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Rechtsextremismus in ThüringenVon roten zu braunen Hochburgen

Vor 95 Jahren feierte die NSDAP erste relevante Wahlerfolge bei der Landtagswahl in Thüringen. Heute ist dort der Zuspruch zur Rechten erneut stark.

Adolf Hitler beim Propagandamarsch durch die Straßen Weimars während des ersten Reichsparteitages der NSDAP 1926 Foto: ullstein bild

Die Weimarer Republik gilt als eine krisengeschüttelte, politisch umkämpfte Episode, an deren Ende die Schreckensherrschaft der Nazis steht. Vielerorts wandten sich die Menschen über die 14 Jahre, die die erste deutsche Demokratie bestand, den extremen Rechten zu. Doch was sich in Thüringen abspielte, sticht ins Auge.

Eigentlich startete das kleine Land zwischen Wartburg und Vogtland als linke Musterregion in die 1920er Jahre. Hier befanden sich Zentren der Arbeiterbewegung mit einer langen roten Wahlkontinuität. Eine regierende SPD sorgte für eine bis dato beispiellose Kulturpolitik; erstmals in Deutschland wurde hier etwa die Prügelstrafe in Schulen verboten. 1923 kam es sogar zu einer rot-roten Landeskoalition mit der KPD – eine Rarität!

Ab dem Jahr darauf wandelte sich jedoch die politische Landschaft. Konservative Parteien errangen die Oberhand und die noch kleine NSDAP wurde durch rechtsbürgerliche Regierungen geradezu hofiert, um sich ihre Unterstützung im Landtag zu sichern. Während sie in anderen Teilen Deutschlands noch lange eine unbedeutende Splittergruppe blieb, wurde sie hier immer größer. Bei den Landtagswahlen 1929 erhielt die Thüringer NSDAP schließlich über 11 Prozent – genug, um eine Koalition mit rechtsnationalen Parteien einzugehen und erstmals in ihrer Geschichte einen Minister zu stellen.

1932, am Vorabend der Machtergreifung, bekam sie hier gut 43 Prozent. Das Besondere am Zulauf der Thüringer NSDAP war, dass nicht nur ihre mittelständische Stammklientel hinter ihr stand, sondern sich auch erstmals in vielen ehemals linken Arbeitermilieus das Stimmungsbild wandelte. Während das linke Lager in Ostthüringen noch recht stabil blieb, wurden vor allem im Süden und Westen des Landes viele rote zu braunen Hochburgen.

Heimarbeit in der Spielzeugbranche

Besonders bei sogenannten Heim­ar­bei­te­r:in­nen konnte die NS-Bewegung punkten. Ar­bei­te­r:in war eben nicht gleich Arbeiter:in. Anders als bei der klassischen Industriearbeit in Fabriken, die vor allem in Ostthüringen die Norm darstellte, waren etwa in der Spielzeugbranche Südthüringens die meisten in Heimarbeit beschäftigt.

Hier produzierte man auch für eine Firma, jedoch in den eigenen vier Wänden. Statt am Feierabend mit den Kol­le­g:in­nen ein Bier zu trinken, hatte man die Familie um sich, die in der Regel mitarbeiten musste. Dies hatte auch eine politische Komponente: Statt sich als ein Proletariat mit gemeinsamen Zielen zu begreifen, war die Einzelkämpfermentalität in Heimarbeiterkreisen weit verbreitet.

Viele sahen sich noch als selbständige Handwerker:innen, ganz so als hätte nie eine Industrialisierung stattgefunden. Bürgerliche Normen waren hier weit verbreitet, ebenso die Bindung zur Kirche. Auch gewerkschaftlich organisierten sich hier die wenigsten, wohingegen es in Ostthüringer Städten wie Gera quasi zum guten Ton gehörte.

Paradoxerweise erwiesen sich gerade die Verhältnisse der Heimarbeit katastrophaler als woanders. Tägliche Arbeitszeiten von 14 Stunden für einen Hungerlohn waren keine Seltenheit. Eine gefährliche Kombination: Die miserable wirtschaftliche Lage gepaart mit einer bürgerlichen Identität und der Ablehnung der Arbeiterbewegung führte zu einem Protestwahlverhalten, von dem die NSDAP profitierte.

Die propagierte ein Image, was die Geschichtsforschung später veranlasste, von der „ersten deutschen Volkspartei“ zu sprechen. Ihr Arbeiterbegriff umschloss alle, die irgendwie arbeiteten, egal ob am Fließband, im Büro oder auf dem Acker, egal ob selbständig oder beschäftigt.

