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Landtagswahlen im OstenOstdeutsche Flüchtlingswelle

Sollte die AfD Landtagswahlen gewinnen, könnten Ostdeutsche in migrantische Großstadtviertel flüchten. Eine Belastungsprobe. Schaffen wir das?

Ihre No-go-Areas sind unsere Safe Spaces: Müllerstraße, Berlin-Wedding Foto: imago

N ichts wird mehr so sein, wie es ist, denke ich, als ich in mein saftig-öliges Schawarma-Sandwich beiße. Die große Flüchtlingswelle habe ich da schon vor Augen: hunderttausende nach Schweiß riechende Männer und Frauen mit verfilzten Haaren vor den Toren Westberlins, ihr komisches Deutsch unverständlich, die Gesichter ihrer blonden Kinder mit Rotz und Staub verschmiert. Ich sitze bei meinem arabischen Lieblingsimbiss im Wedding und denke über die anstehenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg nach.

Horrorvisionen: völlige Überforderung der Verwaltung; Kinder in den Schulen, die nicht einmal die Basics auf Türkisch und Arabisch beherrschen, und vor allem: Horden junger ostdeutscher Männer, die den ganzen Tag nichts anderes tun, als auf dem Leopold- und Nettelbeckplatz herumzulungern. Wer soll sich da noch sicher fühlen?

Das sind schlimme Vorstellungen. Zum Glück beruhigt mich das Treiben vor dem Imbiss ein bisschen. Menschen strömen mit vollen Tüten aus einem türkischen Supermarkt; auf der Terrasse eines Cafés verspeisen attraktive junge Frauen und Männer orientalische Süßspeisen; ein Auto steht mit eingeschalteten Warnblinklichtern auf der Fahrbahn – nur kurz was abholen!

Manchmal, gerade an heißen Sommertagen, weiß ich hier nicht, ob ich in Berlin oder doch in Ankara bin. Deshalb fühle ich mich hier so wohl. Hier ist das längst vollzogen, was die AfD auch in diesem Wahlkampf als Schreckensszenario bemüht: eine Multikulturalisierung der Gesellschaft, die niemand rückgängig machen kann. Ihre No-go-Areas sind unsere Safe Spaces. Soll ein Nazi doch mal hierherkommen und „Ausländer raus“ schreien!

Sie schicken Geld an Verwandte in Görlitz und Cottbus

Deshalb bedrückt mich der Gedanke an die Landtagswahlen im Osten nur bedingt – und wenn, dann weniger aus eigener Betroffenheit als aus einem humanistischen Mitgefühl für die Menschen vor Ort. Thüringen soll nicht wie NRW werden, sagte ein rechtsextremer Demagoge kürzlich und meinte damit auch den Wedding. Arme Thüringer, war mein erster Gedanke.

Andererseits, das wissen wir doch alle, leben wir in einer globalisierten Welt, in der alles mit allem zusammenhängt. Wenn jener Demagoge aus Thüringen sein Bundesland auch noch möglichst unattraktiv für Migranten machen möchte und es damit auch für alle anderen Menschen unerträglich macht, dann sollte das Menschen im Wedding und in Neukölln, in Mülheim und Kalk aufhorchen lassen.

Denn wenn der Demagoge, an die Macht gekommen, sein Land zugrunde gerichtet hat, dann werden auch viele derer, die ihn gewählt haben, bei uns Schutz suchen. Sofern der demografische Wandel sein Werk nicht längst vollendet hat.

Aber wir können doch nicht die ganze Welt bei uns aufnehmen, protestiert eine Stimme in mir, als ich mit dem Fladenbrot in den hervorragenden Humus dippe. Auch im Sinne dieser Flüchtlinge muss man doch unterscheiden zwischen denen, die wirklich Hilfe brauchen, und solchen, die nur in unsere Sozialsysteme einwandern, um dann Geld an ihre Verwandten in Görlitz, Sonneberg und Cottbus zu schicken, führt die Stimme weiter aus. Mittlerweile gestikuliere ich heftig mit einer eingelegten roten Rübe.

Der Gedanke an Sachleistungen, Bezahlkarten und Arbeitspflichten besänftigt mich schließlich wieder. Wir müssen ja nicht alles mit uns machen lassen. Außerdem: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!

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Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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31 Kommentare

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  • Der Gedanke an Sachleistungen, Bezahlkarten und Arbeitspflichten besänftigt mich schließlich wieder. Wir müssen ja nicht alles mit uns machen lassen. Außerdem: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!



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    DANKE Volker, für den herzhaften Lacher in eine oft traurigen Zeit!



    Aber, bei allem Wohlwollen den armen Ostelbier gegenüber.



    Wir müssen ganz stark sein, uns sehr anstrengen, wenn wir 17 Mio. na ja vielleicht etwas weniger, alte & orientierungslose Junge hier aufnehmen müssen!



