko werden.

Bundesweit ist der Sanierungsbedarf bei Brückenbauwerken gewaltig. Allein 4.000 der rund 28.000 Autobahnbrücken müssen instand gesetzt werden. Mehr als die Hälfte davon sind älter als 40 Jahre. An ihnen nagt zwangsläufig der Zahn der Zeit. Gleiches gilt nach einer Aufstellung des Bundestags aus dem Jahr 2020 für gut 1.000 der fast 26.000 Eisenbahnbrücken. Mehr als ein Drittel ist mehr als 100 Jahre alt. Es ist nicht so, dass der Staat die Anlagen bewusst verfallen lässt.

Sowohl für die Straße als auch für die Schiene läuft ein Sanierungsprogramm. Angesichts der Bilder aus Dresden müssen sich die Verantwortlichen auch anderswo aber fragen, ob das Tempo der Modernisierungen ausreicht. Eine radikale Beschleunigung der Brücken­sanierung ist kaum realistisch. Dazu fehlen die Kapazitäten am Bau. Doch was geleistet werden könnte, sollte auch in Angriff genommen werden und nicht an fehlenden finanziellen Möglichkeiten scheitern.

Die Infrastruktur wurde zu lange vernachlässigt. Der notwendige Erhalt ist dadurch schon sehr teuer geworden. Ihn durch eine Schuldenbremse zu verlangsamen, kann am Ende noch teurer zu stehen kommen. Nicht nur, wenn Menschen bei einem Unglück ums Leben kommen.

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21 Kommentare

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  • Danke für diesen Artikel, der statt den Wust der Meinungen um Eine zu ergänzen , mit einigen Fakten aufwartet!



    Es ist tatsächlich so, dass viele Brücken saniert werden müssen ( an der Ahr 60) .



    Das ist aber ein planerisches, wie bauliches Spezialfeld, dass zusätzliche Planungen und Anpassungen durch die Klimaentwicklung und deren Begleiterscheinungen, wie häufigerere Starkregenereignisse/ Überschwemmungen erfordert .



    Die Bauzeit ist naturgemäß auch lang, es wird auch etwas hergestellt, das Jahrzehntelang intensiv genutzt werden soll.



    Ja, die Schuldenbremse sollte reformiert werden und Investitionen ermöglichen. Grundsätzlich war das aber keine schlechte Erfindung.



    Es ist derzeit allerdings keine Mehrheit für diesen Schritt in Sicht. Es ist mir völlig schleierhaft, dass einige Grüne glauben, das sei in Zusammenarbeit mit Merz möglich. Wie kommen die darauf?



    Neben den diversen Klimaberufen erweitert sich das Feld an gesellschaftsrelevanten Berufen nun um dieses Spektrum. Vielleicht findet sich ja doch noch Jemand der/die den Betonbau, den Straßenbau oder deren Planung, vor der Influenzerkarriere, den Vortritt lässt.



    Danke für den realistischen Artikel!

  • "Billiger kommt es, zeitig zu investieren."



    Bei den Brückensanierungen handelt es sich nicht um Investitionen, sondern um Unterhaltskosten für bestehende Infrastruktur. Und Unterhaltskosten sind laufende, konsumptive Kosten, die in den normalen Haushalt gehören.



    Laufende Kosten können nicht über Schulden finanziert werden; das wäre der garantiert sichere Weg in ein Schneeballsystem.



    Vielleicht lernen auch einmal ein paar "progressive" Ökonomen, dass Arbeit==Wert (=|=Geld !!!) nicht unbegrenzt verfügbar ist. Und dass man daher ein paar Prioritäten setzen muss (zu welch letzteren der Erhalt der vorhandenen Infrastruktur gehört).

  • "Billiger kommt es, zeitig zu investieren." Da ist aber die neoliberale Schuldenbremse vor, eingeführt von wem noch mal?

  • Dem Autor scheint nicht geläufig zu sein, dass Brücken in Deutschland regelmäßig auf ihren Zustand überprüft werden.

    Wenn etwas also baufällig sein sollte, dann weiß man das.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Nach Darstellung einiger handele es sich hier um nicht so leicht erkennbare Mängel. Kontrollen fanden laut der Leiterin dort im TV gesehen statt. Beurteilen kann ich das selbst nicht, offenbar im Gegensatz zu Ihnen.