Bewusste Ansprache der Arbeiterschaft

Man konnte diese „Arbeiterpartei“ mit gutem Gewissen wählen, ohne sich zum dreckigen Klischee des Proletariats zählen zu müssen. Gleichzeitig sprach man die Arbeiterschaft bewusst an, spielte mit Begriffen wie „Sozialismus“ und brach teilweise in rote Milieus ein. So war es letztlich nicht nur die Heimarbeiterschaft, die zu Hitler kam, sondern auch viele Industriebeschäftigte.

Um in Arbeitermilieus einzudringen, egal ob sie Fabrik- oder Heimarbeit ausübten, musste die NS-Bewegung jedoch auf mehr als nur die bürgerlichen Tendenzen ihres Wahlvolks setzen. Über Einzelpersonen schufen sich die Nationalsozialisten kleine Bastionen in Arbeitermilieus; Ausgangspunkte, von denen weitere überzeugt werden sollten.

Das war umso wichtiger, da die Partei einen „Mittelstandsbauch“ besaß; Selbstständige und Beamte waren überrepräsentiert. Agitationsversuche konnten praktisch nur scheitern, wenn etwa gut bezahlte Bankangestellte ihren „Volksgenossen“ an der Werkbank von der arbeiterfreundlichen NSDAP erzählten. In gezielten Gesprächen wurde daher versucht, sogenannte Milieuöffner in der Arbeiterschaft für die eigene Sache zu gewinnen.

Überläufer als Vorbilder

Aber auch Aufsätze in NS-Zeitungen eigneten sich hervorragend, indem man Vorbilder schuf: Entweder schrieb man über einen Überläufer oder bestenfalls berichtete die Person selbst – oft noch verifiziert mit Klarnamen und Adresse, was für die damalige Pressepraxis nicht ungewöhnlich war.

Als Motiv, das Lager zu wechseln, gab man meist die Enttäuschung über eine korrupte oder zu lasche Arbeiterbewegung an. Tatsächlich finden sich in der Thüringer NSDAP einige Beispiele von Überläufern.

In Steinach bei Sonneberg trat ein Glasarbeiter nach dem Streit mit dem Vorsitzenden aus seiner Gewerkschaft aus und wurde führendes Mitglied der NSBO vor Ort, einer Art Nazi-Gewerkschaft. Im ehemals roten Waltershausen schaffte es die Hitlerbewegung den örtlichen Antifaführer sowie einen Betriebsratsvorsitzenden zum Übertritt zu bewegen – viele an der Basis folgten. Und ein ehemaliger Gewerkschafter aus Greiz tourte nach seinem politischen Wandel durch Thüringen und konnte neue Ar­bei­te­r:in­nen rekrutieren. Die Strategie, alle Schichten, gerade auch die Arbeiterschaft, anzusprechen, war zweifelsfrei von Erfolg gekrönt.

Parallelen zu 1920er Jahren

Die heutige Situation in Thüringen ist selbstverständlich eine grundsätzlich andere. Statt auf den Ersten Weltkrieg, Inflation und Wirtschaftskrise blicken die Menschen in Thüringen heute auf 40 Jahre DDR und eine in vielen Punkten schiefgelaufene Wiedervereinigung zurück. Doch wenn heute, 100 Jahre später, immer wieder Parallelen gezogen werden zu den krisenhaften 1920er Jahren, in denen die Nationalsozialisten das Fundament für ihre zwölf Jahre währende Schreckensherrschaft legen konnten, lohnt es sich, genauer hinzugucken.

Laut aktuellen Umfragen könnte die AfD in Thüringen stärkste Kraft werden. Gezielt im Sinne einer Volkspartei versucht sie, alle Schichten anzusprechen, von der Oberschicht bis zur Industriearbeiterschaft. Letztere sind seit Jahren im Fokus der Thüringer AfD.

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Nach 1. Mai-Kundgebungen mit dem Motto „Sozial ohne rot zu werden“ versuchte Fraktionsvorsitzender Björn Höcke 2018 auch eine Streikversammlung im Eisenacher Opel-Werk zu infiltrieren. Inzwischen geht man davon aus, dass etwa ein Drittel der Belegschaft dort die AfD wählt.

Die politische Rechte profitiert auch von einem Vertrauensverlust in die etablierten Parteien. Zwar sind die kurzlebigen Regierungen der Weimarer Republik, eingebettet in ein polarisiertes Vielparteiensystem, schwerlich mit Groko-Überdruss und Ampelfrust der letzten Jahre vergleichbar.

