AfD-Ausschlussverfahren gegen Helferich: Machtprobe auch gegen Höcke

Die AfD Nordrhein-Westfalen hat dem Abgeordneten Helferich die Mitgliedsrechte entzogen – eine Kampfansage an die Völkischen in der Partei.

Matthias Helferich spricht im Deutschen Bundestag

Matthias Helferich, Bundestagsabgeordneter, ist Beisitzer im Vorstand der AfD Nordrhein-Westfalen Foto: dts Nachrichtenagentur/imago

BERLIN taz | Es ist eine Kampfansage innerhalb der AfD – und zwar mitten im Wahlkampf: Am Sonntag, noch während in Thüringen die für die extrem rechte Partei wichtigen Kommunalwahlen liefen, wurde aus Parteikreisen relativ breit gestreut, dass der Landesverband NRW beschlossen hat, Matthias Helferich aus der Partei auszuschließen – mit sofortigem Entzug der Mitgliedsrechte.

Der Bundestagsabgeordnete ist selbst Beisitzer im Vorstand der AfD Nordrhein-Westfalen und durfte dem erfolgreichen Antrag seines Parteiausschlussverfahrens beiwohnen. Überrascht haben dürfte ihn das weniger. Helferich ist schon länger umstritten und durchaus skandalerprobt. Er wurde trotz Bundestagsmandat 2021 nicht Teil der AfD-Fraktion, weil Äußerungen von ihm bekannt geworden waren, in denen er sich unter anderem selbst als das „freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet und sich positiv auf den berüchtigten NS-Richter Roland Freisler bezogen hat, der Teilnehmer der Wannsee-Konferenz war und in der Nazizeit viele politische Todesurteile ausgesprochen hat.

Helferich blieb in den letzten Jahren dennoch umtriebig, ist gut vernetzt mit dem Kopf der Völkischen, Björn Höcke, und dem rechtsextremen Ideologen Götz Kubitschek sowie dem identitär-aktivistischen Vorfeld der AfD und der Jungen Alternative. Gründe, gegen Helferich vorzugehen, hätte es entsprechend schon lange gegeben, wenn die inhaltliche Abgrenzung denn ernst gemeint wäre.

Der Zeitpunkt der Ordnungsmaßnahmen ist aber eher taktisch zu verstehen und als Versuch, die Vorherrschaft des Höcke-Lagers auf dem Ende Juni anstehenden Bundesparteitag in Essen anzugreifen. Dessen völkisch-nationalistisches Lager dominiert die Partei seit längerem, Helferich sollte ihm offenbar mit einer Kandidatur zu Einfluss in einem neuen Vorstand verhelfen.

„Raus mit die Viecher“

Nicht zuletzt der Erfolg des Verfassungsschutzes gegen die AfD vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster sowie nicht abreißende Skandale um die Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah und Petr Bystron, sowie sinkende Umfragewerte sorgen allerdings für Verstimmungen. Die veränderte Ausgangslage verschafft Unzufriedenen mehr Beinfreiheit – also denjenigen, die weniger offen radikal auftreten wollen, wie etwa der Landeschef aus NRW, Martin Vincentz.

Dessen Landesvorstand begründete sein Vorgehen gegen Helferich entsprechend damit, dass man dessen „Abwege“ nicht mehr hinnehmen wolle: „Er und sein Gebaren schaden seit geraumer Zeit der Partei“ und stünde im „krassen Gegensatz“ zu „unseren Grundsätzen“. Einer der Anlässe für das Vorgehen seien diverse jüngste Äußerungen von Helferich, in denen klar geworden sei, dass er auch deutsche Staatsbürger abschieben wolle, hieß es. Der taz liegen etwa Screenshots davon vor, wie Helferich auf Instagram einen Rückspiegel-Anhänger mit dem Slogan „Raus mit die Viecher“ mit „Super. #Remigration“ kommentierte.

