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Kanzler-Kandidat der UnionNur Merz kann Merz noch stoppen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Friedrich Merz marschiert geradewegs auf das Kanzleramt zu. Allerdings kommt er bei Frauen und liberaleren Unionswählern nicht so gut an.

Friedrich Merz: Die politische Realität eines vielfältigen Deutschland könnte ihn einholen Foto: Markus Schreiber/ap

E ine Überraschung ist es nicht, eine Nachricht schon: CDU-Chef Friedrich Merz wird als Kanzlerkandidat der Union im kommenden Jahr in den Bundestagswahlkampf ziehen. CSU-Chef Markus Söder überlässt dem Häuptling der Schwesterpartei die Spitzenkandidatur. Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst hatte schon tags zuvor seinen Verzicht erklärt. Damit ist die lange offene K-Frage in der Union jetzt entschieden. Merz hat sich auf ganzer Linie durchgesetzt.

Damit hat er das nächste Etappenziel erreicht und sein Comeback vollendet. Merz ist in der Union jetzt der unangefochtene Leitwolf. In der CDU hat er sein Rudel um sich geschart und mit Carsten Linnemann eine Kopie seiner selbst als Generalsekretär installiert. Er hat die Konkurrenten Hendrik Wüst und Daniel Günther auf ihre Plätze verwiesen, das Erbe von Angela Merkel erfolgreich abgeräumt und mit seinem harten und unversöhnlichen Kurs in Migrationsfragen jetzt auch Markus Söder hinter sich gebracht.

In seiner Partei geben so schneidige Typen wie Jens Spahn, Thorsten Frei und Philipp Amthor den Ton an. Die CDU wirkt heute männlicher und konservativer, zugleich weniger modern und weniger vielfältig als zuvor. Bisher geht dieses Retro-Konzept auf. Die AfD hat Merz damit zwar nicht halbiert, wie er es großspurig als Ziel anvisierte, als er sich 2018 das erste Mal um den Parteivorsitz bewarb. Diesen Anspruch hat er längst aufgegeben.

Kommt mit seinem Retro-Kurs nicht so gut an

Aber in den Umfragen liegt die Union, dank der Schwäche der Ampelparteien, trotzdem weit vor allen anderen. Wenn es dabei bleibt, dürfte der nächste Kanzler Friedrich Merz heißen. Was könnte ihm noch im Weg stehen? Wenn Markus Söder diesmal die Füße stillhält, dann vor allem Merz selbst. Denn der Sauerländer kommt bei jungen Wählern und dem liberalen, grün-affinen und großstädtischen Bürgertum nicht so gut an wie bei seiner Parteibasis.

Der kalte Ton, mit dem er Kritiker abkanzelt, erinnert an Oberlehrer aus dem vergangenen Jahrhundert. Ein Typ, der die Herzen der weiblichen Wählerschaft höher schlagen lässt, wird er wohl nicht mehr werden. Das sind seine Schwachpunkte. Als Oppositionsführer ist es zudem einfach, klare Kante zu zeigen. Doch im Westen regiert die Union in drei Bundesländern mit den Grünen. Im Osten muss sie jetzt mit dem BSW verhandeln, wenn sie die Brandmauer zur AfD aufrechterhalten will.

Und im Bund müsste sie wohl mit SPD oder den Grünen koalieren – vielleicht sogar mit beiden. Die politische Realität ist in Deutschland vielfältiger, als es Merz mit seinem Retro-Kurs wahrhaben will. Diese Realität könnte ihn einholen.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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18 Kommentare

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  • Moderation , Moderator

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. 

  • Nur Merz kann Merz noch stoppen! Das wird "Fritze" vermutlich auch noch gelingen…



    Die Frage ist, wer wird dann Kanzler?

  • Endlich jemand, der sich um die armen Shareholder kümmern wird und für mehr Kapitalfluss von unten nach oben sorgen wird. Und auch für billige Arbeitskräfte. Das mit der Zuzugbegrenzung ist reiner Populismus.