    Integartion vermitteln von Werten, bis zu Einbürgerung, kosten, viel Arbeit, auch Geld, doch.....,



    .



    .... du sprichst es ja offen aus:



    "Wir schaffen das! (c) Volksmund aus dem "fernen" Osten, weibl. trad! :-)

  • Sehr netter Gedanke. Der einzige Unterschied: wenn man die abschieben würde, würde die deutsche Wirtschaft nicht zusammenbrechen. Würde man den "Ausländer raus" Parolen der Rechten (AfD, CDSU et. al.) folgen, wäre Schluss mit lustig in Deutschland.

  • "Kinder in den Schulen, die nicht einmal die Basics auf Türkisch und Arabisch beherrschen, und vor allem"

    Die Gefahr, dass ostdeutsche Eltern ihre Kinder auf Berliner Innenstadtschulen schicken besteht nicht, das tun ja nicht einmal die biodeutschen Grünenwähler.

  • "Manchmal, gerade an heißen Sommertagen, weiß ich hier nicht, ob ich in Berlin oder doch in Ankara bin".

    Nur das die Menschen in Ankara weniger Erdogan wählen. :-)

  • "... könnten Ostdeutsche in migrantische Großstadtviertel flüchten."

    Wohl kaum.

    Die Nr. 1 unter den Bundesländern in punkto rechtsextremer Gewalt ist immer noch mit großem Abstand Berlin. de.statista.com/st...ch-bundeslaendern/

    Das wird sich ach nicht durch Wahlerfolge der AfD bei den folgenden Wahlen ändern.

    • @Rudolf Fissner:

      "... könnten Ostdeutsche in migrantische Großstadtviertel flüchten."



      Also ich denke schon, diejenigen die aus Ostdeutschland geflüchtet sein werden sind ja dann auch Migranten.

    • @Rudolf Fissner:

      Ich kann die Statistik leider nicht öffnen, aber: ist sie pro Kopf gerechnet? Also pro Kopf MigrantIn? Denn ich Berlin wohnen deutlich mehr MigrantInnen als in Dresden oder so. Dass es keine Gewalt gegen MigrantInnen gibt, wo es keine MigrantInnen gibt, ist nicht verwunderlich.

  • Ich bin auch froh, dass ich ein Berliner bin. Ohne Männerüberschuss, weil den Frauen das Rechte zu blöd ist. Mit allen Farben, auch in den Haaren. Aber auf dem Land ist man etwas einsamer und muss sich mehr anpassen.

    • @A.S.:

      Nun hat aber gerade Berlin Einsamkeit als großes Problem ausgemacht.

      Ich teile den Eindruck, dass es in Berlin deutlich einsamer ist als auf dem Land.

      Ein Verhalten, das auf dem Dorf als sozialadäquat gilt, wirkt in Berlin oft skurril bis übergriffig.

  • Erstmal ganz witzig, die Idee.

    Nicht ganz so witzig wird die Lage allerdings für die in Brandenburg, Sachsen und Thüringen lebenden Migranten sein.

    Und wahrscheinlich dürfte es denen auch nicht so leicht fallen, sich im Westen in Sicherheit zu bringen.

    So sehr man es ihnen wünscht.

  • Lachen, damit einem die AFD nicht im Halse stecken bleibt, Danke. Trotzdem bleibt es zutiefst frustrierend, wie dort eine ethnisch homogene Gesellschaft angestrebt wird. Ich bin versucht zu sagen, ey, "Macht Euren Scheiss alleine", so wie ich aus der westdeutschen Provinz in den 90zigern abgehauen bin, weil mir die "braune Restsosse" damals auf den Zeiger gegangen ist. Was ist aber mit denen, die dort nicht weg können oder wollen und Zielscheibe der Rechten sind? Siehe CSD Bautzen etc. Tja. Da könnte man jetzt Durchhalteparolen posten aber davon kann sich auch keiner was kaufen.... Da hilft wahrscheinlich nur der alte Antifa Spruch "schlagt die Nazis wo Ihr sie trefft" (auch in der bürgerlichen Wohlfühlblase)

  • So einfach geht das aber nicht. Sollte Brandenburg nicht im blau-braunen Sumpf versinken, müssen ostdeutsche Flüchtlinge aus Thüringen und Sachsen, wenn sie auf dem Landweg kommen in Brandenburg und nicht Berlin ihren Asylantrag stellen.

  • Das bleibt abzuwarten - es könnte auch anders herum kommen.



    Bürger anderer Bundesländer könnten gezielt nach Sachsen oder Thüringen abwandern.



    In den USA ist dies beispielsweise durch eine Abwanderung in überwiegend republikanisch dominierte Staaten wie Florida und Texas passiert.

  • was die AfD auch in diesem Wahlkampf als Schreckensszenario bemüht: eine Multikulturalisierung der Gesellschaft....war das Wort nicht Umvolkung?

