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Ampel nach HaushaltsstreitNeuer Zwist: Hilfen für die Ukraine

Gerade erst hat die Ampel ihren Haushaltsstreit beigelegt. Nun stellt der Finanzminister Lindner weitere Militärhilfe für Kyjiw indirekt infrage.

Brief mit Brisanz: Christian Lindner sorgt in der Ampel für neuen Unmut Foto: dpa

Berlin taz | In der Ampelkoalition ist ein Streit über die Finanzierung der militärischen Unterstützung der Ukraine ausgebrochen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) mahnt Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), sich an die dafür im Bundeshaushalt bereitgestellten Mittel zu halten. „Bitte stellen Sie sicher, dass die Obergrenzen eingehalten werden“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) aus einem Brief Lindners. „Neue Maßnahmen“ dürften nur angegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre „eine Finanzierung gesichert ist“.

Das erst jetzt bekannt gewordene Schreiben vom 5. August, das auch an Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gerichtet war, hat Brisanz. Denn die knapp 7,5 Milliarden Euro, die für dieses Jahr im Bundesetat für die Ukraine-Waffenhilfe veranschlagt sind, sind bereits aufgebraucht. Schon vor dem Nato-Gipfel im Juli hatte Pistorius beklagt, die Gelder seien „weitgehend verausgabt und gebunden“, der Bedarf jedoch keineswegs gedeckt.

Informell hatte er deswegen dem Finanzminister mitgeteilt, der Topf für die Ukrainehilfe müsse für das zweite Halbjahr 2024 um weitere knapp vier Milliarden Euro aufgestockt werden. Laut FAS sollen jedoch zusätzliche Anträge aus dem Verteidigungsministerium auf Verlangen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht mehr bewilligt werden. „Ende der Veranstaltung. Der Topf ist leer“, zitiert das Blatt einen ungenannt bleibenden Gesprächspartner in der Bundesregierung.

Konkret könnte das bedeuten, dass, wenn die Ukraine in diesem Jahr beispielsweise weitere Munition, Ersatzteile oder Militärgerät wie etwa Flugabwehrsysteme anfragen würde, die Bundesregierung das ablehnen müsste – und hoffen, dass ein anderes Land in die Bresche springt.

Pistorius scheint das nicht sonderlich zu tangieren

Das Finanzministerium betont jedoch, dass es auch in diesem Jahr noch Ausnahmen geben könnte. „Dazu müssen aber die zusätzlichen Bedarfe konkret gemeldet und nachvollziehbar sein, um allen haushaltsrechtlichen Regeln zu entsprechen und den Deutschen Bundestag auf dieser Basis um eine Genehmigung bitten zu können“, schreibt das Ministerium auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios.

Auch die bisher von der Ampel geplante Höchstgrenze für 2025 von vier Milliarden Euro soll bereits überbucht sein. Ob der Bundestag in seiner parlamentarischen Beratung über den Haushalt erneut, wie bereits für das laufende Jahr, diesen Betrag noch um mehrere Milliarden Euro aufstocken wird, gilt als fraglich. Allerdings verweisen Koalitionäre darauf, dass ein Großteil der Mittel für die Ukrainehilfe ohnehin künftig auf anderem Wege finanziert werden soll – und zwar mithilfe des eingefrorenen Vermögens der russischen Zentralbank.

Der Streit über die Finanzierung der Waffenhilfe für die Ukraine findet vor dem Hintergrund des quälenden Gerangels der Regierungsparteien um den Bundeshaushalt für 2025 statt. Nur mit Mühe, Not und einigen kreativen Buchungstricks hatten sich Scholz, Lindner und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag auf einen gemeinsamen Etatentwurf einigen können. Angesichts der angespannten Haushaltslage und der massiven Kürzungen in diversen Bereichen gilt der Spielraum für zusätzliche Ausgaben als äußerst begrenzt.

Verteidigungsminister Pistorius scheint das aber nicht sonderlich zu tangieren – sein Ressort gehört bereits zu den wenigen, die keine Kürzungen hinnehmen müssen. So fordert er nicht nur die Aufstockung der Ukrainehilfe, sondern zudem eine wesentlich stärkere Erhöhung des Verteidigungsetats. Nach den Vorstellungen des SPD-Manns soll er nicht bloß wie vorgesehen um 1,2 Milliarden Euro, sondern gleich um 6,7 Milliarden Euro anwachsen. Er hofft auf entsprechende Änderungen im jetzt anstehenden parlamentarischen Verfahren.

