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Abschied aus der PolitikRoth macht Schluss

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Michael Roth (SPD) hört 2025 auf. Grund für seinen Entschluss ist auch die Entfremdung von seiner Partei.

Michael Roth will nicht als Politiker in Rente gehen Foto: dpa

Berlin taz | Im Sitzungsaal des Auswärtigen Ausschusses hängen die Porträts aller ehemaligen Ausschussvorsitzenden. Als die taz den amtierenden Vorsitzenden Michael Roth im vergangenen Jahr begleitete, wies der SPD-Politiker auf die Galerie mit den Worten: „Irgendwann hängen sie mich dort auch auf.“ Irgendwann, das wird 2025 sein. Denn jetzt hat Michael Roth seinen Ausstieg aus der Politik bekannt gegeben.

In einer der taz vorliegenden Erklärung schreibt Roth, dass er im Herbst 2025 nicht noch einmal für den Bundestag kandidieren werde. „Ich strebe auch kein anderes politisches Amt oder Mandat mehr an.“ Er sei mit sich im Reinen und blicke mit Freude auf all das, „was ich bewegen, zum Besseren verändern und unterstützen durfte.“ Bis zum Herbst 2025 werde er seine Arbeit mit all seiner Kraft und Leidenschaft fortsetzen.

Ganz überraschend kommt diese Ankündigung nicht. Der Außenpolitiker war einer der wenigen in der SPD, die von Anfang an und mit großer Vehemenz dafür geworben haben, die Ukraine mit Waffen, auch mit schwerem Gerät, zu unterstützen. Besonders beliebt ist diese Position bis heute nicht. Es wird wohl einer der Gründe gewesen sein, weshalb ihn die Delegierten auf dem Parteitag im Dezember durchfallen ließen, als Roth erneut für den Parteivorstand kandidierte.

Zuletzt wurde es auch in der Bundestagsfraktion immer einsamer um Roth. Die Fraktion stellte sich lieber hinter Fraktionschef Rolf Mützenich, als der laut darüber nachdachte, ob man den Krieg in der Ukraine durch „Einfrieren“ beenden sollte.

Als steige er in einen „Kühlschrank“

Im Interview mit dem Stern hat Roth diese Entfremdung öffentlich gemacht. Er habe im letzten Jahr gemerkt, „dass ich mit unseren Sitzungen immer mehr fremdele, dass mich die Gremien stören, die Stimmung darin. Wenn die Tür zum Fraktionssaal aufging, hatte ich zuletzt den Eindruck, ich steige in einen Kühlschrank.“ Dafür trage er eine Mitverantwortung. Er habe öffentlich stark für seine Haltungen geworben, das Gespräch mit Kollegen aber vernachlässigt.

Roth macht im Stern-Interview kein Hehl aus dem aus seiner Sicht viel zu duldsamem Umgang von Fraktion und Partei mit Bundeskanzler Olaf Scholz. „Sowohl Partei als auch Fraktion haben sich ihm faktisch untergeordnet. Es hängt alles am Kanzler. Das ist in Zeiten, in denen man es nicht allen recht machen kann, schlicht eine Überforderung. Politik ist Teamspiel, keine One-Man-Show.“

Seit 26 Jahren gehört Roth ununterbrochen dem Bundestag an und vertritt dort den hessischen Wahlkreis Hersfeld-Rotenburg. Der 53-Jährige gehört damit zu den dienstältesten Sozialdemokraten und Abgeordneten im Parlament. Roth, der als Teenager, 1987, in die SPD eintrat, war im Laufe seiner langen Parteikarriere auch hessischer Generalsekretär und von 2017 bis 2023 Mitglied des Parteivorstands. Im Jahr 2019 bewarb er sich gemeinsam mit Christina Kampmann um den Posten des Parteichefs, scheiterte aber, genau wie Olaf Scholz.

Will nicht als Politiker in Rente gehen

In seiner Erklärung bedankt sich Roth dennoch bei der SPD. „Als Kind einer Bergarbeiterfamilie, das in Heringen (Werra) geboren wurde, als Erster in der Familie Abitur machen und studieren konnte, war mir diese politische Karriere alles andere als in die Wiege gelegt.“ Von seiner Partei, dem Bundestag und der Bundesregierung habe er viele wichtige Aufgaben übertragen bekommen, etwa die des Staatsministers für Europäische Angelegenheiten im Auswärtigen Amt von 2013 bis 2021.

Vor zwei Jahren zog sich Roth schon einmal für einige Zeit aus der Politik zurück, machte damals seine mentale Krise öffentlich. Auch im Stern-Interview spricht er über die Härte des Politik-Betriebs. „Wenn man heute Spitzenpolitik betreibt, muss man sich fast komplett aufgeben. Das ist brutal. Spitzenpolitiker müssen heute jeden Tag einfach nur überleben.“

Als die taz ihn vor einem Jahr fragte, ob er noch mal antreten werde, sagte er damals: „Für mich war immer klar, wenn man mit 28 in den Bundestag einzieht, dann wird man mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit nicht als Bundestagsabgeordneter in den Ruhestand gehen.“ In den Ruhestand, das machte Roth nun auch deutlich, wolle er noch nicht gehen. In seiner Erklärung schreibt er: „Ich werde weiterhin arbeiten, jedoch nicht mehr in der Politik. Damit ist dann Schluss.“

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18 Kommentare

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  • Wenn sich alle so verhalten würden, wie dieser Außenpolitiker wäre die SPD weg von der Bildfläche. Ich bin etwas überrascht, dass er diese Position überhaupt vertritt und sich noch auf der richtigen Seite dabei fühlt. Wenn die Funktionäre in seinem Wahlkreis es genauso halten würden, wie er es tut, hätte er keine Basis mehr. Er lebt selber davon, dass Parteimitglieder loyal und zuverlässig sind. Für mich ist ein eitler Individualist ohne Substanz und echten Anspruch, nur weil seine Eltern gearbeitet haben, steht ihm kein Heiligenschein zu. Und solange noch gegen die eigene Partei im Auswärtigen Ausschuss zu agieren, ist hinterhältig und selbstverliebt, kein einziger Ukrainer hat davon was, aber die Gegner der Regierung.

  • Für mich ist Roth einer der erste Politiker der "neuen" Generation. Bürgernah und mitfühlend, jedoch oft für eine Politik stehend, die auf Emotionen basiert und nicht auf sachlichen Argumenten.



    Solche Politiker wirkend sympathisch sind jedoch sehr gefährlich für eine langfristige Politik.

    • @Alexander Schulz:

      "Für mich ist Roth einer der erste Politiker der "neuen" Generation. Bürgernah und mitfühlend, jedoch oft für eine Politik stehend, die auf Emotionen basiert und nicht auf sachlichen Argumenten." Das ist ganz schlechter Diskursstil der anderen Seite Emotionalität zu unterstellen und sachliche Argumente abzusprechen. Sie müssen Roth's Argumente nicht teilen aber zu behaupten seine Politik sei Emotionen basiert ist eine Ad hominem Attacke die der Debatte nicht nützt.

  • Einer, der aus Überzeugung unsolidarisch ist und es dabei gut meint. Unvergesslich seine Unterstützungsaktion der Ukraine mit der provokanten Strack-Zimmermann und dem Polterer Hofreiter.

    • @ Hinrich Sass:

      "Einer, der aus Überzeugung unsolidarisch ist und es dabei gut meint. Unvergesslich seine Unterstützungsaktion der Ukraine" Was den jetzt entweder unsolidarisch oder solidarisch mit der Ukraine?

  • Schade, ich hatte gehofft, er würde in der nächsten GroKo Außenminister.

  • Ich freue mich sehr über diese Entscheidung. Bei Roth war ich mir nie sicher, ob da nicht ein CDU Mann sitzt. Vermissen werde ich ihn sicherlich nicht :)

  • Schade eigentlich, aber ich respektiere die Entscheidung Michael Roths - und ich kann seine persönlichen Motive nachvollziehen.



    In Sachen Ukraine steckt in mir selbst ja ein halber Roth und ein halber Mützenich - wer meine Kommentare zum Thema hier in der Kommune liest, weiß das.



    Der politische Abgang Roths mag bedauerlich sein, um schmutzige Wäsche gegen die SPD zu waschen, taugt er indes nicht.