  • Merz wird bei den Wählern den Effekt auslösen, den Trump bei den moderaten Republikaner-Wählern hat: Sie verachten ihn, sehen ihn aber als das geringere Übel im Vergleich zu den Alternativen an.

  • Nur weil Merkel ihn eins abservierte und wir inzwischen lernen mussten, was Merkel alles an Problemen hinterlassen hat, heisst das nicht, daß Merz irgendwelche Erkenntnisse oder Rezepte hätte, diese und kommende Probleme zu lösen. Der Mann kann offenbar Parteiorganisation, wenn ihm niemand Mächtigeres dabei in die Parade fährt, aber mehr als ideologische Sprüche zu den wirtschaftlichen Problemen Deutschlands hab ich nicht wahrgenommen.



    Lasst den Mann im letzten Jahrtausend. Da gehört er hin.

  • „Bei Wüst hätte zumindest noch etwas Hoffnung bestanden, "



    Haha. Wüst bedeutet Liminski:



    de.wikipedia.org/w...Nathanael_Liminski

  • Es ist nur eine Frage der Zeit, wann Merz wieder einmal über seine eigenen Füße stolpern wird … nutzt nur leider nichts, denn die Ausgangslage 2025 ist eine ganz andere als 2021. Die Ampel hat sich als Reformprojekt gründlich entzaubert, die AfD sitzt der Demokratie derart im Nacken, dass man schon ihren heißen, stickenden Atem verspüren kann.



    Auf Gedeih und Verderb bleibt uns da nur die CDU und ihr Vorsitzender (jetzt Kanzlerkandidat), der jedoch immer wieder mit dem Arsch genau die Bollwerke gegen Rechts einreißt, die gerade eben noch errichtet wurden.



    Ansonsten: gute Reise in den Mief der 50er mit CDU und CSU!

  • "Ein Typ, der die Herzen der weiblichen Wählerschaft höher schlagen lässt, wird er wohl nicht mehr werden."

    Das ist das wichtigste...

  • Merz ist eine Chance für Scholz und eine handfeste Drohung für Normalmenschen. Eigentlich ist Merz mit seinem Leben durch, jetzt geht es nur noch um Glanz und Gloria. Gerade das könnte bei ihm dazu führen, dass er einen neoliberalen Extremkurs probiert oder probieren will. Diese Ideologie wertet selbst den eher kühlen und glanzlosen Scholz auf. Jedenfalls kann er jetzt kräftig gegenhalten. Auf der Strecke bleiben Migranten, Geflüchtete und schwache Menschen, Merz transformiert Deutschland. Das sind die Nebenwirkungen, selbst als Kandidat.

  • Was qualifiziert Merz zum Bundeskanzler außer seinem Ehrgeiz?



    Ich kann nichts finden was Deutschland helfen würde weiterzukommen, eher vieles um zurückzugehen in die Vergangenheit.

  • Hurra! Vorwärts in die Vergangenheit! Bei Wüst hätte zumindest noch etwas Hoffnung bestanden, alte Dogmen zu überwinden. Nun kommen die Typen wieder, die uns das hier eingebrockt haben:

    www.theguardian.co...nalogue-industries

  • Mit Herrn Merz geht es stramm zurück nach 1950, mit der AfD nach 1930, und nein, es gab nie eine Brandmauer nach rechts. Die Union und die AfD haben eine große Schnittmenge. Es eint sie der Hass auf alles, was nicht in ihr zigarettenschachtelgroßes Weltbild passt.

  • "In seiner Partei geben so schneidige Typen wie Jens Spahn, Thorsten Frei und Philipp Amthor den Ton an. Die CDU wirkt heute männlicher und konservativer,"

    Ist das eine Witz? Oder das Model, Herrenreiter auf Steckenpferd?

