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Kritik an G7-GipfelViel relevanter als ihr Ruf

Gastkommentar von Lars Brozus

Kritik an der G7 gibt es mehr als genug. Doch die kleine Gruppe ist effektiv und ihre Legitimität höher einzustufen als die anderer Clubs.

Suchen nach Lösungen: der G7-Gipfel in Borgo Egnazia, Italien, am Donnerstag, den 13. Juni 2024 Foto: Luca Bruno/ap

K ritik an der G7 ist hartnäckig und macht sich an drei Punkten fest. Erstens an ihrem Gestaltungsanspruch: In einer globalisierten Welt mit annähernd 200 Ländern mutet der Anspruch einer Splittergruppe von gerade mal sieben Staaten seltsam unzeitgemäß an. Daran schließt der zweite Kritikpunkt an: Die G7 sei gar nicht so bedeutsam, stattdessen liege Gestaltungsmacht zunehmend bei repräsentativeren, ergo legitimeren Gruppen wie der G20. Schließlich wird moniert, dass die G7 zur Spaltung der internationalen Gemeinschaft beiträgt und Gegenmachtbildung provoziert, die sich etwa in der BRICS-Gruppe um China und Russland sammelt.

Die Kritikpunkte beziehen sich also auf mangelnde Legitimität wie auch Effektivität sowie das Polarisierungspotenzial der G7. Diese Vorwürfe gehen jedoch fehl, misst man sie daran, wie andere Staatengruppierungen die genannten Kriterien erfüllen.

Fast 50 Jahre nach ihrem ersten Gipfeltreffen ist die G7 bedeutsamer denn je für die politische Abstimmung von sieben führenden Industrienationen. Maßgeblich dafür sind drei Merkmale internationaler Politik. Erstens gibt es mehr wichtige Mitspieler auf globaler Ebene. Staaten wie China oder Indien sind viel relevanter als vor 50 Jahren. Aber auch Unternehmen und gesellschaftliche Kräfte wie die Umweltbewegung haben an Bedeutung gewonnen. Parallel zur wachsenden Komplexität internationaler Politik steigt der Konsultations- und Koordinierungsbedarf.

Zweitens treten globale Herausforderungen immer deutlicher hervor. Dazu zählen Klimawandel und Artensterben genauso wie politische Herausforderungen durch Migration, soziale Ungleichheit oder bewaffnete Konflikte und Terrorismus. Drittens schließlich ist die Globalisierung in eine tiefe Krise geraten, die sich anhand der Stichworte ­Coronapandemie, Russlands Aggressionskrieg und Trump illustrieren lässt. Corona demonstrierte, wie anfällig internationale Produktions- und Lieferketten sind, wenn unvermittelt Grenzen geschlossen werden. Russlands Aggressionskrieg hat gezeigt, dass die Hoffnung auf politische Annäherung durch wirtschaftliche Verflechtung trügen kann. Trump schließlich steht exemplarisch für Nationalismus statt internationaler Kooperation.

Lars Brozus

ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Globale Fragen der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Er war zuvor an der FU Berlin und Wissenschaftlicher Referent im Bundestag.

G7 hat bessere, weil freiere Beratung

In diesem geopolitischen Umfeld, das von ideologischer Deglobalisierung geprägt ist, gewinnt die G7 an Bedeutung als wichtiges Forum, in dem sich demokratische Staats- und Regierungschefs aus Asien, Amerika und Europa über politische Maßnahmen von internationaler Relevanz abstimmen können. Dabei unterscheidet sich die Art und Weise, wie die G7 arbeitet, von alternativen Club-Formaten wie G20 und BRICS. So wird der Input von nichtstaatlichen Akteuren gesucht und gefördert. Die G7 ist mit einer Vielzahl von Engagementgruppen im Austausch, die dafür sorgen, dass Anliegen aus Gesellschaft und Wissenschaft, von Frauen und Jugendlichen, aber auch aus der Wirtschaft in die Beratungen einfließen.

Diese Gruppen können sich frei von staatlicher Bevormundung organisieren. Das ist in etlichen G20-Mitgliedern wie China, Russland und Saudi-Arabien kaum möglich, genauso wenig in vielen BRICS-Staaten, zu denen etwa Iran und die VAE gehören.

Sehr effektiv bei der Unterstützung der Ukraine

Zudem legt die G7 erheblich offener Rechenschaft ab als die beiden Alternativen. So wird regelmäßig überprüft, inwieweit die Selbstverpflichtungen auch umgesetzt wurden. Das geschieht zwar durch Selbstberichte der Regierungen, wird also nicht durch eine unabhängige Instanz vorgenommen – allerdings national wie transnational durch die kritische Zivilgesellschaft begleitet. Und im demokratischen Rechtsstaat müssen Regierungen damit rechnen, zur Verantwortung gezogen zu werden, sofern sie selbstgesteckte Ziele verfehlen. Die Legitimität der G7 ist daher höher einzustufen als die der anderen Clubs.

Die Effektivität der G7 zeigt sich im Vergleich zu zwei anderen Gruppierungen mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine. Während die Nato künftig den militärischen Beistand koordiniert, leistet die EU humanitäre Hilfe und fördert die politische Stabilität der Ukraine. Die G7 konzentriert sich auf politische und wirtschaftliche Unterstützung, etwa durch die Verwendung der Erträge von eingefrorenem russischen Vermögen zugunsten der Absicherung von Krediten an die Ukraine. Nato, EU und G7 stimmen sich untereinander ab. Die G7 zeichnet sich dabei seit Beginn der russischen Invasion durch hohe Geschlossenheit aus, was zu ihrer Effektivität beiträgt. So hat Ungarn in der EU die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen verzögert, die Türkei in der Nato lange Widerstand gegen den Beitritt Schwedens leistete.

In einem geopolitischen Umfeld, das von ideologischer Deglobalisierung geprägt ist, gewinnt die G7 an Bedeutung

BRICS sind voll innerer Widersprüche

Auch der Vorwurf, die G7 würde die internationale Gemeinschaft spalten, lässt sich kaum aufrechterhalten. Zwar hält die Kritik an der geopolitischen Dominanz der G7 die BRICS-Staaten zusammen. Dieser gemeinsame Nenner überdeckt jedoch Widersprüche zwischen den Mitgliedern. Der russische Präsident Putin konnte im letzten Jahr nicht am BRICS-Gipfel in Südafrika teilnehmen, weil ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn vorliegt. Südafrika unterstützt den Strafgerichtshof ebenso wie Brasilien, so dass offen ist, ob Putin dieses Jahr zum G20-Gipfel nach Rio de Janeiro reisen kann.

Die Differenzen zwischen den demokratischen und den autokratischen Staaten werden durch den Beitritt autokratischer Staaten wie Ägypten, Äthiopien, Iran und der VAE zu BRICS+ eher noch deutlicher. Zudem sind die Beziehungen zwischen den Neumitgliedern Ägypten und Äthio­pien wie auch unter Altmitgliedern wie China und Indien nicht ohne Spannungen. Ob die Forderung nach einer neuen globalen Ordnung ausreichend mit ­Substanz gefüllt werden kann, die den Kriterien Effektivität und Legitimität genügt, ohne die internationale Polarisierung zu befördern, ist ­fraglich.

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3 Kommentare

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  • Eine unaufgeregte Darstellung. Davon würde ich gerne mehr lesen.

    • @Strolch:

      Die Frage wäre wie nicht-G7 Staaten das sehen. Bis dahin ist es eher Selbstbeweihräucherung.

  • Die G7 sind ein Zusammenschluss von Staaten mit hegemonialem Anspruch unter der Leitung der USA. Dieser Club betrachtet wie der Verfasser dieses Artikels die Welt durch seine Brille. Das ist die Brille derjenigen, die kein Interesse an einer Welt haben, die Krisen global und auf Augenhöhe lösen will. Dabei ist der einzig mögliche Weg zu einer friedlichen Welt die Multilateralität, die globale Krisen noch lösen könnte. Es geht schon längst nicht mehr um die Frage, wer das Gute und wer das Böse vertritt, denn diese Betrachtung ist abhängig von Interessen, die nicht offen auf den Tisch gelegt werden.



    Mulilateralität beinhaltet, Sicherheit und Frieden als gemeinsames Projekt aller Menschen zu betrachten. Für diejenigen, die Ausbeutung und Rassismus gewohnt sind, mag das alles unglaublich klingen. Irgendwann müssen auch sie begreifen, dass auch ihr Überleben von Kooperation und Friedfertigkeit abhängig ist. Denn wir Menschen sind alle gleich, auch wenn das einige nicht begreifen.