Unzufriedene suchen nach Alternativen

Das gilt ebenso für die massiven wirtschaftlichen und sozialpolitischen Probleme, die die Weimarer Regierung zu lösen hatte. Doch damals wie heute gilt: Wer unzufrieden ist mit der eigenen wirtschaftlichen Situation, macht sich auf die Suche nach Alternativen – auch wenn sich diese in manchen Fällen als menschenverachtend darstellen. Heute trägt die AfD diesen Anspruch sogar im Parteinamen.

Auch die besondere Rolle von Einzelpersonen lohnt es sich damals wie heute in den Blick zu nehmen. Viele Dinge, die vor zehn Jahren als unsagbar galten, sind in vielen Städten heute Alltagsgespräch aufgrund des Einsatzes Einzelner, die die Gesprächskultur in Straßenbahnen, auf Arbeit und an Stammtischen prägen. Björn Höcke sprach bei einem auf Youtube veröffentlichten Bürgerdialog Anfang 2024 davon, dass ein kleiner Thüringer Ort AfD-Werte von über 50 Prozent erreichte, weil eine einzelne Person dort regelmäßig Infomaterial verteile.

Dieses Rezept stellt kein Privileg der politischen Rechten dar. Auch auf linker, bzw. demokratischer Seite kann der Einsatz im persönlichen Umfeld helfen, den öffentlichen Raum zurückzuerobern und rechter Hetze Paroli zu bieten. Auch das funktionierte damals vielerorts so wie heute – und sollte uns Mut machen.

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49 Kommentare

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  • Moderation , Moderator
    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.                   Die Moderation  
  • Entgegen der landläufigen Meinung wiederholt sich Geschichte immer wieder. Deswegen wird 2033 die AfD hier in diesem unserem Lande von den Deutschen an die Macht gebracht.

  • Wir im Westen sollten alle noch demokratisch gesinnte, gebildete und noch mobile Ostler motivieren, zu uns rüberzumachen. Das wird zu noch weiter blühenden Landschaften im Westen führen und im Osten würde dann ein Reservat für AfDler entstehen, wo sie sich in ihrem braunen Sumpf gegenseitig anmeckern, anbrüllen und bei jedem Problem nach Mama und Papa rufen können.

    • @K2BBQ:

      Sie Schelm unter den Demokraten.

    • @K2BBQ:

      Viel wichtiger ist IMHO, dass wir den antifaschistischen Schutzwall wieder aufbauen.

      • @Kaboom:

        Correctiv-Mitarbeiter Bensmann hatte dazu folgende Gedanken auf X geäußert:"»Dann sollten wir lieber über eine Trennung nachdenken. Es kann nicht sein, dass eine Mehrheit der ehemaligen DDR-Bürger, die nur 1/6 der Gesamtbevölkerung stellen, mit der Westbindung das Erfolgsmodell der Bundesrepublik zerstören. Die Tschechoslowakei hat es vorgemacht.«"

  • Das sind keine neuen Erkenntnisse der vorhandenen rechten Ideologie innerhalb unserer Gesellschaft, ich kann jedem diese Studie in dem nächsten Absatz ans Herz legen. Für diejenigen die wirklich sehen wollen, wie es um unsere Demokratie bestellt ist. Wir fahren wieder bereits mit hohem Tempo auf die schon einmal erlebte Klippe zu, die meisten Menschen sind nicht in der Lage dazu zu lernen mangels Bildung, weil sie wieder glauben davon nicht betroffen zu sein. Für diese törichte Einstellung werden wir wieder einen hohen Preis bezahlen müssen.

    "Die geforderte Mitte.



    Rechtsextreme und demokratiegefährdende Einstellungen in Deutschland 2020/21



    Hg. für die Friedrich-Ebert-Stiftung v. Franziska Schröter

    Die Studie kann man als PDF kostenlos downloaden! Es sind 375 Seiten, die einen regelrecht vor Entsetzen erschaudern lassen. Wehret den Anfängen war gestern, wir sind heute wieder zurück zum Anfang, die Geschichte mit seinen fatalen folgen wird sich wiederholen.

    • @taz.manien:

      Das ist doch nicht erst seit AfD Tagen so, der Neoliberalismus läuft seit Mitte der 70er auf Hochtouren!

    • @taz.manien:

      Wohl kaum. Das Deutschland der Gegenwart ist weder außen- noch innenpolitisch auch nur ansatzweise mit dem von 1933 vergleichbar.

    • @taz.manien:

      Nein wird es nicht. Auch ein Deutschland unter der AfD wäre ein Rentnerstaat.

      Für die Etablierung eines Polizei- und Militärstaats wäre die AfD auf die Zuwanderung ausländischer Männer angewiesen.

