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Viertelfinale Türkei – NiederlandeBerliner Problemwölfe

Auch in Berlin ist die rechtsextreme Ülkücü-Bewegung aktiv. Die EM könne dazu beitragen, ihre Symbole zu normalisieren, sagen Be­ob­ach­te­r*in­nen.

Nationaler Freudentaumel: Fans der Türkischen Fußball-Nationalmannschaft der Männer feiern das 1:4 gegen Georgien Foto: K.M.Krause/snapshot-photography/imago

BERLIN taz | Mittelfinger und Ringfinger liegen auf dem nach vorn gestreckten Daumen auf, wie eine stilisierte Schnauze. Zeigefinger und kleiner Finger zeigen nach oben, sie sollen zwei Ohren darstellen. Der sogenannte Wolfsgruß war auch bei den Freudenfeiern nach den gewonnenen Türkeispielen in Berlin vielfach zu sehen. Er ist das Erkennungszeichen der Grauen Wölfe, also türkischer Rechtsextremist*innen.

„Wir sind noch dabei, Videos auszuwerten“, sagt Lea Lölhöffel, Koordinatorin bei den Berliner Registern. Die Register sammeln Infos zu Aktivitäten der extremen Rechten, zu rassistischen Vorfällen und Diskriminierungen. „Es haben so einige am Dienstagabend nach dem Spiel gegen Österreich auf der Fanmeile und am Breitscheidplatz den Wolfsgruß gezeigt.“ Wundern tut sie das nicht: „In der EM-Euphorie lassen Leute sich hinreißen“, sagt Lölhöffel. „Doch dabei handelt es sich ganz klar um ein rechtsextremes Symbol – und dass Fans es zeigen, ist höchst problematisch.“

Die Grauen Wölfe, auch Ülkücü – Idealisten – genannt, sind eine rechtsextreme, politische Bewegung, die in der türkischen Politik seit den 70er Jahren tief verankert ist. Ihre Ursprünge gehen bis in die 1940er Jahre zurück. Sie bildeten später den paramilitärischen Arm der Partei der Nationalistischen Bewegung (Milliyetçi Hareket Partisi – MHP), heute faktischer Koalitionspartner von Präsident Recep Tayyip Erdoğan (AKP). Die Ülkücü verübten Hunderte politische Morde, und trotz zwischenzeitlicher Verbote können sie bis heute als Handlanger des türkischen Staats betrachtet werden.

Auch in Deutschland sind sie aktiv. Der Verfassungsschutz stuft die Ülkücü als eine der größten rechtsextremen Gruppen in der Bundesrepublik ein und rechnet ihnen bundesweit rund 12.500 Mitglieder zu, von denen rund 10.500 in Vereinen organisiert sein sollen. In Berlin sollen es laut lokaler Behörde rund 450 organisierte Mitglieder sein. Größere Dachverbände sind die „Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e. V.“ (ADÜTDF), die „Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa e. V.“ (ATİB) und die „Föderation der Weltordnung in Europa“ (ANF). In Berlin ordnet der Verfassungsschutz der ADÜTF jeweils einen Verein in Kreuzberg, Reinickendorf und Spandau zu, der ANF einen im Wedding.

Große Gesten

Besuch Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan will am Samstag das Spiel der türkischen Nationalmannschaft im Berliner Olympiastadion besuchen.

Diplomatie Am Donnerstag hat das Auswärtige Amt den türkischen Botschafter wegen der Torjubelaffäre einbestellt – nachdem die türkische Regierung Mittwoch den deutschen Botschafter einbestellt hatte.

Nationalismus Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland befürchtet, Erdoğans Besuch könne „den türkischen Nationalismus in den Stadien und auf den Straßen noch einmal beflügeln“. (dpa)

Vereine eher unauffällig

„Die Berliner „Ülkücü“-Vereine treten nach außen nicht extremistisch auf und bemühen sich um ein gemäßigtes Image“, etwa über Kinder- und Familienfeste oder Fastenbrechen, schreibt der Verfassungsschutz. So sollen „auf niedrigschwellige Weise“ Menschen „in Kontakt mit der Ülkücü-Ideologie gebracht“ werden. Daneben sei in Berlin auch eine „ungebundene Szene türkischer Rechtsextremisten aktiv“. Diese lebten ihre rassistischen und antisemitischen Feindbilder offener aus, etwa in den sozialen Medien oder bei Aufein­andertreffen mit politischen Geg­ne­r*in­nen. Dabei zeige sich auch das hohe Gewaltpotenzial der Szene. Übergänge zwischen türkischem Patriotismus und rechtsextremistischen Einstellungen seien „oft fließend“.

„Die Gefahr, die von den Ülkücü ausgeht, kann man nicht anhand der vom Verfassungsschutz vermuteten Mitglieder bestimmen, das wäre zu wenig und würde das Problem verharmlosen“, sagt ein Sprecher von IBIM, einem Neuköllner Verein, der zu türkeibezogenem Rechtsextremismus in Deutschland arbeitet und als Anlaufstelle für Schulen bei türkeibezogenen Konflikten fungiert. „Es ist eine rechtsex­treme, politische Bewegung, der eine ultranationalistische Ideologie von,Turan', einem großtürkischen Reich, zugrunde liegt“, sagt er.

Die Bewegung propagiere die Überlegenheit der „türkischen Rasse“, und werte alle als nicht türkisch angesehenen ethnischen, religiösen oder konfessionellen Gruppen ab. Sie sei darüber hinaus frauenfeindlich und richte sich besonders in den letzten Jahren gegen die LGBTIQ-Bewegung. In Berlin hätten organisierte und unorganisierte An­hän­ge­r*in­nen einflussreichen Posten in Vereinen, Verbändne, Bürokratie und teils auch der Politik. „Auch wenn sie nicht nach außen so auftreten, hängen sie der Ideologie trotzdem an“, heißt es von IBIM.

„Die Ülkücü schrecken nicht vor Gewalt zurück“, sagt der IBIM-Sprecher. In Berlin werde etwa der gewaltsame Angriff auf den Oppositionellen und Journalisten Erk Acarer der Bewegung zugeordnet. „Wenn nun der Wolfsgruß fälschlicherweise mit Türkischsein gleichgesetzt wird, ist das besonders für jüngere Menschen ein mögliches Einfallstor für die rechtsextreme Ülkücü-Ideologie.“ An Schulen etwa beobachte IBIM deutliche Sympathien für die Bewegung. Die Gesellschaft müsse wachsam sein und das im Keim ersticken. Daher fordert IBIM ein Verbot der Ülkücü und ihrer Symbole, so wie es etwa in Österreich und Frankreich schon in Kraft ist.

Bedrohend und einschüchternd

Obwohl der Verfassungsschutz sie regelmäßig aufführt, sind die Aktivitäten der türkischen Rechten in Deutschland kaum Thema. Laut Lölhöffel dominiert auch in ihren Registern die deutsche extreme Rechte. „Ehrenamtliche Melder*innen, die viele Vorkommnisse eintragen, haben wahrscheinlich eher deutsche rechtsextreme Symbole im Blick“, sagt sie. „Eventuell sind wir auch nicht gut genug vernetzt, oder es gibt Sprachbarrieren“, vermutet sie. Und schließlich seien die Ülkücü eher in Vereinen organisiert, teils mit geschlossenen Veranstaltungen. „Das sind andere Aktionsformen als wir sie von deutschen Rechtsextremen kennen.“

Die Berliner Register listen eher vereinzelt Aktivitäten türkischer Na­tio­na­lis­t*in­nen und Rechtsextremer in Berlin auf. Etwa einen Anschlag auf das Parteibüro der damaligen kurdisch geprägten Oppositionspartei HDP im Zusammenhang mit den Wahlen 2016 oder Angriffe auf Wahlkampfstände 2021, daneben Angriffe bei Demos, Aufkleber oder Graffiti, etwa von den drei Halbmonden, dem Zeichen von MHP und ADÜTF. Im November 2023 seien bei einem Marsch türkischer Fans Richtung Olympiastadion Wolfsgrüße gezeigt worden – im Zusammenhang mit dem damaligen Freundschaftsspiel zwischen der Türkei und Deutschland. Lölhöffel vermutet ein großes Dunkelfeld.

Dass sich nun während der Europameisterschaft Menschen positiv auf die Mannschaft und die Türkei beziehen, ist verständlich“, sagt Lölhöffel. „Problematisch ist, dass Ak­teu­r*in­nen diese Welle nutzen, um rechtsextreme, nationalistische Symbole zu normalisieren.“ Dabei käme dem Torschützen eine besondere Rolle zu. Merih Demiral, der in dem Spiel gegen Österreich nach seinem zweiten Tor mit beiden Händen den Wolfsgruß gezeigt hatte, sei für viele ein Vorbild. Dass Demiral den Gruß nicht so gemeint haben will, hält Lölhöffel für unglaubwürdig.

„Der wird gesehen, gehört, gefeiert. Wenn er nun sagt, da sei ‚keine versteckte Botschaft dahinter‘, und es zeige nur, dass er ‚stolzer Türke‘ sei, dann trägt er zur Normalisierung eines extrem rechten Symbols bei“, sagt Lölhöffel. „Und da müssen wir uns vergegenwärtigen: Das soll einschüchtern. Und das wird auch verstanden.“ Oppositionelle, Kurd*innen, Armenier*innen, Alevit*innen, auch Jüdinnen und Juden oder queere Menschen fühlten sich davon bedroht – in Berlin, aber auch darüber hinaus.

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26 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Im kommenden Jahr sind Bundestagswahlen. Ich wähle eine Partei, welche mir die Garantie gibt, dass dieser und nicht nur dieser faschistische Spuk endlich zuerst verboten und dann mit der Wurzel ausgerissen wird.

    • @Trabantus:

      Da bin ich bei Ihnen.



      Bitte die Kalifatrufer ebenso!

    • @Trabantus:

      Das wird dann wohl das BSW.

      Eine andere Partei hat das momentan nicht auf der Agenda.

      • @Thomas O´Connolly:

        Das BSW wird sich bei der nächst besten Gelegenheit eineKoalition mit der CDU oder den Faschisten der AFD im Osten einlassen.

        Mag sein dass es gegen die türkischen Faschisten Position bezieht, bringt nur nichts wenn dann mit den deutschen Gegenstück gekuschelt wird.

  • 6G
    608196 (Profil gelöscht)

    Da nun die Fans dazu aufrufen im Stadion bei der türkischen Hymne geschlossen den Wolfsgruss zu zeigen, wäre es doch für die Bundesregierung keine schlechte Idee, das Symbol wegen verfassungsfeindlicher Bedeutung zu verbieten.



    Und da wir alle wissen, das Nationalisten aller Länder ausser Gewaltbereitsschaft auch so ansprechende Attribute wie Rassismus, Quer-Hass und öffentliche Hetze teilen, wäre die Gelegenheit günstig gegen alle Rechts-Nationalisten, auch die innerhalb der Deutschen Behörden und Polizeien vorzugehen.



    Die Tendenz in auch europäischer Politik zeigt überdeutlich, dass man diese Leute weder totschweigen noch totkuscheln kann.



    Also...es gibt reichlich zu tun Frau Faeser. Nicht von der Tribübe winken, sondern im Büro proaktiv auch mal gegen Rechts tätig werden.

  • Ich würde ja darauf wetten, dass Erdogan bei seinem Besuch auch den Schweigefuchs zeigen wird.

    Und dann?

    Dann haben wir wieder was über politische Macht und Ohnmacht gelernt.

  • Danke für diesen Bericht. Als jemand der selbst migrationshintergrund hat, nervt es mich nämlich manchmal, dass gefühlt nur über "deutschen" Rassismus berichtet wird. Es gibt leider aber auch sehr viel Rassismus von nicht-deutschen. Vor allem wenn angebliche Konflikte aus der Heimat, den Leuten in die Wiege gelegt wird. Rassismus ist ein allgemeines Problem und es würde mal gut tun diese Debatte zu öffnen. So dumm es jetzt für einige klingenmag, aber ich hab genau so viel Angst vor extrem rechten Türken, wie vor extrem rechten Deutschen oder extremen Rechten Menschen anderer Nationlitäten.

    • @Chris Moka:

      Danke für dieses Kommentar. Nicht zuletzt sind viele Migranten hier, weil sie vor Rechtsradikalen aus ihrem Heimatland geflohen sind. Dass diese hier damit konfrontiert werden müssen aus Toleranz oder bestenfalls Nachlässigkeit ist nicht in Ordnung

    • @Chris Moka:

      Ihr Kommentar bringt es auf den Punkt.



      Bei mir im Haus wohnt ein kurdisches Paar. Sie sagen das ebenso wie Sie.

  • „...ganz klar [...] ein rechtsextremes Symbol"

    Nein, es ist nicht eindeutig. 》So sieht es auch Murat Somer, Politikwissenschaftler von der Özyeğin-Universität in Istanbul. Der Wolfsgruß werde von manchen als Ausdruck einer „quasifaschistischen Ideologie“, von anderen als Ausdruck einer „breiteren politischen Identität“ verwendet. Die Geste könne also je nach Kontext und Person eine legitime patriotische Meinungsäußerung oder eine Rechtfertigung von Gewalt gegen Minderheiten bedeuten. Der Wolfsgruß sei im Zuge des Aufstiegs des türkischen Nationalismus „normalisiert“ worden. Das geschah auch mithilfe türkischer Mainstream-Parteien, die manche Symbole und Diskurse übernahmen, um sie dem Monopol der Rechtsextremisten zu entreißen. So habe der Oppositionspolitiker Kılıçdaroğlu im Wahlkampf den Wolfsgruß genutzt, „um die Polarisierung der Gesellschaft zu überwinden”, sagt der Politikwissenschaftler.《 (FAZ)



    Bestätigt auch Deniz Yücel auf X (2020)



    x.com/Besser_Deniz...329167724673708033

    Dieser Ansatz aus der nicht-nationalistischen Türkei wird konterkariert, letztlich Rechtsextremisten ihr "Erkennungszeichen" wiedergegeben, ihnen Zulauf von Gemäßigten verschafft

    • @ke1ner:

      Diese sogenannte Analyse, die Sie zitieren, ist ein Musterbeispiel für Verharmlosung von rechtem Extremismus. Dass türkische Mainstream-Parteien "manche Symbole und Diskurse" übernommen hätten, "um sie dem Monopol der Rechtsextremisten zu entreißen", ist eine perfide Uminterpretation des politischen Rechtsruckes, der schon einen erheblichen Teil der türkischen Gesellschaft erfasst hat.

      Was den ehemaligen Oppositionsführer Kılıçdaroğlu betrifft, der hatte schon im letzten Wahlkampf mit seiner rassistischen Hetze gegen syrische Geflüchtete international für Entsetzen gesorgt.

      www.zeit.de/politi...fluechtete/seite-2

      Genau wegen seiner nationalistischen Hetzkampagnen wurde übrigens Kılıçdaroğlu nach der Wahl als CHP-Vorsitzender abgesetzt. Sein Nachfolger Özgür Özel erklärte dazu, man wolle nicht mehr mit der Regierung darum buhlen, wer die besseren Nationalisten seien.

      www.tagesschau.de/...chp-oezel-102.html

      Von einem "Ansatz aus der nicht-nationalistischen Türkei" kann hier daher überhaupt keine Rede sein.

