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Demokratiefördergesetz unter BeschussKampf gegen Rechtsextremismus

Die FDP blockiert das Demokratiefördergesetz. Die grüne Familienministerin Lisa Paus macht Druck – plant aber bereits zweigleisig.

Steht mit ihrem Demokratiefördergesetz unter Beschuss: Familienministerin Lisa Paus Foto: Michael Kappeler/ dpa

Berlin taz | Die Attacken werden immer heftiger. Schon seit Monaten feuert die AfD gegen das Demokratiefördergesetz, dieses „zerstöre“ die Meinungsfreiheit. Tatsächlich passt ihr nicht, dass die Demokratieprojekte genau gegen den Hass vorgehen, den die AfD verbreitet. Aber auch die Union sowie die mitregierende FDP machen Stimmung gegen das Gesetz. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai erklärte gerade erst, dieses gehe „zu weit“ und habe „mit der Förderung der Demokratie nichts zu tun“.

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat am Dienstag dagegengehalten. Die Demokratieförderung stehe auf dem Boden des Grundgesetzes, betonte sie in Berlin auf einer Konferenz des Programms „Demokratie leben!“, für das ihr Ministerium verantwortlich ist. Und sie sei wichtiger denn je. Denn gerade in jüngerer Zeit habe sich gezeigt, „dass unsere Grundwerte durch Demokratiefeinde angegriffen werden“, so Paus. Und: Hass sei keine Meinung.

Auf der zweitägigen Konferenz versammelt haben sich rund 1.000 bundesweit Aktive aus dem Programm „Demokratie leben!“. Sie organisieren Projekte gegen Extremismus, Aussteigerprogramme oder Opferberatungen. Paus betonte, die Initiativen seien „vor Ort oft das letzte Bollwerk“ – umso mehr müssten sie sich auf den Staat verlassen können. Unter Applaus forderte die Grüne daher nochmals: „Das Demokratiefördergesetz muss jetzt schnell im Bundestag verabschiedet werden.“

Die FDP blockiert das Projekt im Bundestag seit Monaten

Allein: Die FDP blockiert dieses dort seit Monaten. Schon Ende 2022 hatten Paus und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) einen Gesetzentwurf vorgelegt. Damit soll die Förderung von Demokratieprojekten längerfristig abgesichert werden, statt immer nur für eine Förderperiode. Die FDP pochte aber erst auf die Wiedereinführung einer „Extremismusklausel“ für das Gesetz, dann erklärte sie das ganze Vorhaben als zu weitgehend. Seitdem liegt das Projekt auf Eis.

Aus der FDP-Fraktion heißt es dazu am Dienstag nur, es gebe keinen neuen Stand. Die Verhandlungen liefen weiter. Paus aber plant bereits zweigleisig. So soll die neue Förderperiode für „Demokratie leben!“ ab 2025 auch ohne Gesetz von vier auf sieben Jahre verlängert werden. An der aktuellen Förderhöhe, 182 Millionen Euro pro Jahr, will Paus festhalten. Mit den Geldern werden derzeit 700 Projekte gefördert. Künftig soll für Schwerpunktthemen aber eine bundesweite Struktur aufgebaut und die Demokratieförderung im Digitalen verstärkt werden.

„Ein sehr gutes Gesetz“

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte dagegen noch einmal Zweifel gestreut. In einem Gutachten bezeichnete dieser die Gesetzgebungskompetenz des Bundes, um Projekte gegen Extremismus zu fördern, als „umstritten“. Paus konterte auch hier am Dienstag: Mit dem geplanten Gesetz schaffe man ja genau die notwendige Rechtslage. Dieses sei „ein sehr gutes, sehr wichtiges Gesetz“.

Zuletzt hatte auch Innenministerin Faeser das Projekt verteidigt. „Der Versuch, den Kampf gegen Rechtsextremismus als Eingriff in die Meinungsfreiheit zu diskreditieren, ist eine Verdrehung der Tatsachen“, erklärte sie auf „X“. „Wir bekämpfen Hasskriminalität, weil sie zu mörderischer Gewalt wie dem Attentat auf Dr. Walter Lübcke geführt hat.“ Die Antwort der FDP folgte prompt. Meinungsfreiheit und Verhältnismäßigkeitsprinzip seien „zentrale Inhalte unserer Verfassung“, antwortete FDP-Bundesvorständin Linda Teuteberg auf der Plattform. „Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel.“ Legitime Kritik unter Verweis auf einen politischen Mord zu diskreditieren, sei „infam“.

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22 Kommentare

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  • Nichts gegen die Förderung von Demokratie. Wer kann da schon gegen sein?



    Leider ist das Gesetz in seiner jetzigen Form, ein reines NGO Fördergesetz welches unendlich viel Geld in schwer kontrollierbare und sehr zweifelhafte Projekte lenkt.



    Geld auszugeben ohne eine Möglichkeit, eine Erfolgskontrolle oder vernünftige Verwendungsnachweise mit Erfolgs. Nachweisen ist pure Geldverschwendung.

    • @Dromedar:In:

      Die Grünen wählen für ihre Gesetzgebungvorhaben derzeit inhaltslose Worthülsen (siehe "Kindergrundsicherung"), die bei genauerer Betrachtung wenig mit dem geplanten Gesetzesinhalt zu tun haben. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass diese dann im Ergebnis scheitern.

      Möglicherweise kommt das noch aus Zeiten der Opposition, wo jede Forderung möglichst fancy klingen musste. Das fällt jetzt auf sie zurück.

  • Schade, dass der Bericht nicht wiedergibt, was genau die Kritik aus Union und FDP ausmacht. So kann ich mir keine Meinung bilden, ob da etwas dran ist.

    Deutlich wird immerhin, dass der wissenschaftliche Dienst des Bundestags Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz hat. Wenig überzeugend wirkt es auf mich, wenn die zuständige ministerin solche Zweifel wegzuwischen versucht, indem sie darauf verweist, ihr Gesetz sei „ein sehr gutes, sehr wichtiges Gesetz“. Denn der Bund ist nach dem Grundgesetz nicht zuständig für alle "sehr guten und sehr wichtigen Gesetze".

    • @Sholli:

      Ist mir auch aufgefallen.

      Es geht wohl bei der Extremismusklausel darum, dass wer Geld bekommt, sich auch aktiv zur Demokratie bekennen soll. Und Pau hält das wohl für absurd. ( www.tagesspiegel.d...lich-11211034.html )

  • Was aus dem Bericht überhaupt nicht hervor geht: was sind die Streitpunkte und wieso sind sie strittig.



    Sollte man schon irgendwie erwähnen, wenn man jemanden zum blockieren macht.

    Bedenken des wissenschaftlichen Dienstes mit dem Vorgehen selbst wegwischen zu wollen, ist nicht mal ein schlechtes Argument.

  • Weshalb ist ein solches Gesetz beim Familienministerium angesiedelt. Richtigerweise müsste die Zuständigkeit (falls überhaupt) beim Kanzleramt oder beim Innenministerium liegen.

    Soweit der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages Zweifel an der Gesetzgebungskompetenz des Bundes hat, können diese doch nur durch eine Grundgesetzänderung ausgeräumt werden, nicht durch ein einfaches Gesetz des Bundes. Ob dieses nun "ganz toll" ist oder nicht spielt für die Gesetzgebungskompetenz doch gar keine Rolle.

  • Wenn ich an die Diskussion der Kindergrundsicherung denke, bin ich etwas skeptisch bei Frau Paus. Wir brauchen 12 Milliarden, ich hab nie was von 12 Milliarden gesagt um dann wieder zu sagen, wir brauchen 12 Milliarden. Auf die Frage für was, konnte sie Monate lange nichts sagen. Da es sechs Monate gedauert hat ein Konzept zu erstellen. Das empfand ich als unprofessionell, so ähnlich ist dann leider auch das Gesetz geworden.



    Die jetzige kurze Recherche über pro und contra von dem jetzigen Gesetzentwurf, lässt zumindest Zweifel ob es diesmal anders ist. Es wird hoffentlich noch etwas mehr die nächsten Tage zu lesen sein, da Förderung der Demokratie durchaus ein wichtiges Thema derzeit ist, bei dem eine durchdachte Lösung wünschenswert wäre.

  • Die FDP ist doch nicht so blöd wie einige meinen. Die wissen genau das der “Kampf gegen rechts” auch ein Kampf gegen die FDP ist.