    Die CDU/CSU ist ein Hauptverantwortlicher für die katastrophale Situation und für ihr Fortbestehen.

    Das ist Politik, die schon in den 50 Jahren aus der Mottenkiste kam.



    Neu ist der neoliberale Mist und die Selbstbereicherung, siehe Spahn und Amthor.



    Merz ist die einzige Person, die von Merz überzeugt ist, das zeugt nicht von intellektüllem Tiefgang, sondern von Personalmangel.



    Selbst Scholz kann mit ihm fertig werden, das sagt etwas.

  • "Doch im Westen regiert die Union in drei Bundesländern mit den Grünen. (...) Und im Bund müsste sie wohl mit SPD oder den Grünen koalieren – vielleicht sogar mit beiden. Die politische Realität ist in Deutschland vielfältiger, als es Merz mit seinem Retro-Kurs wahrhaben will."



    Was denn für eine politische Vielfalt?



    Jede Partei blinkt seit Monaten nur noch rechts. Die AfD voraus und alle im Watschelgang hinterher - freilich dicht gefolgt von der CDU, aber SPD und Grüne sind da nicht weit dahinter. So viel zur politischen Vielfalt.



    Dann bleibt noch die DNA anderer Parteien in einer Koalition: die SPD beweist seit Ampelbeginn das sie komplett ohne Kompass und Kapitän unterwegs ist. Scholz, Esken, Kühnert einig orientierungslos und führungsschwach und die Grünen haben sich in Bund und Ländern die letzte Zeit auch nur damit hervorgetan Wahlen entweder komplett an die Wand zu fahren oder sich ganz tief zu bücken.



    Werte? Ideale? 😂🤷‍♂️



    Die Grünen sind aktuell die Wendehälse der Nation, von Seenotrettung zu Abschiebung nach Afghanistan und EU-Grenzkontrollen in knapp einem Jahr - das soll ihnen mal einer nachmachen.



    Merz kann ganz gelassen bleiben, rot und grün sind klinisch tot.

  • Hat den Kandidat Abschiebe-Merz eigentlich schon ein Journalist gefragt, ob er auch Frauen nach Afghanistan abschiebt? Es ist eine schöne "einfache" JaOderNein-Frage.



    Aber er wird rumeiern.



    Denn für ein klares Ja hat er nicht die bekannten E..r



    Und gegen ein klares Nein spricht der offensichtliche Widerspruch zu seinen Abschiebephantasien.

  • Klar kann Merz Merz noch stoppen. Hat bei Laschet auch geklappt. Wär natürlich gut, wenn's dafür keine Flutwelle mit anschließender Gedenkveranstaltung braucht, auf der er sich daneben benehmen kann.



    Vielleicht irgendwas mit Hitzewelle - und er fliegt zu Pizza-Essen nach Neapel...Oder so....;-))

  • Der Mann ist in den meisten politischen Fragen -insbesondere bei seinem Lieblingsthema "Wirtschaftspolitik"- im letzten Jahrtausend stecken geblieben.



    Glaubt jemand, Merz hätte US-Techkonzerne dazu bringen können, in Deutschland zu investieren -selbst wenn der Intel-Deal jetzt verschoben ist.



    Glaubt jemand, er hätte eine Lösung für Netzgebühren im Strommarkt? Oder, daß er Söder auf die Füße tritt, die Stromtrasssen in den Süden der Republik fertig zu kriegen. War er nicht Befürworter der Bahn-Privatisierung?



    Es ist keine Altersdiskriminierung, wenn ich sage: wir brauchen jemand Klügeren, jemand Jüngeren. Denn Merz war schon vor 15 Jahren zu gestrig.



    Und gegen die AfD hat er gar kein Rezept außer löchriger Brandmauer....

  • "... wenn sie die Brandmauer zur AfD aufrechterhalten will."

    Wer das glaubt... ich hätt' da eine Brücke zu verkaufen, günstig. Nein, nein, nicht die in Dresden.