Schwieriger Umgang mit der AfD: Wie man’s auch macht
Soll man berichten? Muss man berichten? Und wenn ja, wie macht man das am besten, ohne der AfD zu viel Aufmerksamkeit zu verschaffen?
P remiere war es keine. Als dieser Tage der AfD-Mann Björn Höcke in Halle vor Gericht erscheinen musste, weil er sich wiederholt einer Formulierung der nationalsozialistischen SA bedient hatte, sahen Berichterstattende sich ja weiß Gott nicht zum ersten Mal vor die Frage gestellt: Was tun? Den Scheiß reproduzieren? Wenige Tage zuvor erst hatte das Bildschirm-„Duell“ Höckes mit dem Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt es nötig gemacht, nachzudenken über das richtige Umgehen mit so einer Inszenierung – und es war dazu ja nicht der allererste Anlass.
Es führt kein Weg daran vorbei: So ein Prozess und wie ein Angeklagter darin auftritt, zumal einer, der politisch gestalten will – so etwas stiftet Nachrichten, da muss berichtet werden. Zumal es der AfD besser zu gelingen scheint als allen anderen Parteien, eine ihr zugetane, ja eine von ihr zu kontrollierende Medienlandschaft zu kultivieren.
Sie und ihre Aktivitäten – auch mutmaßlich höchst kalkulierte Fehlleistungen ihres vielleicht prominentesten Funktionärs – ausblenden zu wollen, kann den erhofften Erfolg gar nicht erzielen. Schlimmer noch: Von sogenannten Systemmedien „totgeschwiegen“ zu werden, dürfte Höcke und den Seinen noch mehr Sympathien bescheren.
Sollte es Berichterstattenden also um jene gehen, bei denen noch etwas auszurichten ist? Die den wahren, den extrem rechten Charakter der „Alternative“ noch nicht erkannt haben? Ja – aber. Was, wenn die Skandalisierung schlicht nicht bewirkt, was sie soll? Wenn selbst das Herausstreichen ihrer Nazinähe der Partei noch Wähler:innen zutreibt, weil halt die Richtigen (also Falschen) die Entlarvenden sind – und der Feind der Systemmedien mein Freund ist?
So ganz egal ist der AfD nicht, wer was von ihnen mitbekommt
Es gibt Grund zur Hoffnung: Der erkennbare Wunsch der Partei und ihres Umfelds, abzulenken von den Correctiv-Recherchen zum Potsdamer Treffen und den da formulierten „Remigrations“-Fantasien, legt nahe: Es ist diesen Leuten doch nicht so ganz egal, wer wann wie viel mitbekommt von ihrem tatsächlichen Denken und Handeln.
Die AfD für unproblematisch zu erklären, weil sie doch „demokratisch“ gewählt werde, ist naiv. Aber gewählt wird sie nun mal – und was für meine abendliche Diskutierrunde ein klarer Fall von Faschismus sein mag, ist es deswegen nicht gleich auch für alle anderen Menschen da draußen. Vorsicht also vor allzu hohen Erwartungen an den „Gotcha!“-Journalismus, der darauf abzielt zu diskreditieren, statt aufzuklären.
Bleibt nur, immer wieder durchzudeklinieren, dass die Politik der vermeintlichen Alternative gerade ihren treuesten Anhänger*innen schaden würde? So nüchtern wie möglich, dafür umso lückenloser? Gott, ist das deprimierend. Aber das ist halt auch die ganze AfD.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
Trumps Personalentscheidungen
Kabinett ohne Erwachsene
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein