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Deutsches Exportgeschäft in NamibiaKolonialer Wasserstoff

Kommentar von Alfred Shilongo

Im Namen des Klimaschutzes setzt Deutschland koloniale Verbrechen fort. Grüner Wasserstoff aus Namibia sollte nicht Leid und Zerstörung bedeuten.

Solarpannel einer bereits existierenden Wasserstoffproduktionsanlage im namibischen Swakopmund Foto: Philip Reynaers/Photo News/imago

J ahrzehnte über Jahrhunderte vergehen, aber am Verhalten der Europäer ändert sich nichts. Früher kamen sie mit Flamme und Schwert und nahmen uns unser Land, unsere natürlichen Reichtümer und unsere Freiheit, denn Macht begründete das Recht. Heute wollen sie uns erneut ausbeuten, aber mit einem Lächeln im Gesicht, mit einer Rhetorik über die Umwelt und das Gemeinwohl auf den Lippen und unter dem Vorwand, uns für ihre vergangenen Zerstörungen „entschädigen“ zu wollen.

Zwischen 1904 und 1908 löschten die Deutschen die zwei Volksgruppen der Herero und Nama, die keine Sklaven des Deutschen Reiches sein wollten, fast vollständig aus. Afrikaner landeten in Konzentrationslagern und wurden auch anderen unmenschlichen Erfindungen der „zivilisierten Welt“ unterworfen, die später in den 1940er Jahren auch Europäer erleiden sollten.

Erst 2015 erkannte Deutschland seine Verfehlungen der Vergangenheit an und nahm Verhandlungen mit Namibias Regierung über eine Wiedergutmachung auf. Aber trotz vieler Versprechungen kam dies nie zu einem Abschluss. Es scheint, als sei die deutsche Bereitschaft zur Versöhnung nicht ohne den Hintergedanken gewesen, wirtschaftlich von Namibia profitieren zu wollen.

Nachdem Berlin sich im Zuge der Spannungen mit Russland über die Ukraine ab 2014 allmählich von billigem russischen Erdgas lösen wollte, suchte Deutschland neue Energiequellen und nahm unter anderem wasserstoffbasierte „grüne Energie“ ins Visier. Deutschland proklamierte das Ziel der Klimaneutralität – ein schönes Wort, das den Deutschen gefällt.

Industriegebiet statt Nationalpark

Aber die Architekten dieser Klimapolitik verrieten ihren Wählern nicht, dass auch grüne Energie mit Kosten einhergeht und dass eine klimaneutrale Wirtschaft in Europa zu ökologischen Katastrophen auf der anderen Seite des Planeten führen kann.

Das erste Projekt in Namibia – vom Unternehmen „Hyphen Hydrogen Energy“ – sieht Investitionen von 9,4 Milliarden Dollar für Solar- und Windkraftanlagen mit einer Kapazität von fünf Gigawatt vor sowie eine Wasserstoffanlage mit etwa drei Gigawatt. Die erste Phase mit rund 4,4 Milliarden Dollar soll bis 2026 abgeschlossen sein. Der Rest folgt bis Ende der 20er Jahre. Wasserstoff wird in dieser Anlage per Elektrolyse aus Wasser gewonnen und soll in Form von Ammoniak nach Europa verschifft werden.

Pro Jahr sollen also zwei Millionen Tonnen dieser hochgiftigen Substanz in einem der kostbarsten Naturschutzgebiete des südwestlichen Afrika hergestellt werden, das dadurch in eine industrielle Wüste verwandelt wird.

Die Zerstörung eines einzigartigen Nationalparks könnte nicht das einzige drohende Verbrechen der deutschen Investoren sein. Für den Export des Ammoniaks nach Europa soll auf der Halbinsel „Shark Island“ ein großer Hafen entstehen – nach Angaben von Menschenrechtlern auf dem Gelände eines längst zerstörten ehemaligen deutschen Konzentrationslagers, wo bis heute die Gebeine von 1.000 bis 3.000 Afrikanern begraben liegen.

Schändung der Gräber von Herero und Nama

Vertreter der Nama und Herero haben an die deutschen Grünen appelliert, die Schändung der Gebeine ihrer Ahnen zu stoppen und auch den vorliegenden Abkommensentwurf zwischen Deutschland und Namibia über die Anerkennung des Völkermords zu revidieren. Die Grünen-Abgeordnete Deborah Dühring hat daraufhin gesagt, es sei wichtig, „die Bedenken und Kritik der direkten Nachfahren der betroffenen Herero und Nama ernstzunehmen“.

Ihr Parteifreund Ottmar von Holz fügte hinzu, es bestehe in Deutschland immer noch ein Mangel an Reflexion über die Auswirkungen der eigenen kolonialen Vergangenheit.

Nach neun Jahren Verhandlungen über ein Versöhnungsabkommen zwischen Deutschland und Namibia kann heute festgestellt werden, dass weder Namibias Regierung noch die Nachfahren der Überlebenden des Völkermordes auch nur einen Cent Wiedergutmachung erhalten haben. Dafür aber haben deutsche Unternehmen begonnen, Namibias natürliche Ressourcen auszubeuten. „Grüne Energie“ für Deutschland bedeutet, in Namibia Opfer zu bringen.

