Kernkraft in Frankreich: Neuer Reaktor im On-off-Betrieb
In Frankreich ist ein neues Atomkraftwerk vom Typ EPR in Betrieb gegangen. Bisher lief es allerdings nur kurz.
Der Stopp sei nicht außergewöhnlich und entspreche den Erwartungen, teilte dazu der Betreiber der Anlage, der Energiekonzern EDF, mit. Die „technischen Kontrollen“ und „notwendigen Analysen“ seien im Gange. Wie fast immer bei Zwischenfällen in der Atomindustrie wird versichert, dass kein Grund zur Besorgnis vorliege, im Gegenteil: Der automatisch ausgelöste Stopp der atomaren Reaktion „beweist, dass das Sicherheitssystem gut funktioniert“, heißt es in der Mitteilung von EDF.
Das wollte der Medienagentur afp auch Energieexperte Nicolas Goldberg bestätigen: „Damit war zu rechnen. Die Inbetriebnahme ist ein komplexes industrielles Verfahren, und solche Zwischenfälle kommen häufig vor“, erklärte er mit Hinweis auf die drei anderen, bereits laufenden EPR auf der Welt. Im Fall des EPR Olkiluoto 3 in Finnland gab es laut Goldberg beim Start mehrere Probleme, so mussten gleich zu Beginn defekte Wasserpumpen ersetzt werden. Solche Ereignisse würden die neue Technologie nicht infrage stellen, man müsse „Geduld haben“.
Die Geduld aber wurde in diesem Fall schon sehr strapaziert. Denn ursprünglich sollte der EPR in Flamanville an der normannischen Atlantikküste nach 5 Jahren Bau bereits 2012 ans Netz gehen. Auch der wegen technischer Probleme oder materieller Mängel mehrfach verschobene Start in diesem Jahr war zuletzt noch mal um drei Monate hinausgezögert worden. Das hatte auch Folgen für die Kosten: Der erste EPR in Frankreich hat mit 13,2 Milliarden Euro bereits rund das Vierfache des ursprünglichen Kostenvoranschlags gekostet. Er soll mit einer Kapazität von 1.600 Megawatt den Strom für etwa 3 Millionen Haushalte liefern. Eine Stromproduktion für das französische Netz wird erst für Herbst 2024 versprochen.
Frankreich setzt weiterhin auf Kernkraft
Frankreich setzt für die Energieproduktion weiterhin prioritär auf seine Atomindustrie. Wie Staatspräsident Emmanuel Macron beschlossen hat, soll EDF 6 neue Anlagen mit der jetzt in Flamanville erprobten und verbesserten EPR-Technologie bauen, die dann ab 2035 in Betrieb gehen könnten – obwohl EDF akkumulierte Schulden von mehr als 64 Milliarden Euro hat. 8 weitere EPR sollen laut diesem Programm, das Kritiker als gefährliche „atomare Flucht nach vorn“ bezeichnen, später bestellt werden. Eine Lösung für eine definitive Endlagerung oder eine andere Entsorgung der hochradioaktiven Rückstände aus den AKW ist noch immer nicht in Sicht.
Die Stromproduktion der französischen AKW hat nach einer schweren Krise und einer drastischen Verminderung der Produktion im Jahr 2022 wieder fast den Höchststand von einer jährlichen Produktion etwa 400 Terawattstunden erreicht. Das Überangebot an Elektrizität drückt auf die Preise. EDF-Konzernchef Luc Rémont möchte damit die Nachfrage bei den Verbrauchern steigern, die beispielsweise wegen der günstigeren Kosten auf Elektroautos für den Verkehr oder auf Wärmepumpen für die Heizung umstellen sollen. EDF verweist auch darauf, dass die Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Wasserkraft mit einer Zunahme von 12 Prozent stark wächst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen