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Wahlergebnisse in EuropaUnd die Klimakrise?

Um­welt­schüt­ze­r*in­nen sind angesichts der EU-Wahlergebnisse besorgt. Ihre Verbände fordern, dass Brüssel den Green Deal weiter vorantreibt.

Das Engagement auf der Straße hat nicht geholfen: Klimademo zur EU-Wahl in Berlin Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Berlin taz | Die Wahlergebnisse für die Europawahl am vergangenen Sonntag beunruhigen Umwelt- und Industrieverbände in Deutschland. Während die Zustimmung für rechtsextreme und konservative Parteien bei den EU-Bürger*innen gestiegen ist, verzeichneten Parteien, die sich für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit einsetzen, hohe Verluste.

Nach der als Klimawahl rezipierten Parlamentswahl 2019 und den daraus resultierenden starken Zustimmung für die Grünen von mehr als 20 Prozent in Deutschland hofften NGOs und Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen auch in dieser Wahl den Kampf gegen die Klimakrise zu priorisieren.

„Es ist tragisch, dass populistische und rechtsextreme Parteien überall in Europa Zulauf haben, obwohl sie keine Antworten auf die drängendsten Zukunftsfragen haben“, sagt WWF-Vorständin Heike Vesper. Für sie stehe die Union als Wahlsieger nun in der Verantwortung, sich klar nach rechts hin abzugrenzen und verlässlich die demokratische Zusammenarbeit an Lösungen zu organisieren.

Der Deutsche Naturschutzring (DNR) spricht gezielt die ehemalige Kommissionspräsidentin und EVP-Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen an, die sich für eine grüne Zukunft Europas einsetzen soll. „Europa kann seinen Wohlstand nur erhalten, wenn es die Folgen der Klimakrise eindämmt und ihre Ursachen bekämpft“, sagt DNR-Präsident Kai Niebert.

Green Deal fortsetzen

Umweltverbände müssten sich daher stärker dafür einsetzen, dass sich die große Sorge der EU-Bevölkerung in Hinblick auf die Klimakrise auch in effektive, sozial-gerechte und greifbare Politikinstrumente übersetzt, die das Leben sicherer und lebenswert machen. Auf politischer Ebene sei es nun „umso wichtiger, dass die EU den Green Deal konsequent fortsetzt – zum Wohl der Menschen und zum Wohl der Natur“, betont deshalb Niebert.

Rechtspopulisten in Europa wollen bisherige Bemühungen für mehr Klimaschutz rückgängig machen und den Green Deal abschaffen. Als zentraler Bestandteil der europäischen Klimapolitik, soll der Green Deal dafür sorgen, dass EU-Länder bis 2050 keine Netto-Treibhausgase mehr ausstoßen und damit klimaneutral werden. Die Fortsetzung des Deals ist eine Kernforderung vieler Natur- und Umweltschützer nach der Wahl.

Auch Greenpeace schließt sich den Forderungen der Umweltverbände an und betont, dass die Wahl die Klima- und Naturkrise nicht weniger existenziell werden lasse. Der Klimaschutz sei weiterhin ein relevantes Thema, dass im Leben vieler Eu­ro­päe­r*in­nen eine entscheidende Rolle einnehme, so die Umweltschutzorganisation.

Bür­ge­r*in­nen sorgen sich um Klimakrise

Eine Umfrage der EU-Kommission von März 2024 unterstützt die Aussage der NGO. Mehr als drei Viertel der Eu­ro­päe­r*in­nen beeinflussen Klimafolgen in ihrem Alltag. 4 von 5 Befragten geben an, dass die EU-Gesetzgebung für den Klimaschutz in ihrem Land von Bedeutung sei.

Industrie- und Wirtschaftsverbände in Deutschland fordern die demokratischen Parteien ebenfalls auf, sich klar zu positionieren und für eine EU-weite Transformation einzusetzen. Europas industrielle Wettbewerbsfähigkeit müsse in der kommenden Legislaturperiode zu einer Priorität werden, fordert der Industrieverband BDI.

„Das neue EU-Parlament muss Ökologie und Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen besser ausbalancieren“, sagt BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner. Man stehe auch weiterhin hinter den Ziel des Green Deals.

Ähnlich sieht es die Deutsche Industrie- und Handelskammer. Sie fordert eine europäische Industriepolitik, die auf gute Standortfaktoren für die Branchen in der Breite setzt.

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14 Kommentare

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  • Wen interessiert denn die Klimakrise??



    Die größte Krise zur Zeit liegt doch wohl darin, dass die Einheimischen auf Malle die Schnauze voll haben, dass man auf Bürgersteigen nicht mehr parken dürfen soll und dass es die Partychemikalien nicht auf Rezept gibt.

    • @Erfahrungssammler:

      Mit Zynismus und vom hohen Ross überzeugt man leider niemanden. Und wenn der Trotz einsetzt, so kindisch das auch sein mag, dann wird es fast unmöglich, jemanden mit Argumenten zu überzeugen.



      Es gehört aus meiner Sicht dazu, die Menschen mit Empathie "abzuholen" und zu überzeugen. Aber Empathie ist auch nicht einfach...

  • Das haben die bösen Ökos jetzt davon: haben dauernd mit "Druck und Eile" Jagd auf harmlose Bürger gemacht, - wollen an "die Schätze der Bevölkerung": Autos, die zunehmend gern auch wieder im Stand laufen gelassen werden. Um zu zeigen, dass man sich die Spritpreise leisten kann? Oder um den Ökos den Stinkefinger zu zeigen?



    Die Fakten zu den Folgen des Treibhauseffektes dürften hinreichend bekannt sein. Manch einer spürt sie längst am eigenen Leib. Statt endlich Notwendigkeiten einzusehen und umzusetzen, kann man natürlich noch jahrelang diskutieren und jeden Bürger "da abholen, wo er sich befindet". Das, was da auf uns alle zukommt, wird bestimmt so lange warten.



    Oder sich abwählen lassen.

  • Technologieoffenheit wird im Kampf gegen den Klimawandel wird auch in der EU zukünftig eine größere Rolle spielen. Dazu zählen neben moderner Kernkaft ud Laufzeitverlängerung auch synthetische Kraftstoffe und Biokraftstoffe. Auch marktwirtschaftliche Mechanismen statt staatlicher Subventionen werden von größerer Bedeutung sein. Garantierte Abnahmepreise für Solarstrom mit 20 Milliarden EUR pro Jahr zu subventionieren macht keinen Sinn. Die Betreiber von Solaranlagen sollen sich Stromspeicher zulegen und den Strom dann einspeisen, wenn die Strompreise an der Börse hoch sind. Außerdem sollten die Betreiber der EE an den Netzausbaukosten beteiligt werden.

  • Ein großer Teil der jungen Wähler enttäuscht maßlos.

    Klimakrise gegen weltweites Herumfliegen, wenn man sich von den Anstrengungen nach dem Abitur erholen muss - ihre Entscheidung ist deutlich.



    Die "weniger Gebildeten" zeigen ihr "Interesse" in weniger weit entfernten Dekadenz-Hotspots und kürzer als ein Jahr, lassen aber auch nichts aus, den Planeten gegen die Wand zu fahren.

  • " ..„Es ist tragisch, dass populistische und rechtsextreme Parteien überall in Europa Zulauf haben, obwohl sie keine Antworten auf die drängendsten Zukunftsfragen haben“, sagt WWF-Vorständin Heike Vesper."



    Falsche Antworten kursieren aber schon jahrelang in Hülle und Fülle in Blasen / Echokammern.



    Kampagne Desinformation und Kulturkampf.



    www.tagesschau.de/...andel-afd-101.html

    • @Martin Rees:

      Vor der Zukunft kommt in jedem Fall die Gegenwart. Darum sind die Menschen vor Antworten auf die drängensten Zukunftsfragen an Antworten auf die drängensten Gegenwartsfragen interessiert. Wann und wo finde ich überhaupt noch eine (geeignete und bezahlbare) Wohnung? Wie weit komme ich noch mit meiner Rente, wenn die (Energie-)Kosten immer weiter steigen? Und so weiter? Der Weg muss vom Start aus gedacht werden und nicht vom Ziel.

  • „ Bür­ge­r*in­nen sorgen sich um Klimakrise“



    Klares Jein.



