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Kommunalwahl in ThüringenDämpfer für Höcke-AfD

Die AfD von Rechtsaußen Björn Höcke legt bei den Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen in Thüringen zu. Ein Sieg im ersten Anlauf bleibt aber aus.

Stimmauszählung nach der Kommunalwahl in Thüringen Foto: Funke Foto Services/imago

Erfurt epd/dpa/afp | Nach den Landratswahlen vom Sonntag in Thüringen ziehen Kandidaten der in dem Bundesland als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD in zehn von 13 Stichwahlen ein. Im Landkreis Altenburger Land habe AfD-Kandidat Heiko Phillipp mit 33 Prozent der abgegebenen Stimmen die meisten Stimmen erhalten, teilte das Thüringer Landesamt für Statistik am Sonntagabend auf seiner Internetseite mit. Die Stichwahlen finden in Thüringen am 9. Juni statt.

Landesweit haben sich CDU und AfD ein Kopf-an-Kopf-Rennen geliefert. Nach Auszählung von rund 80 Prozent der insgesamt 3047 Stimmbezirke lag die CDU am Montagvormittag mit 27,5 Prozent knapp vorn, wie aus den Daten des Landesamts für Statistik hervorging. Die AfD kam bei der Wahl der Kreistage und Stadträte laut Zwischenergebnis auf 26,5 Prozent und legte im Vergleich zur Abstimmung vor fünf Jahren zu.

Die Auszählung dauerte am Montag noch an, aus zahlreichen Städten fehlten die Ergebnisse noch. In der Landeshauptstadt Erfurt wurden mit der Zählung der Stimmen zur Stadtratswahl beispielsweise erst am Montag begonnen.

Die AfD rückt der CDU in einer Reihe von Kommunalparlamenten auf die Pelle. In einigen Kreistagen scheint bei den Stimmenanteilen sogar eine Pattsituation absehbar. Für Aufregung sorgte das Abschneiden eines Neonazis bei der Landratswahl im Kreis Hildburghausen – der Hitlerfan Tommy Frenck schaffte es mit 24,9 Prozent in die Stichwahl.

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AfD-Kandidaten in Stichwahlen

Neun von 13 angetretenen AfD-Kandidaten kamen in die Stichwahl oder standen nach letzten Auszählungsständen kurz davor – vor allem gegen CDU-Kandidaten. Allerdings lag die AfD nur im Landkreis Altenburger Land in Ostthüringen vorn. Teils landeten ihre Bewerber weit hinter denen der anderen Parteien.

Nach Einschätzung des Bochumer Politikwissenschaftlers Oliver Lembke entwickelt sich die AfD zu einer kommunalen Kraft. „Sie erobert keine Rathäuser. Aber sie zwingt die CDU in die Stichwahl“, sagte Lembcke, der an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert und etliche Jahre in Thüringen gelebt hat.

Es reiche nicht für die Führung auf kommunaler Ebene. Der AfD sei es aber besser als zuvor gelungen, ihr Potenzial, das sie auf Landesebene in Umfragen hat, auch in den Kommunen auszuschöpfen. Dort liegt sie seit Monaten bei um die 30 Prozent und Platz eins. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet.

Experte rechnet mit CDU-Erfolg

Lembcke rechnete damit, dass sich die CDU bei den Stichwahlen am 9. Juni weitgehend durchsetzt, weil es zu Allparteien-Allianzen gegen die AfD kommen werde. „Die AfD hat es in der Weise vermasselt, weil sie das schlechtmöglichste Bild in den vergangenen Wochen abgegeben hat“, sagte er mit Blick auf die zahlreichen Skandale in der AfD.

Die Partei rutschte zuletzt auf Bundesebene in eine Krise. Grund sind Äußerungen des AfD-Europawahlspitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS und eine Spionageaffäre um einen seiner Mitarbeiter. Gegen die Nummer zwei auf der AfD-Europawahlliste, Petr Bystron, laufen Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche.

Die CDU, die auf kommunaler Ebene in Thüringen traditionell stark ist, konnte ihre Position halten und hat Chancen auf eine Reihe von Landratsämtern. In der Landeshauptstadt Erfurt hat sie Aussicht auf eine Rückeroberung des Rathauses nach 18 Jahren SPD-Führung. In mehreren Regionen vollzog die CDU einen Generationenwechsel. So traten etwa die beiden dienstältesten Landräte in Deutschland, Werner Henning (Eichsfeld) und Martina Schweinsburg (Greiz, beide CDU), aus Altersgründen nicht mehr an.

Neue AfD-Macht in den Kommunalvertretungen?

Lembcke sagte, es habe Folgen, dass die AfD in den Kreistagen, Stadträten und Gemeinderäten mehr Sitze bekommen wird. „Es wird noch schwerer, sie auszugrenzen, in manchen Fällen wird es gar nicht mehr funktionieren können. Das ist wenig überraschend bei einer Partei, die in den Umfragen immer wieder auf 30 Prozent kommt.“ Durch diese Stärke in den kommunalen Vertretungen werde das Thema Brandmauer „faktisch immer mehr zu einer Metapher werden, die sich zum Ballast für die CDU entwickelt“.