  • Einer der wenigen vernünftigen Sozis tritt endgültig ab. Er passt nicht mehr in einen Verein, in dem gut klingen sollendes Wunschdenken wieder die Oberhand gewinnt. Hoffentlich engagiert er sich an anderer Stelle weiter.

    • @dites-mois:

      "gut klingen sollendes Wunschdenken wieder die Oberhand gewinnt. "

      Das kann man vielleicht den Grünen vorwerfen, aber nun wirklich nicht der SPD. Die SPD ist die Partei mit den meisten noch verbliebenen "langweiligen" Sachpolitikern vom alten Schlag.



      Die emotionalen Politikern mit populistischen Zügen lassen sich vorrangig in anderen Parteien finden.

      • @Alexander Schulz:

        Klar die SPD die nicht in der Lage ist ihre Russlandpolitik kritisch aufzuarbeiten macht Sachpolitik, regelmäßig mit Kriegsangst populistisch auf Wählerfang geht.

      • @Alexander Schulz:

        "Frieden" und "Verhandlungen" klingen gut und sollen gut ankommen. Sind aber angesichts der Realitäten, die Moskau vorgibt, völlig realitätsfern und führen zu mehr Krieg, Tod und Zerstörung.

  • 6G
    663803 (Profil gelöscht)

    na dann wünsche ich gute Erholung

  • Sehr bedauerlich. Schon seine Nichtwahl für den Parteivorstand der SPD wurde ja von einem Teil der Delegierten gefeiert. Das mag auch persönliche Gründe haben. Vor allem aber liegt es daran, dass in der Außen- und Sicherheitspolitik der SPD heute genau die Entspannungspolitiknostalgiker wieder den Ton angeben, die sich zuvor jahrelange von PR-Veranstaltungen wie dem "Petersburger Dialog" einlullen ließen, Nordstream II verfochten und sich selbst nach 2014 nicht von der Idee einer europäischen Friedensordnung gemeinsam Putin zu lösen vermochten. Die Aufarbeitung der SPD-Russlandpolitik, die Klingbeil ausgemacht haben will, findet jedenfalls weit und breit nicht statt und so etwas ist mit Ralle&Rolf natürlich auch nicht zu machen.

    • @Schalamow:

      Ich sag’ nur: aus der Retrospektive lässt sich immer gut reden.

      • @Abdurchdiemitte:

        Die Staatskunst scheint mir u.a. auch darin zu bestehen, aus der Rückschau heraus mit dem eigenen Tun Recht zu behalten, also das Richtige getan zu haben.

      • @Abdurchdiemitte:

        ??? Kritik an der SPD-Politk gibt es doch nicht erst seit dem 24.2.22. Deren Bereitschaft, selbst nach der Krim-Annexion schnellstmöglich wieder in die alten Geleise zurückzukehren, ist damals schon kritisiert worden. Leider mit deutlich weniger Resonanz.

        Im übrigen: Ich rede nicht erst aus der Retrospektive so. Ich darf hier mal einen kleinen Link anschließen, den ich aus den Tiefen des Internets gefischt habe. Sie werden dem unschwer entnehmen können, dass meine Position doch konsequent geblieben ist. Wenn ich daher über die Mützeniche hart urteile: Sie hätten es besser wissen können taz.de/Kommentar-z...-Frieden/!5026756/

        PN: Auf Ihren letzten Beitrag zu Strack-Zimmermann hätte ich gerne geantwortet, aber die Moderation hat anders entschieden.

        • @Schalamow:

          Diese masslos überzogene Kritik an der Entspannungspolitik ist falsch.



          Es war zb eine Meisterleistung der Diplomatie als Hollande und Merkel 2014 dafür sorgten, dass Putin nicht die ganze Urkaine angreift und vermutlich auch eingenommen hätte. Da würde ich mir auch etwas mehr Dankbarkeit von der ukrainischen Regierung wünschen.



          Ja, man kritisieren, dass die Entspannungspolitik nicht militärisch entsprechend flankiert wurde in den letzten Jahren, aber der Ansatz war der richtige und es war ja auch über Jahrzehnte ein Erfolgsgeschichte, die u.a



          zum Zusammenbruch der UDSSR geführt hat. Es ist vermutlich auch kein Zufall, dass Putins Angriffskrieg in eine Zeit viel in der es kaum noch we Politiker gibt, die für die Entspannungspolitik stehen.