    Sorgen und kennen vielleicht ja. Aber handeln? Nein.



    Zb gab es in Marburg am Sonntag einen Bürgerentscheid zu Reduktion von Autoverkehr. In der Stadt. Kurz gesagt, eine knappe, aber Mehrheit hat das Konzept abgelehnt.

    • @fly:

      Beamtenmentalität vs. Unternehmertum... .

      Beamtenmentalität: Ich verordne den Bürgern gegen ihren Willen den öffentlichen Nahverkehr und wundere mich über die Gegenreaktion.

      Unternehmertum: Wie mache ich den öffentlichen Nahverkehr so attraktiv, dass die Menschen freiwillig umsteigen und sich anschließend bei mir bedanken?

    • @fly:

      Vielleicht wäre es auch einfach hilfreich die ganze Klimapolitik gefühlt immer um den Autoverkehr drehen zu lassen. Man wird hier nichts gewinnen können, die Menschen wollen Autos. Und sie sind auf dem Land halt notwendig.



      Wenn man jedesmal die „Schätze“ der Bevölkerung angreift, dann wird es keinen Klimaschutz geben!



      Die Bevölkerung hat ein klares Bild vom Klimaschutz und der hat gewisse Rahmen und Grenzen, sowie ist nicht nach Linken Vorstellungen gewünscht.

      • @Walterismus:

        Klimaschutz bitte nur im genehmen Rahmen, der das Klima gar nicht schützt. Warum sind Naturgesetze bloß nicht am Menschenwillen interessiert? Man sollte sie abwählen!

        • @Paul Anther:

          Man kann natürlich Besserwisserisch diese Position vertreten, aber dann wirst du halt abgewählt, bzw. rechten Futter geliefert.



          Ja ist Blöd, aber ohne Ökodiktatur wird man das akzeptieren müssen….

  • Für viele Europäer ist persönlich das Klima eben nicht die "drängendste Zukunftsfrage".



    Und wer ein bisschen Empathie besitzt, sollte das in der aktuellen Situation auch verstehen können.

    Das zeigt dann auch, dass die bisherige Strategie von Grünen und anderen, möglichst viel Druck und Eile zu bewirken, nicht aufgeht.



    Druck erzeugt Gegendruck!



    Wenn große Veränderungen Wirklichkeit werden sollen, braucht es ziemlich intensive Debatten. Weder Oberflächlichkeit ("für oder gegen Klimaschutz?") noch vernachlässigbare Details (wie persönliches Konsumverhalten) bringen voran.

    Doch trotz des groß angeschlagenen Ziels der Klimaneutralität sind viele wichtige Fragen offen.

    Soll es in Zukunft deutlich weniger Individualverkehr geben? Wenn ja: Wie kommt die Bahn an Stellen, die sie seit 150 Jahren nie erreichte?



    Braucht es die "All Electric Society"? Geht das überhaupt? Oder sind wir damit zu angreifbar?



    Und wie und wo speichert man Strom für 24 h? Oder für ein halbes Jahr?

    Nicht alle Fragen lassen sich heute lösen, und natürlich kann man es nicht allen recht machen.

    Wer jedoch Akzeptanz für Klimaschutz sucht, sollte diese Debatte unbedingt führen - und zwar ergebnisoffen!

    • @Frauke Z:

      Ich wünschte, Ihre Worte würden in der grünen Politik ankommen. Allerdings hege ich da starke Zweifel. Schon Ihr letztes Wort (ergebnisoffen) ist - da vergleichbar mit Technologieoffenheit - für viele grüne Aktivisten nicht akzeptabel. Sie haben sich nunmal auf Elektro festgelegt (was vermutlich sogar den Stand der Wissenschaft von heute entspricht), und darüber wird nicht diskutiert. Punkt.



      Allerdings konnte mir noch niemand erklären, was an Technologiefreiheit das Problem ist. Wenn Elektro tatsächlich auch in 10 Jahren das Beste ist, wird es sich bis dahin großflächig durchsetzen. Wenn es nicht das Beste ist, dann nicht. Aber die "Entscheidung" darüber würde ich gerne der Forschung und dem Markt überlassen und nicht auf Basis eines grünen Stuhlkreises verbindlich festschreiben.