Das erste Opfer ist der Nationalpark Tsau-Khaeb, dem droht, in ein Industriegebiet verwandelt zu werden, wo giftiges Ammoniak hergestellt wird, das die lokale Flora und Fauna töten und die Küstengewässer verseuchen könnte.

Namibier müssten Miteigentümer sein

Namibier sollten Miteigentümer von Investitionsprojekten sein, nicht billige Arbeitskräfte

Das zweite Opfer sind die sterblichen Überreste der Herero und Nama auf Shark Island. Statt auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers eine Gedenkstätte zu errichten, erweitern die Deutschen den Hafen für den Ammoniakexport. Berlin spricht von Wiedergutmachung für den Völkermord, aber setzt ihn fort, indem es Gräber für Profit zerstört.

Können wir das hinnehmen? Wird das namibische Volk den Deutschen erlauben, ihre Verbrechen fortzusetzen? Werden die Völker Afrikas weiter hinnehmen, dass ihr Reichtum zugunsten Europas geplündert wird? Niemand wird sich um Afrika kümmern, wenn Afrikaner es nicht selbst tun.

Nötig wäre jetzt, den Bau von Industrieanlagen im Nationalpark zu stoppen, ebenso die Zerstörung von Herero- und Nama-Gräbern. Die Nachfahren der Völkermordopfer müssen eine gerechte Entschädigung erhalten und vor allem das Land zurückerhalten, das ihnen damals genommen wurde und bis heute weitgehend im Besitz deutscher Siedler ist.

Deutsche Investoren sollten darüber hinaus verpflichtet werden, Namibiern einen fairen Anteil an all ihren Investitionsprojekten in Namibia zu gewähren. Namibier sollten Miteigentümer sein, nicht billige Arbeitskräfte. Und Industrieanlagen auf namibischem Boden sollten unabhängig auf mögliche ökologische Auswirkungen überprüft werden. Saubere Meere, sauberes Land und saubere Luft sind das Erbe, das unser Volk seinen Kindern und Enkelkindern hinterlassen muss.

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13 Kommentare

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  • Völlige Zustimmung. Die Idee, unsere Energieprobleme auf Kosten der Bevölkerung in Afrika (und Lateinamerika) zu lösen, ist nichts Anderes als eine grüne Variante des Kolonialismus.

  • Sorry aber an dem Kommentar ist viel komisch.



    Einiges wurde hier ja bereits geschrieben.



    Gibt es in Namibia keine Unternehmenssteuern, Hafengebühren, Zoll etc? Weil genau das ist doch der faire Anteil an den Investitionsprojekten. Oder an was denkt die Autorin sonst? Soll da jeder mit seiner Kontonummer hingehen und sich Geld überweisen lassen?

    Kann jeder in Namibia bauen wo er will? Der Kommentar klingt so als wäre das Unternehmen da hingegangen und hätte gesagt "So hier bauen wir." Da wird schon ein Amt, die Regierung oder sonst wer mitgeplant haben.



    Ansonsten bleibt wie bereits geschrieben ja auch noch, dass Namibia ja selbst investieren und das ganze Ding selbst hochziehen kann.





  • Nötig wäre jetzt, den Bau von Industrieanlagen im Nationalpark zu stoppen, ebenso die Zerstörung von Herero- und Nama-Gräbern. Die Nachfahren der Völkermordopfer müssen eine gerechte Entschädigung erhalten und vor allem das Land zurückerhalten, das ihnen damals genommen wurde und bis heute weitgehend im Besitz deutscher Siedler ist.“

    Für all das ist seit spätestens 1918 nicht mehr die deutsche Regierung zuständig. Höchstens für eine Entschädigung, wobei es dafür auch nach deutschem Recht kaum eine echte rechtliche Grundlage gibt, da es so etwas wie Entschädigungen für die Ur- und Ururenkel einfach nicht gibt.

  • Danke für den Artikel! Ich verstehe die bisherigen Kommentare nicht, in welcher Welt lebt ihr?

    Es ist unstrittig, dass weithin postkoloniale Machtgefälle auf der Welt existieren. Regierungen in der dritten Welt sind wirtschaftlich abhängig und dies wird oft ausgenutzt auf Kosten der lokalen Bevölkerung, auch im Namen der Nachhaltigkeit.

    Ich zitiere aus [www.bpb.de/shop/ze...iale-aussoehnung/]:



    "Der Umstand, dass Herero und Nama heute als Minderheit in Namibia leben, ist durch Grenzziehung und Völkermord eine direkte Konsequenz des (deutschen) Kolonialismus.



    Zu seinem Erbe gehört der namibische Nationalstaat.



    Nun bei der Aufarbeitung dieses Unrechts darauf zu verweisen, dass man nur mit nationalstaatlichen Regierungen verhandle, bestraft die Nachkommen der Kolonisierten erneut. "

  • Der Artikel verdeutlicht, warum in Afrika der Wohlstand weniger stark wächst als in asiatische Ländern wie China. Diese haben an der Globalisierung teilgenommen und treiben regen Handel mit ehemaligen Kolonialmächten. Sie holten dabei mehr Wertschöpfung ins eigene Land.