    Wer würde schon der Gründung von Organisationen zustimmen die einen danach bekämpfen?

    Nach der nächsten Wahl und Mehrheit von rot rot grün hat sich die Blockade dann erledigt und der Kampf kann starten.

    • @Notizen aus Taiwan:

      Rot Rot Grün ist soweit entfernt wie das Schwarze Loch in unserer Milchstraße Sagittarius A*



      Auf absehbare Zeit wird es keinen Roten oder Grünen Kanzler mehr geben. Die SPD verschwindet auf Zeit.

  • @SAM SPADE

    Die FDP benimmt sich wie ein bockiges Kleinkind und schmeisst im Sandkasten mit Schäufelchen und Eimerchen und Sie...

    betreiben langweiliges Ampel-Bashing, in bester "Bild"-Manier.

    Merken Sie eigentlich, dass Sie gerade den Job der FDP machen? Wollen Sie das womöglich noch?

    • @tomás zerolo:

      Den Job der FDP machen eher jene, die unter Demokratieförderung nicht einen Faktor zur Eindämmung von Extremismus (somit natürlich auch Rechtsextremismus) verstehen, sondern ein Werkzeug zum Kampf gegen alles, was nicht links ist.

      Die Annahme, nur linke Demokraten seinen gute (oder überhaupt) Demokraten, ist nicht demokratiefördernd.

    • @tomás zerolo:

      "Merken Sie eigentlich, dass Sie gerade den Job der FDP machen? Wollen Sie das womöglich noch?"

      Damit kann ich nichts anfangen. Bitte mit Inhalt füllen anstatt mit Unterstellungen zu arbeiten. Schlechter Stil und niveaulos. Fakten und Argumente bitte oder raushalten.

  • Die FDP disqualifiziert sich selbst als Regierungspartener jeglicher Koalition.

    • @pablo:

      Da liegen Sie leider grundfalsch !!!



      - Bei Bosetti hat Herr Kemmerich doch nach hartnäckiger Nachfrage bereits geäussert, dass er sich in Thüringen wieder von der AFD zum Ministerpräsidenten wählen lassen will.

  • Die FDP disqualifiziert sich selbst als Regierungspartener jeglicher Koalition.

  • Faeser sagte, sie wolle gegen Leute vorgehen, die den Staat verhöhnen.

    Ich würde mir ungern mein Recht auf Hohn und Sport beschneiden lassen.

    Und dabei bin ich nicht einmal ein Nazi.

    • @Jim Hawkins:

      Autocomplete wieder, Spott sollte das natürlich heißen.

  • Gibt es eigentlich noch irgendeinen Gesetzesentwurf der Ampel, der nicht von einer Seite der Regierungsparteien nachträglich torpediert wird?

    Irgendwann sollte auch der Bornierteste in der Koalition begreifen, dass auf einer solchen Grundlage eine verantwortungsvolle Politik nicht möglich ist.

    Für Demokraten verhalten sich einige Damen und Herren in der Regierung äußerst undemokratisch.

    Und alle Regierungsparteien müssen sich den Vorwurf gefallen lassen, für den Aufstieg der Rechten in hohem Maße mitverantwortlich zu sein. Denn das ist die Folge eines inkompetenten Politikstils.

    Ich hatte insgeheim gehofft, dass nach der Ära Merkel ein Wandel im politischen Bewusstsein eintritt. Das ist auch geschehen, jedoch völlig konträr zu meinen Erwartungen.

  • " weltweit hat sich die Lage der Demokratie laut einer Studie verschlechtert, autokratien sind auf dem vormarsch. Länder wie Brasilien oder Polen zeigten jedoch dass eine trendumkehr möglich ist ". Genau. Deswegen gibt es Gründe für Hoffnung und Zuversicht.

    • @Konfusius:

      Die Umkehr kam aber erst nachdem die Rechten an der Macht waren und es für den kleinen Mann dann doch nicht besser wurde ...

    • @Konfusius:

      Ich habe aber keine Lust, die AFDeppen in der Regierung zu sehen, nur weil ich weiß, dass eine "trendumkehr möglich ist"

      • @Ahnungsloser:

        Ich auch nicht. Ich befürchte jedoch, es wird darauf hinauslaufen.