      • @Chris McZott:

        Mangels einer sinnvoll koordinierten Asyl- und Einwanderungs- sowie Integrationspolitik inklusive der entsprechenden Ressourcen, seit Jahrzehnten nicht und derzeit mir von keiner Partei bekannt, reichen dafür ein paar wenige Fehlgeleitete und genügend Hetzer, die nicht als solche benannt werden.



        Beispiel für fehlgeleitete Politik:



        Stadt, NRW, Ruhrgebiet, ca.63.000 Einwohner, davon ca.11.000 in meinem Stadtviertel, davon ca. 2.100 mit Migrationshintergrund. Nach 23 Uhr nur spärlicher ÖPNV. Es gibt keine Polizeiwache, die Polizei kommt nach Anruf. Ergebnis: nächtliche Ruhestörung durch Autorowdys, Sprengung eines Geldautomaten in einer Kassenfiliale usw.



        AFD-Wähler 16,7 %

        • @2Cents more :

          Wenn in Sachen Rechtsruck eine übertriebene Fixierung auf ehemaliges DDR Hoheitsgebiet ansprechen, bin ich absolut d'accord.



          In unserem Wahlbezirk (links-niederrheinischen Dorf mit etwa 8500 Einwohnern) waren es bei der letzten Europawahl fast 25%.



          Da kann man nicht nur, da muss man vor der eigenen Haustür fegen.

  • Es braucht nur eine Bundesregierung, die die Einwanderungs- und Asylpolitik der dänischen Sozialdemokraten übernimmt und die AfD ist Geschichte.

    • @Goodfella:

      Genau. Wir müssen einfach noch mal 30-40 Jahre komplett ignorieren, was eine radikaldemokratische internationalistische Linke schon damals wusste und analysierte. Und in Widerstand sogar versuchte.



      Kurzum also überhaupt kein Geschichtsbewusstsein, überhaupt keine Analyse und überhaupt keinen Begriff von der im Grunde zwingend logischen, historisch ökonomischen Entwicklung des Spätkapitalismus haben.



      Und dann klappt das schon. Wenn man die rechtsdriftend retardierende Politik der "Sozialdemokraten Dänemarks" übernimmt. Die sich in Wahrheit ja nur Dorf-Kommunalpolitisch von der unterscheidet, die die deutsche Sozialdemokratie verfolgt. B90 /Grüne ja im Grunde auch. Nur haben die noch son bisschen moralisch-bürgerliche bedenken dabei, dass die ungebrochene Zeitenwende bereits vor mehr als 30 Jahren, selbstverständlich in die Eskalation des Imperialismus, des Krieges nach innen und Aussen in und durch die Metropolen führen muss. Weshalb sie für diese Verlogenheit hellsichtig von der radikalen Rechten und dem rechten Bürgertum gehasst wird.

    • @Goodfella:

      Nein, das System der Spalter und Hetzer braucht immer ein neues Objekt, sollte das alte abgeräumt sein. Merken die meisten aber erst, wenn sie betroffen sind. Die haben auch die suggerierten (einfachen) Lösungen nicht, aber ganz schnell neue Schuldige.



      Da unterscheiden sich Neokapitalisten, Neoliberale, AFD, Putin, Trump, Brexiteers und ähnliche nicht im Geringsten.

    • @Goodfella:

      Glaub ich nicht. Würden die Flüchtlinge als Hassobjekt ausfallen, sucht sich die AfD eine andere Gruppe, die sie hassen kann. Gemäß den Beiträgen in der AfD-Fanbase aka "WELT" düften das die Grünen sein.



      Aber vielleicht auch Ausländer, Juden oder eine beliebige andere Bevölkerungsgruppe.



      Im Übrigen seh ich den Benefit nicht, ob die AfD AfD-Politik macht, oder eine andere Partei

    • @Goodfella:

      Das ist ein Trugschluss. Man bekämpft Faschisten nicht mit deren eigener Politik.



      Was es braucht, sind Investitionen in öffentliche Daseinsfürsorge, Infrastruktur, Strukturwandel und Schulen.

    • @Goodfella:

      Das Märchen vom Erfolg der dänischen Asylpolitik wird ja seit einiger Zeit von vielen verkauft. Offenbar haben 100% dieser Leute die Geschichte nicht überprüft (was irgendwie typisch ist, in einer Zeit, wo alles, was in den sozialen Medien kursiert, mit geradezu kindlicher Naivität "gekauft" wird).



      Dänemark hatte - abgesehen von Peaks 2002 und 2015 in aller Regel Asylbewerber-Zahlen von um die 5000 p.a. Die Politik der Braunen in Dänemark, die sich putzigerweise Sozialdemokraten nennen, hat die Zahlen ein klein wenig gesenkt.

      www.laenderdaten.i...k/fluechtlinge.php

      Es geht also real um reine Schikane.