      • @Karmesinrot:

        Sie haben sicher Recht, wenn Sie von einem 'politischen Rechtsruck, der schon einen erheblichen Teil der türkischen Gesellschaft erfasst hat' sprechen, dies bestätigt auch der bereits zitierte FAZ-Artikel:



        》Tatsächlich ist in derTürkeidie Aufregung über Merih Demirals Wolfsgruß nicht annähernd so groß wie in Deutschland. Das liegt zum einen daran, dass der Rechtsnationalismus in der türkischen Politik schon länger zum Mainstream gehört. Die Mutterpartei der „Grauen Wölfe“, die MHP, hat 2015 ein Bündnis mit PräsidentRecep Tayyip Erdoğangeschlossen und ist seither an der Macht beteiligt《

        Aber: 》Vielen Türken sei die ideologische Bedeutung der Geste jedoch gar nicht bewusst. Deshalb sehe eine Mehrheit das Disziplinarverfahren der UEFA gegen Demiral wohl als „eine Form der Diskriminierung von Türken“.《

        Im Kontext EM kann das schnell zum "gestohlenen Sieg" werden, und die Türkei beruft sich auch auf den deutschen Verfassungsschutz: 》Zudem verwies das Ministerium auf eine Schrift des deutschen Verfassungsschutzes vom September 2023, in der es heißt, „nicht jeder Verwender dieses Grußes“ sei ein türkischer Rechtsextremist《

    • @ke1ner:

      Context matters? Genau!

      Besagter Spieler ist ja schon mal in diesem Sinn in Erscheinung getreten: "Im Oktober 2019 hatte Demiral bei Treffern der türkischen Nationalelf gegen Albanien (1:0) und Frankreich (1:1) salutiert. Seinen Mitspieler Kaan Ayhan, der seinen Rücken den jubelnden Spielern zukehrte, versuchte Demiral noch zum Salut zu animieren.



      Die Geste wurde als Zustimmung zur Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien gedeutet und führte zu Diskussionen." www.t-online.de/sp...vorgeschichte.html

      Und wenn die Grauen Wölfe sich dieses Symbols bedienen, dann sollte eigentlich auch klar sein, wie das gemeint ist.

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Die Zurschaustellung des Wolfsgrußes durch türkische Nationalspieler auf deutschem Boden ist empörend. Das Verhalten verrät eine verstörende Gleichgültigkeit gegenüber den historischen Ereignissen, von denen diese Heimat des Holocausts bis heute beschattet, vielmehr überschattet wird.

    Es ist kein Bubenstreich, sondern das Erkennungszeichen eines patriarchalischen Rudels, das durchwegs rechtsextrem ist. Hier ist keine falsche Toleranz angesagt. Denn die Grauen Wölfe richten sich gegen Aleviten und Armenier, gegen Juden und Kurden, gegen queere Menschen und Frauen. Ein halbherziger Kampf gegen die Gruppe in der Bundesrepublik lässt die Szene weiter wachsen, sich tiefer vernetzen und ihre antidemokratische Ideologie generationenübergreifend tradieren. Man muss diesen Verein unbedingt verbieten.

    • @Michaela Dudley:

      Ist das denn so? In der FAZ wird dieser Gruß anders beschrieben. Zwar hat er in kleinem Kreis die Bedeutung, die Sie beschreiben. Die Mehrzahl empfindet das als Bekenntnis zur Türkei. www.faz.net/aktuel...russ-19832080.html

      Wenn dies so ist, soll man dann ein Zeichen nicht mehr nutzen, weil eine Gruppe, die widerlich ist, dieses Zeichen für sich wählt?

      • @Strolch:

        Also erstens ist das überhaupt keine kleine Gruppe. In der Türkei kommen die Rechtsextremen bei Parlamentswahlen regelmäßig über 10 Prozent und auch die türkische Regierung bedient sich mittlerweile bisweilen einer rechtsradikal anmutenden Rhetorik, insbesondere gegenüber Minderheiten wie Kurden und Armeniern. Wenn der Wolfsgruß jetzt als "Bekenntnis zur Türkei" uminterpretiert wird, zeigt das eher, wie weit politisch nach rechts große Teile der türkischen Gesellschaft bereits gerückt sind.