  • Neue Autobahnen und niederbayrische Ortsumfahrungen stoppen, Ressourcen in die Reparatur.



    Was man bei Stuttgart 21 auch hätte tun sollen.



    Jumbolaster von der Straße holen, die machen die Straßen und Brücken extramürbe. Wenn wir die Güterzugstrecken wieder aufwecken und auch neu bauen, muss der Güterverkehr verstärkt wieder dorthin.

    Investieren ist ein Konzept, was angebliche Wirtschaftsparteien doch eigentlich verstanden haben sollten.

    • @Janix:

      Mehr Waagen in die Straße einbauen. Den jeweils zulässigen Achslasten muss Nachachtung verschafft werden!

    • @Janix:

      "Jumbolaster von der Straße holen..."



      Schön wär's. Geplant ist etwas anderes: Mit Elektroantrieb dürfen sie noch ein paar Tonnen schwerer werden. Arme Infrastruktur.



      Wenn's doch elektrisch ist, dann ist es doch öko...

  • 10 Jahre nur sanieren und nichts neues bauen!



    Wir bauen Image-Bahnhöfe wie S21 für 12 Milliarden, unnötige Drittflughäfen und Stadtschlösser wie in Berlin, eine Elb-Philharmonie für 866 Millionen, aber bestehende Infrastruktur lassen wir mehr und mehr vergammeln. Das betrifft sowohl Straße, wie Bahn. Es werden noch weitere Brücken gesperrt oder gar einfallen.

    • @Rudi Hamm:

      Das Band vor der Elbphilharmonie durchzuschneiden bringt halt mehr Spaß und Image als das eines Klärwerks.

  • Deutschland hat seine Verwaltung, sein ehemals gutes Bildungssystem und die gesamte Infrastruktur einem neoliberalen Konstrukt geopfert, das da „Schuldenbremse“ genannt wird.



    Beschlossen von Union, SPD, Grünen & FDP.



    Die irre Logik lautet, das man den kommenden Generationen angeblich Schulden ersparen möchte.



    In Wirklichkeit führt diese Lüge dazu, das kommende Generation mit Reparatur und Neubau der Infrastruktur ein mehrfaches an Geld ausgeben müssen.

    Im Strassen- und Schienenbau ist es sogar fraglich, ob sich die Schäden überhaupt noch jemals beheben lassen werden.

    Bei der Leman-Bankenkrise hat Deutschland mit viel Geld marode Geschäftsbanken saniert und dann für einen lächerlichen Preis verkauft.



    In Norwegen hat man zur gleichen Zeit ein gigantisches Modernisierungsprogramm für die Infrastrukur aufgelegt…

    Dort ist die Welt jetzt in Ordnung.



    Im neoliberalen Deutschland ist alles auf Verschleiß und Zerstörung runtergefahren.

    • @hsqmyp:

      Man kann den Unterhalt der Infrastruktur vernachlässigen oder man kann ihn bezahlen: durch mehr Staatsverschuldung, durch höhere Steuern oder durch Kürzungen im Sozialen. Man muss sich nur entscheiden. Hohe Renten, billiges Deutschlandticket und niedrige Steuern waren wichtiger. Gute Infrastruktur geht sehr wohl auch mit Schuldenbremse. Sie geht nicht mit Umsonst- Mentalität.

  • Mal sehen wie lang die Diskussion um eines unserer tatsächlich größten Probleme anhalten wird - wahrscheinlich schreit bald irgend jemand aus dem Blaun-schwarzen Spektrum "Syrer essen Hauskatzen" und wir bekommen deepfakes von Merz und Weidel mit süßen Katzenbabies (Pluspunkt für KI: wenigstens werden keine Katzen dafür gequält). Dann ist die verrottende Infrastruktur wieder vergessen.

    Ernsthaft: Die Schuldenbremse muss endlich die Sanierungsschulden an der Infrastruktur mit berücksichtigen - die krankhafte Fixierung auf "Papiergeld" kostet Milliarden durch selbstverstärkende Schäden, verzögerte Logistik, Stau-Standzeiten etc. - und früher oder später auch Menschenleben.