      Erzähl mir niemand, dass 5 Mio Leute in einem reichen Land wie Dänemark nicht mit 3k oder 5k oder auch 7k Asylbewerbern klarkommen können.

      • @Kaboom:

        Die Politik der dänischen Regierung verlagert das Problem zu den europäischen Nachbarn. Es ist eben nicht weit her mit der Solidarität, sobald es ans Eingemachte, sprich, an die Selbstverteidigung geht. Das ist nicht nett, aber menschlich, nicht unmenschlich.

      • @Kaboom:

        deutschland hat 16,2 mal mehr einwohner als dänemark.



        asylbewerber im april 2024, in dänemark 185, in deutschland im april 17500. die dänischen zahlen x 16,2 um sie mit der einwohnerzahl von deutschland zu vergleichen. 185x16,2=2997 vs 17500. deutschland scheint also 5,83 mal so attraktiv im vergleich zu dänemark zu sein.

        • @alterverwalter:

          Dänemark hatte schon 2007 ähnliche Zahlen wie heute (siehe meinen Link oben). Vermutlich, weil die meisten Flüchtlinge keinen Grund sehen, durch Deutschland zu reisen, um dann in Dänemark um Asyl nachzusuchen.



          Die Verschärfung der Gesetzgebung ist also schlicht eine Showveranstaltung. Der Zweck dürfte klar sein.

      • @Kaboom:

        Vielleicht wollen sie einfach nicht mit irgendetwas "klarkommen".

        • @Tom Tailor:

          Es steht Dänemark selbstverständlich frei, das ganze Land zu einer "national befreiten Zone" zu machen. Aber man darf das dann - ebenso selbstverständlich - als das bezeichnen, was es ist: rechtsradikale Politik nämlich.

          • @Kaboom:

            Klar darf man das. Am Ende müssen sich nur die Dänen mit ihrer Regierung und deren Politik arrangieren. Wenn für sie passt, dann passt es halt.

            • @Tom Tailor:

              Selbstredend. Die Dänen dürfen wählen, was die wollen, und ich darf eine Meinung dazu haben. UND ich darf meinen Urlaubsort frei wählen.

  • Sehr interessanter Hintergrund. Was damals der 'Heimarbeiter' war ist heute vllt der Scheinselbständige oder 'freie' Mittarbeiter, oder 'Leiharbeiter', Leute also, die zwischen die Stühle fallen und damit keine millieuspezifische Representation durch Gewerkschaften, Personalräte oder andere Vertreter erfahren. So wie eben auch viele Selbständige. Das ist eine Lücke, die die SPD oder die Grünen besser abdecken muß, schono alleine auch um sie nicht der FDP oder gar schlimmeren Parteien zu überlassen.

    • @Grauton:

      Das Problem ist doch, dass diese ganzen "Freelancer" und wie sich sich auch nennen, kaum Interesse haben sich gewerkschaftlich zu orgsnisieren. So lange es gut läuft wird ja auch alles in den sog. sozialen Medien breitgetreten, wenn nicht eher Funkstille.

      • @Axel Schäfer:

        Dazu mal mein Senf als inzwischen seit etlichen Jahren Selbständiger: Ich habe schon als Angestellter und Gewerkschaftsmitglied recht deutlich zu spüren bekommen, dass ich zu einer "Randgruppe" in meiner Branche gehöre, für die man sich in den Betriebsräten nicht und ansonsten eher alibihaft "engagiert". Als Selbständiger habe ich jetzt auf keinen Fall schlechtere Arbeitsbedingungen. Nachdem ich jetzt aber Dienstleistungsverträge statt einem Arbeitsvertrag habe, bin ich der Gewerkschaft im allgemeinen ziemlich egal und für die Betriebsräte gehöre ich pauschal zum Feindbild derjenigen, die die Arbeitsplätze von Festangestellten gefährden...

        Warum sollte ich da noch Mitgliedsbeiträge bezahlen oder mich gar engagieren?

  • Wenn’s gerade in Thüringen post WK II hieß:



    “Bei den Kotzis - sind weniger umgekommen -



    Als bei den Nazis!“



    Galt davor doch - wie der Beitrag ja auch fein beschreibt:



    “Na - die sinn doch schon hinter der roten Fahne herjeloofen! Newahr



    Als noch keen Hakenkreuz druff war!“



    & im around scheint‘s ungern genommen:



    “Rotlackierte Faschisten!“ Kurt Schumacher



    Damit lag er keineswegs falsch! Woll



    Nö. Normal Nich •

    kurz - Onkel Herbert Wehner



    Hat ja mal (damals abstrakt) sehr passend die Folgen einer Wiedervereinigung beschrieben ~ Wie beim Verschieben der Grabplatte über einer Gruft der Moder und Muff aufsteigt - wird sein ein Heulen und Zähneklappern! o. s. ä.

    Na Mahlzeit - zu sojet Parameter



    Und - taz-Buddy Wolfgang die Briefumschläge Schäubles:



    Einigungsvertrag & Treuhand •



    Otto - laß gehn - Otto Reutter: Ick wundere mir über jarnischt mehr



    www.youtube.com/wa...NjaHQgbWVocg%3D%3D

  • Wenn es eine Parallele zwischen den 1920er und 2020er Jahren gibt, dann eine Linke (inkl. SPD) die ihr Kernklientel vergisst bzw. vernachlässigt.

    Vertrat die linke Seite in den 1920er Jahren ausschließlich die gewerkschaftlich verfasste Industriearbeiterschaft und vergaß die anderen Arbeiter. So hat sich die Linke heute komplett auf "marginalisierte Gruppen" und Orchideenthemen versteift, während die SPD von der Partei der Arbeiter zur Partei der Arbeitslosen geworden ist.

    Damals wie heute stoßen die Faschisten in die offene Lücke.

    • @Kriebs:

      Das Soziale hat die SPD nicht vergessen, nur ist sie nicht mehr die Partei der Aufstiegschancen für Arbeitende.



      Zudem hat sie sich bei Hartz 1-4, da sie auf die Zustimmung des CDU/CSU dominierten Bundesrats angewiesen war, derart von eigentlichen Zielen entfernt, dass daraus Repressionsgesetze und ein dauerhafter Niedriglohnsektor entstanden. Ähnliches bei der "sogenannten" Rentenreform.



      Ähnliches jetzt beim Bürgergeld, wobei die schimpfenden gern vergessen, dass es sie schneller treffen kann als sie denken, wenn unerwartetes in ihr Leben tritt.



      Alles Dinge, die die SPD bis 1985 nicht gemacht hätte, danach träumten viele der Spitzen von den Töpfen der Macht und marschierten vermeintlich in die Mitte.



      Nicht die CDU/CSU ist nach Links marschiert, sondern die SPD nach Rechts.



      Die CDU unter Merkel hat mit Mindestlohn, gleichgeschlechtlicher Ehe, Atomausstieg, Naturschutz usw. nur Themen abgeräumt, die ihre Wiederwahl gefährdet hätte.

    • @Kriebs:

      Wenn es eine Parallele zwischen den 1920er und 2020er Jahren gibt, dann eine Linke (inkl. SPD) die ihr Kernklientel vergisst bzw. vernachlässigt.

      Sorry, aber IMHO völliger Unsinn, Ihre Behauptung. Der Mindestlohn und seine Erhöhung wurde von den Sozen durchgesetzt. Die Bürgergeld-Erhöhung ebenfalls.



      Profitiert hat davon GERADE der Osten.



      Aber vermutlich verzichten die AfD-Wähler nach den Wahlen im Osten darauf, wenn sie das so sch****** finden. Schließlich war die AfD gegen den Mindestlohn, und die Erhöhung des Bürgergeldes.

      Und bezüglich der Linken wiederholen Sie den hanebüchenen Unsinn, der von Sahra Wagenknecht verbreitet wird.

      • @Kaboom:

        "Wenn es eine Parallele zwischen den 1920er und 2020er Jahren gibt, dann eine Linke (inkl. SPD) die ihr Kernklientel vergisst bzw. vernachlässigt



        Sorry, aber IMHO völliger Unsinn, Ihre Behauptung. Der Mindestlohn und seine Erhöhung wurde von den Sozen durchgesetzt. Die Bürgergeld-Erhöhung ebenfalls."

        Da machen Sie den gleichen Denkfehler wie die SPD. Der "normale" Arbeiter - und der Facharbeiter erst recht - haben für sich immer noch den Anspruch, weder von Mindestlohn noch von Bürgergeld betroffen zu sein.

        • @FriedrichHecker:

          "Der 'normale' Arbeiter - und der Facharbeiter erst recht - haben für sich immer noch den Anspruch, weder von Mindestlohn noch von Bürgergeld betroffen zu sein."

          GERADE im Osten haben immense Teile der Arbeitnehmer vom Mindestlohn profitiert.