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22 Kommentare

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  • Innere und Äußere Sicherheit sind die zentralen Aufgaben eines Staates. Dazu kommt mit zweiter Prio noch die Schaffung eines stabilen Rechtsrahmens, die Gewährleistung einer Grundversorgung für Infrastruktur und Bildung, die Schaffung günstiger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen sowie die Vertretung nationaler Interessen in der Aussenpolitik.



    Demnach sollten Ausgaben priorisiert werden. Äußere Sicherheit gehört zur Prio 1. Die notwendigen Mittel dafür müssen bereitgestellt werden. Mit den dann noch verbleibenden Mitteln können soweit verfügbar weitere Themen angegangen werden.

  • Lindner legt aber auch jeden Tag eine neue Stange Dynamit unter den Koalitionskessel.

  • Vorschlag: Statt für Haartransplantation und Sylt gibt Hr. Lindner seine "Reden"-Gelder von der Industrie für eine Kampfmontur aus und geht mal dorthin. Das bringt sicher auch Wählerstimmen; und ein fachkundigerer Mensch kann im Finanzministerium Einzug halten.

    Sonst aber würde ich ihn bitten, der Ukraine die nötigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um dem offensten Angriffskrieg seit Jahrzehnten auch trotzen zu können.

  • "Nur mit Mühe, Not und einigen kreativen Buchungstricks hatten sich Scholz, Lindner und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Freitag auf einen gemeinsamen Etatentwurf einigen können."



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    Auch aus der Sicht von Fachleuten ist das nicht sehr seriös, andererseits ist die Mentalität "Selbstbedienungsladen" mit Selbstläufern in der Bewilligung von "Staatsknete" auch reduziert. Bei den Unterstützungsleistungen für die Ukraine darf durchaus auf die Position im europäischen Vergleich hingewiesen werden.



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    Vielleicht kann die sich menetekelhaft als "Alternative" ins Spiel bringende Union Motivation für eine erneute kreative Anstrengung der Koalitionäre sein:



    "Die Haushaltseinigung stößt auf Widerstand. CDU-Generalsekretär Linnemann sagt: Das Aus der Ampel wäre eine Erlösung für Deutschland."



    Quelle faz.net

  • Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen:



    Kriegstreibende Waffenlieferungen aus Deutschland unterbleiben zukünftig nicht aus friedenspolitischen Erwägungen, sondern wegen der Schuldenbremse. lol

    Andererseits hätte die Schuldenbremse dann zum ersten Mal positive Auswirkungen.



    Soll mir in dem Fall recht sein.

    • @hsqmyp:

      Dann sollten wir aber auch sofort und komplett auf die direkten und indirekten "kriegstreibenden Öl-- und Gaskäufe" aus der russischen Förderung verzichten.



      Das wird ein Spaß, wenn man Lindner dann innerhalb von Stunden alles leugnen hört, was er je zu Schuldenbremsen erzählt hat.



      Lindner missbraucht das Konzept der Schuldenbremse für seine parteipolitische Profilierung durch Ideologie.



      Das schadet Deutschland, das schadet Europa, das schadet der NATO. Mit dieser Einstellung bekäme er keine Sicherheitsfreigabe für einen Job als kommunaler Bürobote.

  • Als Sozialist hat man in Deutschland gerade wenig Freude am politischen Geschehen. Da kommt ein wenig Schadenfreude recht.

    Der deutsche Staat als "ideeller Gesamtkapitalist" hat sich in gewisse Aporien begeben.

    Die Schuldendisziplin war wichtig, um ganz Europa auf den Pfad eines beständigen Handelsüberschusses zu bringen, um Europa dem deutschen Wirtschaftsmodell unterzuordnen.

    Nun aber will man im Osten wieder kriegerisch mittun, und siehe da: Plötzlich sind Schuldenbremsen blöd, und wir brauchen wieder einen Kriegskeynesianismus.

    Ja, wie kommt man da wieder raus? Man hat dem Volk jahrelang die eine Geschichte von den bösen Schulden erzählt, man hat an die Inflationsängste aus Großvaters Zeiten appelliert. Nun aber ist das alles nicht mehr wahr. Nun muss man eine andere Geschichte erzählen.

