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Islamisches Zentrum verboten„Ideologie gegen Menschenwürde“

Innenministerin Faeser (SPD) hat das Islamische Zentrum Hamburg verboten und geschlossen. Begründet wird dies auch mit der Verbindung zum Iran.

Blaulicht vor der Blauen Moschee: Polizisten bei der Razzia in Hamburg an diesem Mittwoch Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | Die Blaue Moschee – eigentlich Imam-Ali-Moschee – ist ein prominentes Gebäude an der Hamburger Außenalster. Am Mittwochmorgen erhielt sie Besuch von Dutzenden maskierten Polizisten, die sich mit Motorsägen und Vorschlaghämmern Zutritt verschafften. Der Grund: Die Blaue Moschee ist Sitz des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH), und dieses, samt seiner Teilorganisationen, hat Bundes­innenministerin Nancy Fae­ser (SPD) am gleichen Tag verboten. Als Protest gegen das Verbot des IZH hat das iranische Außenministerium den deutschen Botschafter in Teheran einbestellt.

Das IZH ist die bedeutendste Repräsentanz des Schiitentums – einer der beiden Hauptströmungen des Islams – in Deutschland und eng angebunden an die Islamische Republik Iran. Es wird seit Jahrzehnten vom Hamburger Verfassungsschutz beobachtet. In jüngerer Zeit gab es vermehrt Forderungen, das Zentrum zu schließen.

Innenministerin Faeser hat das Zentrum mit seinen Teilorganisationen jetzt auf Grundlage des Vereinsrechts verboten, „da es eine extremistische Organisation des Islamismus ist, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt“. Die Blaue Moschee wurde geschlossen und beschlagnahmt. Infolge des IZH-Verbots führten die Sicherheitsbehörden Razzien und Beschlagnahmungen auch in Bremen, Berlin, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Bayern durch. Betroffen waren Moscheen, Vereinsräume, Privatwohnungen und Bankkonten.

Das Verbot stützt sich laut Bundesinnenministerium auf Durchsuchungen von 55 Einrichtungen in sieben Bundesländern im vergangenen November. Dabei seien genügend Beweismittel sichergestellt worden, um das jetzige Verbot zu rechtfertigen. Ein Jahr zuvor hatte der Bundestag auf Antrag der Ampelfraktionen zu prüfen gefordert, „ob und wie das ‚Islamische Zentrum Hamburg‘ als Drehscheibe der Operationen des iranischen Regimes in Deutschland geschlossen werden kann“.

„Gegen den demokratischen Staat“

Faeser wirft dem IZH vor, eine islamistische, totalitäre Ideologie in Deutschland zu propagieren: „Diese Ideologie richtet sich gegen die Menschenwürde, gegen Frauenrechte, gegen eine unabhängige Justiz und gegen unseren demokratischen Staat.“ Außerdem unterstütze das IZH und dessen Teilorganisation die vom Libanon aus gegen Israel kämpfende Terrororganisation Hisbollah und verbreite aggressiven Antisemitismus.

„Hierbei geht das IZH äußerst konspirativ vor“, so Faeser. Nach außen versuche es den Eindruck einer toleranten, rein religiösen Einrichtung zu machen. Tatsächlich setze es „als Vertretung des iranischen ‚Obersten Revolutionsführers‘ die Vorgabe zum Export der ‚Islamischen Revolution‘ konsequent und kategorisch um“.

Das American Jewish Committee Berlin begrüßte das Verbot, ebenso die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) und die Kurdische Gemeinde Deutschland. Die DIG forderte, auch den Dachverband der schiitischen Gemeinden in Deutschland, die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands (IGS), zu verbieten. Der Verfassungsschutz betrachte sie als „wichtiges Element für die Steuerung der Interessen“ des IZH. Sie sei „faktisch eine IZH-Tochter“.

Der Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg (Schura) bedauert das Verbot. „Die schiitische Community hat dadurch ihre religiöse Zentrale in Deutschland und Europa verloren“, sagt deren Vorsitzender Fatih Yildiz. Die Schura unterstütze den Senat auf der Suche nach einem neuen Träger.

Die Schura gehört zu den muslimischen Organisationen, die 2012 mit dem Hamburger Senat einen Staatsvertrag geschlossen hatten – den ersten eines Bundeslands. Wegen der Mitgliedschaft des IZH bei der Schura forderte die CDU, den Staatsvertrag auszusetzen. Nach den massiven Protesten im Iran im Herbst 2022 trat das IZH aus.

Ein weiterer Schlag war ein Urteil des Hamburger Oberverwaltungsgerichts im Juni 2023. Das IZH hatte gegen Feststellungen in den Verfassungsschutzberichten 2018 und 2019 geklagt. Dabei bekam das Landesamt für Verfassungsschutz zwar nicht bezüglich einzelner Aussagen recht, wohl aber mit der allgemeinen Einordnung des IZH als „islamistisch“ und „verfassungsfeindlich“. Innenministerin Faeser versicherte: „Wir handeln nicht gegen eine Religion.“ Das Ministerium unterscheide klar zwischen Extremisten und „den vielen Musliminnen und Muslimen, die zu unserem Land gehören und ihren Glauben leben“. Die friedliche Religionsausübung sei nicht von dem Verbot berührt.

Ebenfalls keine Rolle spiele die Konfession, sagte Faeser. Entscheidend sei das konkrete Handeln und das Auftreten in der Öffentlichkeit. „In der Vergangenheit wurden im Bereich des islamistischen Extremismus sowohl sunnitisch als auch schiitisch geprägte Vereinigungen verboten“, erklärte Faeser. Im Zuge des IZH-Verbots seien vier von schätzungsweise 150 bis 200 schiitischen Moscheen in Deutschland geschlossen worden.