          Und der Rest des Lohngefüges geht die Politik nichts an. Das wird zwischen den Tarifparteien vereinbart. Und da hat die SPD noch nie drin "rumgerührt". Achja: bevor Sie mir mit "Im Osten zahlen die meisten Betriebe keine Tariflöhne" kommen: Wo die Gewerkschaften schwach sind, wie im Osten, bestimmen die Arbeitgeber das Lohn-/Gehaltsniveau. Und DAS die Gewerkschaften im Osten schwach sind, liegt an den Ossis selbst.

  • Thüringen ist ein überalterteres (Durschnittslater 47,5) und ziemlich homogenes, nicht durch Migration geprägtes Land.



    Welche Partei setzt sich denn wirklich für diese Gruppe ein?

    Die Grünen sind klar zur Partei der Besserverdienenden geworden ( Wärmepumpe, E Auto Subvention etc.)



    Die Linke ist in Grabenkämpfe verwickelt, spricht mittlerweile eher ein urbanes, akademisches und diverses Publikum an.



    Die SPD hat sich als Partei der Arbeiter endgütlig disqualifiziert.



    CDU und FDP tun ja nicht mal so, als ob Ihnen die Anliegen der einfachen Arbeiter am Herzen lägen.



    Da wird dann aus Protest AfD gewählt.

    • @Sybille Bergi:

      Sie haben voll und ganz Recht.

    • @Sybille Bergi:

      "Da wird dann aus Protest AfD gewählt."

      Ich wünsche dem Osten inständig, dass das Parteiprogramm der AfD zu 100% umgesetzt wird.



      Abschaffung aller Subventionen ist nur ein Punkt. Killt 99% aller landwirtschaftlichen Betriebe. Dazu den Braunkohlebergbau zu 100%. Die hochsubventionierte Ansiedlung großer Unternehmen ist dann auch passe. etc. pp.



      Nett auch die Idee, den Immobilienmarkt zu deregulieren. Eine Explosion der Mieten ist dadurch garantiert. Oder die lächerliche Idee (die ja bekanntlich von der anderen eehm ... ich sag mal "ausländerkritischen" Partei, dem BSW vertreten wird), die Hilfen an die Ukraine einzustellen. Was bei einem Sieg Putins Millionen weitere Flüchtlinge produzieren würde. Das Gegenteil dessen also, was beide Parteien ebenfalls vertreten.

      • @Kaboom:

        Nehmen wir einmal an, es wären Wahlen in NRW, Bayern und Hessen. Reden Sie dann auch von Wahlen im Westen oder gar "Westwahlen"? Wohl kaum. Warum reden so viele Menschen immer pauschal vom Osten? Ich sage mal, ein Mensch aus Pommern hat mit einem Menschen aus Sachsen genausoviel zu tun, wie ein Ostfriese mit einem Badener. Also reden / schreiben Sie (und soooo viele andere) doch bitte präziser, worum es geht. Hier ist es die Landtagswahl in Thüringen und nicht "der Osten". Dankeschön.

      • @Kaboom:

        Ich stimme ihnen zu, aber das muss vielleicht auch mal sein, damit verirrte Menschen aufwachen. Faktisch sind sämtliche politischen Probleme aber nicht von der AFD verursacht worden und das zählt bisher viel für die verärgerten Wähler. Zu sehen, dass die AFD a der Regierung eine Vollkatastrophe bedeutet wäre wie gesagt vielleicht hilfreich.

  • Es kann nicht nur Mut machen, es braucht auch viele Mutige. Menschen, die nicht in ihrer Komfortzone bleiben, sondern mit hohem persönlichen Einsatz selbstbewusst für die demokratischen Werte der besten jemals bestehenden deutschen Republik einstehen. Da geht es nicht um Schaufensterreden und „Wünsch-Dir-was“ - Wahlen, sondern um die zunehmend verschütteten Grundlagen des Gemeinwesens. Denn in Wahrheit können rechte und linke Populisten nur eins besser: Den Menschen suggerieren, dass sie genau ihrer Meinung wären.

  • Damals wie jetzt sind die Rechtsradikalen nur ein Teil des Problems. Es waren, wie im Artikel gesagt wird, die bürgerlichen Parteien, die den Aufstieg der NSDAP in die Regierung erst ermöglichten. Leider ist auch heute keineswegs sicher, dass die Thüringer CDU diesen Weg wieder beschreitet. Es ist nicht nur der alte Bernhard Vogel der meint, die Linke sei schlimmer als die AfD; man findet diese Meinung in der dortigen Union nicht selten. Dazu kommt der eklatante Mangel an fähigen Politiker:innen in dieser Partei. Man lese "Deutschland der Extreme - Wie Thüringen die Demokratie herausfordert" von Martin Debes, das zunächst auf dem Gegensatz Ramelow - Höcke aufbaut, aber vor allem zeigt, wie unfähig in der CDU politisiert wurde und wird.