  • Dresden hat gerade erst 12.300 Euro in die Entfernung eines Graffitis an der Carolabrücke investiert, man kann jetzt wirklich nicht sagen das die nichts gemacht hätten!

    • @Mendou:

      Das war dann wahrscheinlich der Haarriss für die Salze. ; )



      Graffiti sind in 99,9% hässliche Verschandelungen, ich verstehe das schon auch.



      Vielleicht kann eine neue Carolabrücke ja funktional und doch schön sein. Die alte ist das beides gerade nur bedingt.

  • Der Artikel besteht leider nur aus wohlfühlen Allgemeinplätzen. In konkreten Einzelfall stößt man dann doch auf erheblichen Widerstand, wenn ein äußerlich kaum bis nicht "beschädigtes" Bauwerk abgerissen und ersetzt werden soll. Da werden von Steuergeld bis zum CO2-Rucksack quer durch das politische Spektrum alle Register gezogen. Auch gerne genommen wird Denkmalschutz oder das Erscheinungsbild eines Bauwerks, das die Anforderungen von heute statt von vor 80 oder 100 Jahren erfüllt und dessen Auswiruungen aus Stadt- oder Landschaftsbild (z. B. Sternbrücke Hamburg).

    Was dann unter dem Strich zu faulen Kompromissen genau wie bei der Carolabrücke führt. Die ist jetzt bereits zu 2/3 denkmalgerecht saniert - aber die Einsturzursache des letzten Drittels hätte man nur bei einem Komplettabriss überhaupt sicher diagnostizieren können.



    Daß Betonummantelung als Korrosionsschutz von tragenden Stahlteilen problematisch ist, weiß man seit dem Einsturz der Reichsbrücke Wien 1976, daß diese Bauart des Spannbetons von außen kaum erkennbare Probleme bekommen kann, wurde in der gleichen Zeit langsam klar - hierzulande zuerst im Westen, wo nicht gleich die Planerfüllung gefährdet war...

    • @FriedrichHecker:

      Leider hat dieses Wissen keine Konsequenzen gehabt.



      Mal sehen, ob wir wenigstens so schnell mit dem Wiederaubau sind, wie die Italiener mit ihrer Brücke in Mailand.

      Ich tippe auf die zehnfache Zeit.

      • @hsqmyp:

        Leider hat dieses Wissen keine Konsequenzen gehabt.

        Konsequenterweise hätte man ja keine Spannbetonbrücken mit interner Vorspannung mehr bauen dürfen und alle bestehenden (also einen nennenswerten Teil des Bauprogramms aus 15 bis 20 Jahren) sofort abreißen müssen, weil theoretisch etwas hätte passieren können. Dass auch praktisch dieses Risiko in konkreten Fall relevant ist, hat man nicht überall so gesehen - Fehler machen schließlich immer nur die Anderen. Gerade die Reichsbrücke in Wien hat man in bestimmten Kreisen als Beispiel für "kapitalistische Auswüchse" gesehen - genauso wie andere Fälle "Beispiele für sozialistische Plan- und Mangelwirtschaft" waren.

  • Hat schon mal jemand gerechnet, was uns die Sparerei kostet?



    Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Folgen der nicht getätigten, aber notwendigen Ausgaben in unseren Bilanzen ausweisen.



    Das sind die wahren Schulden, die wir unseren Kindern und Kindeskindern hinterlassen.

    • @Karl Theurer:

      Besser kann man das gar nicht formulieren. Es ist genau das: wenn ich mein Haus unrepariert lasse und das Wasser durchs Dach ins Gebälk zieht, nur weil ich keinen €3000 Kredit aufnehmen will (nicht: kann!!), dann zerfällt die ganze Bude und ich muß dann €300000 ausgeben für den Neubau. Eine soölche Rechnung sollten sich alle Befürtworter der ideologischen Spinnerei der Schuldenbremse klarmachen. Sparen ist gut und richtig - dann aber auch bitteschön an der richtigen Stelle....

    • @Karl Theurer:

      Hat schon mal jemand überlegt, wie sich Deutschland Sanierungsmassnahmen im grossen Stil leisten könnte, wenn es finanziell in einer ähnlichen Situation wie Griechenland oder Argentinien wäre?