Aus Parteikreisen hieß es, auch unter Bezugnahme auf das Urteil vor dem Oberverwaltungsgericht Münster, man akzeptiere „keine biologistische Sicht auf das Staatsvolk“. Über den Ausschluss entscheiden nun die Parteigerichte. Bereits einmal ist ein Versuch gescheitert, Helferich auszuschließen. In NRW hofft man unterdessen auch auf Rückendeckung aus anderen Landesverbänden – ob die gegeben ist, bleibt allerdings abzuwarten.

Helferich tut gelangweilt

Helferich selbst kommentierte beim WDR, dass er davon ausgehe, dass der Vorstand in NRW seine Kandidatur für den Bundesvorstand verhindern wolle: „Man weiß sich nicht anders zu helfen, als mich kaltzustellen“, ihn langweile das Vorgehen. Tatsächlich kann Helferich nicht kandidieren, solange ihm die Mitgliedsrechte entzogen sind.

Beistand bekam Helferich vor allem aus dem Osten: Dort blieb die Kampfansage aus NRW nicht unbeantwortet: „Martin Vincentz zündet unsere Partei an“, schrieb das Thüringer AfD-Vorstandsmitglied Daniel Haseloff. Helferich sei „Hoffnungsfigur auf schwierigem West-Gebiet“. Der drohende Ausschluss sei „Zersetzung von Innen, Beseitigung von Konkurrenz. Wir müssen das stoppen“, forderte er.

Auch der Schnellroda-Ideologe Benedikt Kaiser sprang Helferich bei: „Meuthen ist zurück. Er heißt jetzt Vincentz. Solidarität mit Helferich.“ Jörg Meuthen war vor seinem Parteiaustritt ein Gegenspieler des völkischen Flügels. Helferich sei die Hoffnung der „grundsätzlichen Rechten“ für den Bundesparteitag, so Kaiser. Er solle ausgeschaltet werden, so dass Meuthenianer keine wirkmächtigen Gegenspieler bekommen können. „Wer die Partei mitten im Superwahljahr anzündet, hat jedwede (letzte) Legitimität verspielt“, schrieb er.

Der Bundesvorstand positionierte sich auf taz-Nachfrage zunächst nicht zum Ausschlussverfahren. Dass Vincentz sich mit Alice Weidel und Tino Chrupalla abgestimmt hat, ist aber wahrscheinlich, gerade am Samstag sind sie noch zusammen im Europawahlkampf in Marl aufgetreten.

Chrupalla schimpft auf Le Pen und Meloni

Tags zuvor hatte unterdessen Chrupalla selbst auf dem Landesparteitag in Sachen mit radikalen Ansagen in Richtung von Marine Le Pen und Giorgia Meloni für Aufsehen gesorgt. Die AfD war wegen der nicht abreißenden Skandale um Maximilian Krah Ende letzter Woche aus der Fraktion Identität und Demokratie ausgeschlossen worden – vor allem, nachdem dieser die Verbrechen der SS verharmlost hatte.

Chrupalla hatte den sofortigen Ausschluss der AfD-Delegation in Brüssel wiederum im sächsischen Glauchau wütend beantwortet: „Melonisierung wird es mit uns nicht geben“, schimpfte Chrupalla ganz ungeniert in Richtung der europäischen Partnerparteien, nachdem die AfD ausgebootet wurde. Seine Partei werde sich nicht verbiegen, um für andere ansehnlicher zu werden.

Klingt nicht gerade wie eine Abkehr vom Radikalkurs der AfD. Höcke und Kubitschek forderten unterdessen eine Zusammenarbeit mit offen rechtsextremen Parteien im Europaparlament, wie sie auch Krah immer befürwortet hatte. Höcke forderte etwa „die Bildung einer schlagkräftigen kleinen Fraktion mit alternativen Kräften“ und kein „neuerliches Anbiedern an Partner, die offenkundig nicht in der Lage sind, Europa neu zu denken und lieber in alten Abhängigkeiten bleiben wollen“. Die gemeinsame Klammer von Chrupalla, Krah und Kubitschek bleibt dabei die offene Nähe zum Aggressor im Ukrainekrieg, dem Kreml und Wladimir Putin.

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