        • @Karmesinrot:

          Oh bei der FAZ stand auch, dass die Grauen Wölfe in DEUTSCHLAND die größte Gruppe Rechtsextremer sind und in der taz sind die Artikel über diese Gruppe dünn, was mich ehrlich gesagt überrascht.

      • @Strolch:

        Wo ist für Sie da jetzt der Gegensatz beider Bedeutungen?

        Es hieß auch "deutscher Gruß" und sollte als Bekenntnis zu Deutschland, nicht nur zu den Nazis verstanden werden.

        Extreme Nationalisten nehmen für sich immer in Anspruch, die gesamte Nation zu vertreten.

        • @rero:

          Beim Hitlergruß wird man wohl zwischen der Zeit vor und nach 1945 unterscheiden müssen. Wenn ein 16-jähriger 1940 in der Schule den Hitlergruß machte, wird man dem wohl eine andere Bedeutung zumessen, wie wenn es ein 16-jähriger 2024 macht. Damals hat er sich nichts gedacht, heute will er ein Zeichen setzen.

          Wenn ein Zeichen einfach ein Nationalsymbol ist, dass Rechtsextreme besonders gerne nutzen, kann man nicht jeden, der das Nationalsymbol verwendet als Rechtsextrem bezeichnen. Der Unterschied ist wohl, dass das Zeichen in der Türkei eben überwiegend nicht als Zeichen für die Grauen Wölfe verstanden wird, sondern als Bekenntnis zur Türkei. Das wäre so, wie wenn im Ausland jemand sagt, das Verwenden der Deustchlandflagge lässt eine Zugehörigkeit zur AFD erkennen, da diese das Symbol am häufigsten verwenden (ich weiß, der Vergleich ist nicht der beste...).

  • Der Wolfsgruß ist ein faschistischer, imperialistischer und genozidaler Gruß. Die türkische Form des Hitlergrußes. Wer will, kann auf Wikipedia nachlesen, was es mit den Grauen Wölfen auf sich hat.

    • @Luftfahrer:

      Die FAZ widerspricht Ihnen sozusagen prophylaktisch, wenn sie titelt: „Der Wolfsgruß ist nicht der türkische Hitlergruß”

      Und ausführt: 》Tatsächlich ist in derTürkeidie Aufregung über Merih Demirals Wolfsgruß nicht annähernd so groß wie in Deutschland. [...]

      Es liegt zum anderen daran, dass der Wolfsgruß in der Türkei in den vergangenen Jahrzehnten eine Bedeutungsveränderung erfahren hat. Selbst der frühere Präsidentschaftskandidat der Opposition Kemal Kılıçdaroğlu hat ihn im Wahlkampf schon gezeigt, um nationalistisch gesinnte Wähler anzusprechen. Das ist besonders bemerkenswert, weil Kılıçdaroğlu der religiösen Minderheit der Aleviten angehört《

      Hier taz.de/!6018316/#bb_message_4784094 hat einer mit seinem türkischen(!) Nachbarn(!) über Demirals Wolfsgruß gesprochen(!) - solchen Leuten, gerade bei einer EM, bei der ja Nationalmannschaften aufeinander treffen, zu erklären, ihr Patriotismus sei rechtsextrem, dürfte eher den Grauen Wölfen nützen, statt sie zu ächten.

      Der Gruß ist in D. nicht verboten - es hat auch etwas von einem Interessenskonflikt, wenn ausgerechnet die Sportministerin so gegen einen möglichen Finalgegner vorgeht.

  • Wenn man in die 1980er zurückgeht, da wurden die Alpes rechte Verbände von CDU Politikern in Deutschland animiert sich zu etablieren. Die von der CDU sind ja auch regelmäßig in die Türkei gereist um die Regierungen dort für ihren Antikommunismus zu preisen. Während die Kurden kriminalisiert wurden.

  • Vielen Dank für den ausführlichen Artikel, der aktuelle Hintergrundinformationen gibt. Wie die Diskussion zu anderen Artikel im taz-Forum zeigt, wird mit vielen Relativierungen und Desinformationen gearbeitet.