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11 Kommentare

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  • Es ist essentiell in einer Demokratie, den Klerikal-Faschismus in aller Form zu verbieten, und es gilt alle Religionen zu entpolitisieren sowie die Säkularisierung voranzutreiben.

    Die dt. Frankfurter Reichsverfassung hatte im Gegensatz zum Grundgesetz auch keinen Gottesbezug gehabt.

    Einigkeit und Recht und Säkularität.

    • @Miles Parker:

      Eine schon bisher durch einen moralisierenden Rechtsnihilismus auffällig gewordene Innenministerin verbietet im Gleichschritt mit dem Geheimdienst und ohne Gerichtsentscheidung einen religiösen Verein, dem bisher keine Straftat nachgewiesen wurde allein aufgrund allgemein dahingeraunter Unterstellungen - und das liberale Bürgertum jubelt. Man fragt sich, wer hier der Extremist ist.

      • @O.F.:

        Fürs Protokoll:



        Die Innenministerin ist keine Nihilistin, sondern Bundesrepublikanerin, was sie automatisch zu einer Universalistin macht. Denn die Menschenwürde ist unantastbar.



        Und ja, es gibt auch einen Universalismus jenseits des Theismus, nennt sich Kant, aber ich nehme an, das ist für Sie noch Neuland.

        • @Miles Parker:

          P.S. Der Vollständigkeit halber: (moralischer) Universalismus und Rechtsnihilismus schließen einander nicht aus, im Gegenteil: gerade die Anmaßung, für ein höhere Werte eintreten zu wollen, dient oft als Legitimation für die Gleichgültigkeit gegenüber positivem Recht – deshalb habe ich ja auch von einem moralisierenden Rechtsnihilismus gesprochen.

        • @Miles Parker:

          Das war nicht nur wenig höflich, sondern geht auch an meinem Punkt vorbei: Rechtsnihilismus bezeichnet Haltungen und Handlungen, die sich nicht um geltendes Recht kümmern bzw. es unterwandern. Im Falle unserer Innenministerin beziehe ich mich damit auf einen Hang, das leider nachlässig formulierte Vereinsrecht zu instrumentalisieren, um als Feind wahrgenommene Personen und Organisationen auch jenseits konkreter Gesetzesbrüche sanktionieren zu können. Dem IHZ wird ja keine Straftat vorgeworfen (und sogar die doch recht allgemein gehaltenen Anschuldigungen werden kaum belegt). Das hat weder etwas mit Kant, noch mit dem Theismus zu tun, sondern ist schlicht und ergreifend ein autoritärer Politikstil, dem es an Respekt vor rechtsstaatlichen Grundsätzen fehlt.

          • @O.F.:

            Soll man eine Verfassungsbeschwerde einreichen, wenn ein Rechtsnorm verletzt wurde.

      • @O.F.:

        Es ist kein "religiöser Verein", sondern eine Tarnorganisation des terroristischen und klerikalfaschistischen iranischen Staates.

        Und dass das Verbot nicht durch Gerichtsentscheidung erfolgte, hat nichts mit "Rechtsnihilismus" zu tun, sondern ist die Anwendung geltenden Rechts. Vereinsverbote sind nicht von Gerichten zu erlassen, sondern vom Innenministerium; Gerichte sind - anders als das Bundesverfassungsgericht bei Parteiverboten - für den Erlass von Vereinsverboten schlicht nicht zuständig, sondern nur für die Überprüfung von Vereinsverboten. Die verbotene Vereinigung kann gegen das Verbot klagen, und erst dann entscheiden Gerichte.

      • @O.F.:

        Ihre Unterstellungen ( " dahingeraunt") wird durch Wiederholen nicht wahrer.



        In anderen Artikeln zum Thema wurde Ihre Darstellung innerhalb der Kommune bereits klar widerlegt!



        Allen Interessierten empfehle ich ein Nachlesen.



        Wie auch aus dem obigen Artikel hervorgeht, ist der Verein seit 30 Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes.



        Bei der Razzia Ende vergangenen Jahres wurden Beweismittel sichergestellt und in der Folge ausgewertet.



        Die Auswertung rechtfertigt nun den Schritt des Vereinsverbots.



        Das sind klare Tatsachen, die auch so veröffentlicht wurden.



        Sie stellen das ohne Argumente in Frage.



        Das "Geraune" kommt nur von Ihner Seite und entbehrt jeder Grundlage!

        • @Philippo1000:

          Ich warte weiterhin darauf, widerlegt zu werden; bisher wurden nur die allgemeinen Anschuldigungen wiederholt - auf die konkreten Belege warte ich weiterhin. Und die Problematik einer Verbots über das Vereinsrecht, d.h. ohne gerichtliche Entscheidung, bleibt ohnehin bestehen. Wenn die Beweise so schwer wiegen, hätte man das IHZ und seine Vertreter ja auch anzeigen können. Sie sehen die Problematik: hier wird eher aus einem Bedrohungsgefühl heraus statt aufgrund konkreter Gesetzesbrüche gehandelt und das halte ich für höchst problematisch.

  • Die liberale Idee vom Wettbewerb als aufgeklärter Sozialdarwinismus: Jeder Mensch ist genau so viel wert, wie er leistet.

    Eine Ideologie gegen die Menschenwürde, die andere noch übertreffen. Das macht sie aber nicht besser.