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Letzte GenerationKlimakleber wollen ins EU-Parlament

Seit 2022 hat die Letzte Generation vor allem mit Blockadeaktionen für einen strengeren Klimaschutz demonstriert. Jetzt hat sie einen neuen Plan.

Wollen weg von der Straße: die Letzte Generation Foto: Andreas Stroh/zuma press wire/dpa

Berlin dpa | Die Protestgruppe Letzte Generation will bei der Europawahl 2024 kandidieren. Dies kündigte die Sprecherin Carla Hinrichs am Mittwoch an. „Jetzt wollen wir unseren Widerstand von der Straße auch ins Parlament bringen“, sagte Hinrichs in einer Online-Konferenz. Die Gruppe stehe für die, die kein Blatt vor den Mund nähmen. Jetzt gelte es, das EU-Parlament aufzumischen.

Für die beabsichtigte Kandidatur zur Europawahl im Juni sei es sehr knapp, ergänzte Henning Jeschke, einer der Gründer der Letzten Generation. Viele hätten gesagt, das könne gar nicht mehr klappen. Doch reiche bei der Europawahl ein Stimmenanteil von 0,5 Prozent, um einen Sitz zu erobern, das seien etwa 250 000 Stimmen.

Nun gebe es zunächst eine „Community Challenge“: Man versuche, binnen einer Woche intern 100 Freiwillige für die Aktion zu finden sowie 50 000 Euro zu sammeln, sagte Jeschke. Danach werde man beginnen, die nötigen 4500 Unterschriften zu sammeln. Eine politische Vereinigung sei für die Kandidatur bereits gegründet. Jeschke nannte auch zwei mögliche Spitzenkandidaten: Lina Johnsen aus Leipzig und Theo Schnarr aus Greifswald.

Die 2021 nach einem Hungerstreik gegründete Gruppe hatte zwei Jahre lang vor allem Straßenblockaden mit festgeklebten Aktivisten als Protest gegen eine aus ihrer Sicht zu langsame Klimapolitik organisiert. Kürzlich hatte sie dann angekündigt, auf diese Protestform zu verzichten.

Keine Sperrklausel mehr

„Wir als Letzte Generation, wir haben jetzt zwei Jahre den Job in der Gesellschaft gemacht, den eigentlich niemand machen will: Wir waren der Bote der schlechten Nachrichten“, sagte Hinrichs. Doch sei die Gruppe auch „der Bote, dass es eine bessere Welt geben kann“.

Jeschke sagte: „Am Ende ist ganz klar: Du kannst auf den Straßen richtig wild alles zumachen, blockieren, ganz viele Menschen gehen dahin, und Leute legen ihre Arbeit nieder und alles – es braucht eine konfrontierende Macht am Ende auch im Parlament.“ Natürlich gebe es die Sorge vor dem „Niedergang durch die Institutionen“. Aber selbst anzutreten sei besser, als „heimlich die Grünen wählen“. Diesen hielt Jeschke „Kompromisssucht“ vor. Demonstrationen und zivilen Ungehorsam solle es weiter geben.

Bei dieser Europawahl gilt in Deutschland keine Sperrklausel. Das Bundesverfassungsgericht hatte 2011 zunächst eine Fünf-Prozent-Hürde gekippt, später dann auch eine Drei-Prozent-Hürde. Eine Wahlrechtsreform von 2022 sieht vor, dass bei künftigen Wahlen in großen Mitgliedsstaaten wie Deutschland wieder eine Sperrklausel eingeführt wird.

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11 Kommentare

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  • taz: „Jetzt wollen wir unseren Widerstand von der Straße auch ins Parlament bringen“, sagte Hinrichs in einer Online-Konferenz. Die Gruppe stehe für die, die kein Blatt vor den Mund nähmen. Jetzt gelte es, das EU-Parlament aufzumischen.

    Das EU-Parlament "verwaltet" den Kapitalismus, da ist die 'Letzte Generation' dann ja endlich bei den richtigen Leuten, um die einmal "aufzumischen". Das haben allerdings auch schon andere probiert, wie z.B. Martin Sonneborn von "Die Partei", aber das hat ja auch nichts gebracht, denn die Lobbypolitiker der Wirtschaft sind im EU-Parlament in der Überzahl.