    Der Ampelstreit ist vermutlich nur die oberflächliche Widerspiegelung einer größeren Auseinandersetzung innerhalb der bundesrepublikanischen Funktionseliten.

  • Richtig, wir brauchen das Geld hier. Es gibt genug Aufgaben. Das hat Vorrang.

    • @Ernie:

      Nuja. Wichtig ist natürlich nicht (und zwar sowas von überhaupt gar nicht), ob (oder ob nicht) Putin die Ukraine heim in Reich holt, gell?

    • @Ernie:

      Es ist Lindners framing, daß man nur das eine oder das andere kann. Lindner will die Ukrainehilfe nicht stoppen um dasselbe Geld dann hier sinnvoll auszugeben. Er will es überhaupt nicht ausgeben. Wasimmer Sie glauben, wofür wir das Geld hier bräuchten, diese Ziele bekommen von Lindner keinen Cent mehr.

    • @Ernie:

      Wenn die Ukraine fällt wird Deutschland ein vielfaches für Flüchtlinge ausgeben müssen, da wird dann null spielraum für irgendwas sein.

      • @Machiavelli:

        Und währenddessen kürzen wir hier fröhlich Sozialprojekte und Sozialleistungen, wir haben jetzt schon null Spielraum für irgendwas, das Geld wird hier dringender benötigt

  • Wenn es wenig oder kein Geld gibt für Kinder, Bildung oder Wohnungsbau, wenn über Kürzungen beim Bürgergeld gesprochen wird, dann es auch kein Geld für Krieg geben.



    Wer diesen Krieg wollte, wer an ihm verdient siehe US, aber auch Rheinmetall & Co, sollte zahlen!

    • @Octarine:

      Lindner hat überdeutlich gemacht, daß er kein Geld für Kinder, Wohnungsbau und Bildung ausgeben will, weil er das für "Sozialausgaben" hält. Mit Schuldenbremse hat das nichts zu tun. Sondern mit Ideologie.



      Er könnte im Steuergeld baden wie Dagobert Duck - den Wohnungsbau überlässt er trotzdem seinem Marktgott.

      • @Monomi:

        Na, dann sollte rot/grün damit in den Wahlkampf ziehen. Baden in Steuergeld. Dafür gibt es sicher eine absolute Mehrheit. Lol

      • @Monomi:

        Lindner hat mit keinem Wort gesagt, dass er kein Geld für Kinder ausgeben will.



        Das Gegenteil ist der Fall.



        Die Ausgaben für Kinder wurden von dieser Regierung schon deutlich gesteigert.



        Wo es noch klemmt ist die Kindergrundsicherung.



        Das liegt aber nicht an Herrn Lindner sondern daran, dass Frau Paus es nicht schafft ein schlüssiges Konzept dafür vorzulegen.

        • @Andere Meinung:

          "Das liegt aber nicht an Herrn Lindner sondern daran, dass Frau Paus es nicht schafft ein schlüssiges Konzept dafür vorzulegen."

          ... nachdem Lindner den Etat dafür um 80% vermindert hatte. Das hatten Sie wohl irgendwie vergessen zu erwähnen, gell?

    • @Octarine:

      USA und Rheinmetall haben Putin dazu gebracht, die Ukraine zu überfallen? Echt jetzt?



      China, Klimawandel, Nahost, Iran, Pandemie, aber die USA ist dringend auf der Suche nach einem zusätzlichen großen, teuren Problem?

      • @Monomi:

        Ich denke es war eher so gemeint, dass die USA und Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall am meisten von diesem Konflikt profitieren (Export von LNG in die EU, Export von Waffen in die Ukraine, Aufrüstung der NATO und aller europäischer Staaten). Niemand sagt dass die Putin zu irgendwas gebracht haben

    • @Octarine:

      Wo bleibt eigentlich die Uebergewinnsteuer fuer die Kriegsprofiteure?

    • @Octarine:

      Wer wollte Krieg? Ich glaube, Russland hat die Ukraine überfallen. Zahlen sollten die Millionäre.

    • @Octarine:

      Da muss ich wohl etwas verpasst haben. Wieso wollten die USA und Rheinmetall den Krieg?