  • Mein Vater, Ur-SPDler, war 1989 bereits schwer krank. Als die Mauer fiel sagte er "Jetzt rutscht Deutschland wieder nach rechts". Ich fand den Spruch damals unglaublich falsch. Doch nun muss ich feststellen, dass Deutschland tatsächlich weit nach rechts gerutscht ist. Er hatte leider recht. Warum es so kam, verstehe ich leider immer noch nicht.

    • @Rudi Hamm:

      Ich denk mal, fast alle in der damaligen Bundesrepublik waren, was die Wiedervereinigung angeht, unfassbar naiv. Man dachte, man hat 16 Mio Bürger mehr, die das Pech hatten, 40 Jahre unter einer roten Diktatur zu leben, und sich sonst nicht von "uns" unterscheiden.



      Dass diese Leute alles an gesellschaftlicher Entwicklung, was nach dem 2.WK im Westen stattfand, nicht mitgemacht hatten, ist völlig ignoriert worden.



      Anschließend hat man den Osten über Jahrzehnte derartig mit Geld vollgepumpt, dass sich ein immenses Anspruchsdenken etabliert hat. Und die drehen völlig am Rad, wenn andere Unterstützung erhalten. Gelder, von denen sie - wie selbstverständlich - annehmen, dass die "eigentlich" ihnen zustehen. Neulich, in einer der hunderten "Dokus" über den Osten (die Probleme im Rest des Landes sind ja inzwischen völlig irrelevant), fragte ein Rentner - nachdem er sich beklagt hatte, dass die Flüchtlinge aus der Ukraine Geld erhalten - "und was ist mit uns?" DAS ist IMHO die Essenz von allem, was gerade dort passiert.

    • @Rudi Hamm:

      Vielleicht, weil er viele Sudetendeutsche kannte, Höcke ist Sohn eines Sudetendeutschen.



      Wie ich auf diese These komme?



      Bin jetzt 66 Jahre alt und habe in meinem Berufs- und Alltagsleben mit etlichen Menschen diverser Nationalitäten zu tun gehabt.



      Mein Fazit, Armleuchter gibt es in jeder.



      Nur Sudetendeutsche machten da eine Ausnahme, alle alten Männer, Hitler Verehrer und deren Söhne, also die meiner Generation sehr weit Rechts bis Rechtsautoritär.



      Tendenz auch bei Männern aus Siebenbürgen. Dazu "unser Land in Junkerhand", Orban, Fico, die polnischen PiS- Brüder und die von einem Großserbien träumenden Kriegsverbrecher.



      Wahrscheinlich mein persönliches Pech, aber subjektiv auffällig.

  • Wie kann das sein im Osten? Erst SED/Die Linke und jetzt AfD?

    • @casio:

      Schon mal was von der Hufeisentheorie gehört?

    • @casio:

      Weil der Westen den Realsozialismus nie verstanden hat!

      Die (akademischen) Westlinken glauben ja immernoch, dass in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft auf magische Weise alle Menschen weltanschaulich zu Philosophie- oder Soziologiestudenten werden und die Millieus der Mehrheitsgesellschaft spurlos verschwinden.

      Dass hier von der eigenen Peergroup auf die ganze Gesellschaft geschlossen wird, ist offenbar zu banal, dass die Bildungselite das erkennen kann.

      In der Realität wurde im Ostblock die für eine solidarische Gesellschaft notwendige kulturelle Homogenität das massentauglichste kulturelle Millieu als Standard gewählt: das kleinbürgerlich-proletarische Milieu. So was wie Bildungsbürgertum gab es in der DDR nur in ganz kleinem Rahmen und wurde sogar aktiv staatlich unterdrückt (Studium vorrangig für Arbeiterkinder z.B.)

      Die PDS war in den 1990 noch die Partei der ehemaligen Soldaten, Polizisten und Beamten der DDR - also ein "Zucht und Ordnung"-Klientel. 1990 war die Ost-CDU jünger und progressiver aufgestellt als der linke Rand.

      Wäre das in Westdeutschland jemals denkbar gewesen?

      • @Chris McZott:

        "Die (akademischen) Westlinken glauben ja immernoch, dass in einer nichtkapitalistischen Gesellschaft auf magische Weise alle Menschen weltanschaulich zu Philosophie- oder Soziologiestudenten werde"

        LOL. Sie kennen offenbar keine "(akademischen) Westlinken".

      • @Chris McZott:

        Gut analysiert!