    Afrika ist Opfer der Globalisierung, weil es nicht mitgemacht hat. Dort stehen Entschädigungen für koloniales Unrecht und Entwicklungshilfe stärker im Fokus.

    Wenn die Namibier so denken wie der Autor, würden sie sich wieder eine Chance verbauen. Es ist teuer Wasserstoff zu Ammoniak umzuformen, zu transportieren um damit z.B. Eisenerz in Deutschland zu Eisenschwamm zu reduzieren.

    Wenn die Wasserstoffproduktion läuft, sollten die Namibier als Nächstes Eisenerz vor Ort zu Eisenschwamm reduzieren. Es entfallen die Umwandlungs- und Transportverluste des Wasserstoffs. Weiter könnten sie mit Strom aus Erneuerbaren Energien in Elektroöfen aus dem Schwamm Stahl erzeugen.

    Zumindest für eine grüne Rohstahlproduktion sieht die Zukunft für Regionen wie Namibia viel rosiger aus, als z.B. in Bremen oder für Thyssen-Krupp in Duisburg. mal sehen, ob sie sich wieder eine Chance ausreden lassen.

  • Kenne das Projekt und die beteiligten Parteien nicht im Detail, aber in Namibia lokale Unternehmen zu beteiligen bzw. neue zu gründen die am Projekt beteiligt werden klingt nach einer unterstützenwerten Idee. Bei solchen Grossprojekten sollte immer ein Mitspracherecht lokaler Interessen gewährleistet werden.

    Gibt es denn tatsächlich kein unabhängiges Gutachten über potenzielle Umweltrisiken für den Nationalpark und die lokale Bevölkerung? Wenn nicht, müsste ein solches von der Politik beider Länder unbedingt eingefordert werden.

  • Sorry. Verstehe ich nicht. Die bösen deutschen Investoren werden kaum ohne die Zustimmung Namibias bauen können. Wenn man also keine Industrieanlagen möchte, kann Namibia das verhindern.

    "Deutsche Investoren sollten darüber hinaus verpflichtet werden, Namibiern einen fairen Anteil an all ihren Investitionsprojekten in Namibia zu gewähren."

    Klar, das könnte Namibia vorschreiben. Namibia könnte auch einfach selber bauen, das Geld vorschießen und ins Risiko gehen - das möchte man aber nicht. Oder besteht auch die Bereitschaft, dass man die Kosten selbst trägt, wenn es nichts wird?

    Handel treiben hat nichts mit Kolonialismus zu tun. Oder wird Saudi-Arabien ausgebeutet, weil es Öl fördert oder China weil es Akkus baut, VW dort Fabriken hat?

    Der Autor hat den falschen Adressaten: Er muss all diese Forderungen im Zusammenhang des Wasserstoffs an seine Regierung stellen.

    • @Strolch:

      "Der Autor hat den falschen Adressaten: Er muss all diese Forderungen im Zusammenhang des Wasserstoffs an seine Regierung stellen."



      So ist es.

    • @Strolch:

      Vollste Zustimmung

    • @Strolch:

      Was die Regierung und was die Bevölkerung will sind oft zwei paar Schuhe. Auf dem Gelände eines ehemaligen deutschen KZ wo noch die Gebeine der Opfer liegen eine deutsche Industrieanlage zu errichten, ist der Gipfel der Geschmackslosigkeit. Im Zusammenhang mit den Holocaust währe sowas undenkbar. Zählen die Nama und die Herero nicht? Die deutschen Investoren sind nicht ganz sauber im Kopf sowas in Betracht zu ziehen, egal was die Regierung Namibias dazu sagt. Das ganze noch in einem wertvollen Naturschutzgebiet. Übrigens gehören die Nachfahren der deutschen Kolonisten zur Oberschicht des ansonsten armen Landes und werden sicherlich auch politischen Einfluss haben und davon profitieren.

    • @Strolch:

      Geht mir beim Lesen des Artikels ganz ähnlich wie dir. Hinzufügen möchte ich noch, bezogen auf die "drohende Umweltkatastrophe" durch Ammoniaktransporte, dass die Herstellung und Transportkette von Ammoniak anscheinend gut beherrschbar ist und es hier viel Erfahrung gibt.



      Der jetzt praktizierte ökonomisch wichtige Uranbergbau ist bekanntlich auch nicht ohne. Auch dort (zumindest gehe ich davon aus), wird die Regierung abgewogen haben.

    • @Strolch:

      Ich finde das auch etwas schräg.

      Als ob das Land keine Regierung hätte, keine herrschende Klasse, keine Industriellen, nichts.

      Die Investoren fallen dort scheinbar wie die deutsche Kolonialmacht im 19. Jahrhundert.

      • @Jim Hawkins:

        Schon im 19. Jahrhundert war es üblich, örtliche Machthaber zu bestechen. Dafür habe diese dann "Schutzverträge" unterschrieben.

        Die Formen haben sich geändert, aber die Idee, Afrika auszubeuten, ist gleich geblieben.