Die AfD werde mehr „Erpressungsmacht“ erhalten, „mitmachen zu dürfen“. „Sie wird immer mehr erpressen können, dass ihre Vorlagen, ihre Gedanken mehr berücksichtigt werden, dass man mit ihnen spricht und sich mit ihnen abstimmt“, sagte Lembcke. „Ich würde erwarten, dass sie als kommunale Macht viel stärker als bisher ihre Ausgrenzung wegarbeiten kann.“

Bei den Wahlen der Kreistage und Stadträte der kreisfreien Städte in Thüringen lagen CDU und AfD nach einem Zwischenstand fast gleichauf. Nach Auszählung von über zwei Dritteln der Stimmbezirke kam die CDU in der Nacht zum Montag auf 27,5 Prozent, die AfD lag bei 27,0 Prozent. Während sich die AfD im Vergleich zu 2019 um fast zehn Punkte verbesserte, hielt die CDU bei diesem Auszählungsstand ihren Stimmenanteil weitgehend stabil. Verluste erlitten Linke, SPD und Grüne, die in Thüringen die Landesregierung stellen. Im Landkreis Sonneberg, wo die AfD ihren deutschlandweit ersten Landrat stellte, lag die Partei am Abend deutlich vorne.

Rund 1,74 Millionen Menschen waren in Thüringen am Sonntag zu Kommunalwahlen im Großformat aufgerufen: 13 von 17 Landräten waren zu wählen sowie 5 Oberbürgermeister der kreisfreien Städte. Außerdem wurden flächendeckend Kreistage, Gemeinde- und Stadträte sowie ehrenamtliche und hauptamtliche Bürgermeister gewählt.

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8 Kommentare

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  • Die einzigen ländlichen Wahlkreise, in denen die AfD nicht (weit über) 20% Prozent hat sind die, wo sie von Rechts substanzielle Konkurrenz hat wie z.B. Neonazis oder sich selber zerstritten hat. Diese Wahl war ein Triumph des Rechtspopulismus und Rechtsextremismus auf ganzer Linie, für deren Wähler spielen kommunalpolitische Aspekte defacto keine Rolle, es geht darum die Bewegung zu stärken. Es ist völliger Quatsch eine Niederlage herbeizufabulieren, wenn auf kommunaler Ebene die AfD mit Null Kommunalexpertise 10%+ zulegt.

  • Ich bin nicht überrascht, dass die Grünen bei diesen Wahlen praktisch bedeutungslos waren.



    Vielleicht sollten Sie doch die Nähe der Bürger suchen und sich mit deren Sorgen und Nöten befassen.

  • Man kann sich kaum ausmalen, was die AfD in Kreisverwaltungen und Kommunen anrichten kann. Wenn eine Kommune beschließt, einfach keine Flüchtlingsunterkünfte auszuweisen, würde der Stadtratsbeschluss bislang vom Landrat ersetzt. Wenn der Landrat aber selbst AfD-Mitglied ist, wird das womöglich ausbleiben. Dann muss die Landesregierung selbst tätig werden. Gibt es auch da eine Blockade, wird Thüringen künftig, wenn nicht gar der Bund selbst gegen das Land tätig wird, jedenfalls als Pariastaat behandelt und die anderen Bundesländer werden den Länderfinanzausgleich verweigern. Das sind immerhin 1.9 Mrd Euro. Auf die Dauer kann das die Bundesrepublik dann doch in die ernste Staatskrise führen, die sich die AfD erträumt. Aber sie wäre komplett hausgemacht und von der AfD selbst ochestriert.

  • Vor Abgabe des Stimmzettels Gehirn einschalten, sofern es vorhanden und nichts rechts eingequetscht ist.

  • Ob die AfD Sieger sein wird hängt von der CDU ab.



    Daher befürchte ich Schlimmstes.

  • naja man braucht ein allparteien bündnis um eine AFD zu schlagen und die AFD soll schwach sein.

    Die Linke in Thüringen ist verdammt den cheerleader für die CDU zu machen und dies ist offenbar auch der Anspruch

    Für die Grüne ist Wahl erbärmlich gelaufen; ist aber der TAZ keine Erwähnung wert

    • @clembus:

      und warum sollte man wählen gehen, wenn alle Parteien zusammenarbeiten und "nur" gegen die afd sind?



      Das wäre die beste Wahlwerbung für diese Idio...

  • Wichtig scheint mir zu sein, wie hoch die Wahlbeteiligung ausfällt. Schließlich ist die AfD letztlich immer dort eher stärker vertreten gewesen, wo die 'Altparteien' (so es sie im Osten überhaupt (noch, Linke) gibt den Wählerinnen und Wählern kein entsprechendes Angebot machen konnten (eigentlich bei den meisten 'Repäsentanten': wollten, Wähler können so lästig sein, wenn sie den platten Parolen nicht folgen) .