  • Locker eine Million Ostdeutsche wurde im Westen Deutschland integriert. Also Zuversicht.

    Die Adis würden tatsächlich das machen, was Einwanderung kleinhält: das eigene Land kaputt, nämlich.



    Niemand will nach Russland, Nordkorea oder Südsudan einwandern.

    • @Janix:

      Nach Berlin-Wedding will aber auch niemand.

  • Der Osten wird unter afd Führung erstmals seit 30 Jahren schwächeln, bin auf die Reaktion der Wähler gespannt.

    • @Tino Winkler:

      ????

      Der Osten soll seit 1994 nicht schwächeln?

      Welchen Osten meinen Sie?

  • Nein wie gemein. Einfach das Alternative Wort beim Selbigen zu nehmen und fairdreht wieder zu Papier bringen. Das gefällt ;-)

  • :) danke - schlimme Vorstellung, wenn in mein buntes Rhein Main Gebiet auf einmal AFD Wähler aus dem Osten einfallen, weil es dort nichts mehr gibt wogegen man sein könnte. Wie soll der AFD Wähler Fremdenhass aufbauen ohne einen Fremden mal zu Gesicht zu bekommen? Nie wieder Döner und immer nur Bockwurst? Ist das Folter oder Volkes Wille? Und muss der Programmierer aus Indien gegen den Jürgen mit dem Pissefleck im Schritt vom Bahnhofsvorplatz ersetzt werden? Die schaffen das!

    • @Narrenfell:

      Was die Einwanderung in besagtes Rhein Main Gebiet betrifft...es wird "Wohlfühlinseln für AFD Gewöhnte geben, auch das bunte Niederungsgebiet der Flussläufe schillert bisweilen recht bräunlich an einigen Stellen...konnte ich mich als Ossi vor paar Wochen selbst überzeugen. Und ich mit meinei brandenburgischen sächsischen Grenzgebietsozialisation habe dafür ein sehr sehr feines Näschen....

      • @Andreas Horn:

        Danke für Ihren Beitrag.

    • @Narrenfell:

      Also in Hessen kam die AfD auch auf 20%. Da scheint es also schon reichlich AfD Wähler zu geben ;)

      • @sneaker:

        Sind alles Ossis, Wirtschaftsflüchtlinge, die nach der Wende in den goldenen Westen sind. Hessen ist doch unter der Koch/Homann CDU immer liberal und weltoffen gewesen.

    • @Narrenfell:

      Sauerkraut, nicht Bockwurst

      de.seeandso.com/po...ner-ernsthaft-1109

      Demnächst gibt also in allen Buden bei Festen (wenns nach der AfD geht) nur noch Eisbein mit Sauerkraut. Oder vielleicht nur Sauerkraut?



      Das könnte - gerade bei großen Festivitäten - Begeisterungsstürme bei der Zielgruppe auslösen.

      • @Kaboom:

        Nee Thüringer Bratwurst und die ist nun sehr lecker. Sauerkraut ist übrigens sehr gesund.

  • Würden alle Migranten im Osten abhauen dann ginge es in den neuen Bundesländern den Bach runter weil Arbeitskräfte fehlen und Firmen abwandern würden. Währe vielleicht nicht das Schlechteste. Vernagelte werden nur aus Schaden klug.

    • @Andreas J:

      So ein Unfug. In Thüringen beträgt die Quote von Migranten 8.3 Prozent der Bevölkerung (de.statista.com/st...20H%C3%B6chstwert).

      Selbst wenn die alle von heute auf morgen das Land verlassen, geht die Welt nicht unter. In den übrigen Ostdeutschen Bundesländern sieht es ähnlich aus.

      • @Kriebs:

        Wo ist das Unfug? Migranten sind meistens jung, belastbar und stehen den Arbeitsmarkt zur Verfügung, während die Bevölkerung in Ostdeutschland, stärker als im Westen, zunehmend überaltert. In den ersten Jahrzehnten nach der Wiedervereinigung sind auch viele jüngere abgehauen. Es gibt ein zunehmendes demografisches Problem in den neuen Bundesländern und ihre politische Entwicklung hilft da ganz bestimmt nicht. Wer kein Bock auf Rechte hat wird dort nicht hinziehen.

  • Die Leue werden schon kommen, aber eher so jung, gebildet, Radfahrer, links usw Vielleicht steigen dann die Mieten noch weiter. Und natürlich wird es immer schwieriger Lehrer, Ärzte, höhere Verwaltung soziale Berufe etc im Osten zu besetzen. Die Chance für alle die sonst keine Stelle bekommen😀

  • Die Leue werden schon kommen, aber eher so jung, gebildet, Radfahrer, links usw Vielleicht steigen dann die Mieten noch weiter. Und natürlich wird es immer schwieriger Lehrer, Ärzte, höhere Verwaltung soziale Berufe etc im Osten zu besetzen. Die Chance für alle die sonst keine Stelle bekommen😀