    "Umwelt- und Klimaschutz? Nur wenn es den Reichen und Mächtigen nicht schadet und das Wirtschaftswachstum nicht behindert wird", ist doch das Motto der meisten Politiker, egal ob sie nun in Klein-"Kleckersdorf" sitzen oder im EU-Parlament.

    Die Passagiere der 1. Klasse auf der Titanic konnten sich aber auch nicht vorstellen, dass sie, wie die Menschen aus der 2. und 3. Klasse, auch elendig ersaufen werden. Übrigens, unserer Erde ist es völlig egal, ob die Menschheit einen Klimawandel verursacht und daran sterben wird oder ob die Menschen sich mit Atombomben selbst vernichten. Wenn die Menschheit weg ist, dann regeneriert sich die Erde einige Millionen Jahre und erblüht von neuem. Vielleicht erschafft sie dann ja auch endlich mal intelligentes Leben und nicht wieder einen Dummkopf, der sich auch noch überheblich und frech "Homo sapiens" (sapiens = vernünftig, klug, weise) genannt hat, obwohl er von Weisheit und Klugheit auch im 21. Jahrhundert immer noch weit entfernt war. Bei uns hat das Kapital das Sagen und nicht der Verstand, deshalb wird es für die jungen Leute wohl auch keine Zukunft geben.

    ***Gefährdet die Wirtschaft unsere Zukunft? - Ein Kritischer Blick | Prof. Dr. Harald Lesch*** www.youtube.com/watch?v=I4rI87Ve7Ks

  • Dann können Sie sich an Ihren Sitzen festkleben.

  • Das ist definitiv der richtige Weg.

    ..und das Signal auf das viele gewartet haben.

    Der nächste Schritt sollte dann in der Gründung von FFF Parteien in möglichst vielen Europäischen Ländern bestehen.

    Dank der Demos und LG Aktionen ist Euer Bekanntheitsgrad ja schon mal bei 100%.

    Ich denke wirklich, ab jetzt werden die Karten werden neu gemischt. Die Grünen und alle anderen Parteien dürfen sich schon mal warm anziehen.

    (und an alle die meinten man könne die Klimaaktivisten mit Diffamierung und Kriminalisierung Mundtot machen..

    ..habt Ihr ernsthaft geglaubt, die junge Generation lässt sich für alle Zeit ver&%*$%en.. und um ihre Zukunft betrügen..??)

    ..meine Stimme habt Ihr..

    ..Viel Erfolg..

    ...und..

    Danke..Danke..Danke

    • @Wunderwelt:

      "und an alle die meinten man könne die Klimaaktivisten mit Diffamierung und Kriminalisierung Mundtot machen..

      ..habt Ihr ernsthaft geglaubt, die junge Generation lässt sich für alle Zeit ver&%*$%en.. und um ihre Zukunft betrügen..??"



      Durchschnittsalter EU: 44,1 Jahre



      Anteil unter 30jähriger: ca. 30% der Bevölkerung, davon knapp 60% wahlberechtigt, was grob 17% Stimmenpotenzial absolut ergibt.



      Siehe: www.destatis.de/Eu...rspyramide-eu.html



      Selbst wenn "die junge Generation" geschlossen Klimaparteien wählen würde, wäre das noch weit entfernt von politisch tragfähigen Mehrheiten.



      Nun wählen Erstwähler und junge Menschen traditionell tatsächlich eher links als ältere Gruppen, dennoch waren es bei der letzten Bundestagswahl zum Beispiel 'nur' 30% der Erstwähler, die links oder grün gewählt haben. 40% allerdings wählten CDU, FDP oder AfD.



      Selbst in "der jungen Generation" haben also konservative Parteien bzw Parteien die das Klima nicht an erster Stelle sehen einen höheren Zuspruch.



      Siehe: de.statista.com/st...er-bundestagswahl/



      Und das ist europaweit so, in Österreich "hat die FPÖ derzeit bei den Jungwählern die Nase vorn, gefolgt von den Grünen und den NEOS."



      Siehe: www.vienna.at/eu-w...nders-hoch/8383432



      "Die junge Generation" ist also so wie alle anderen Generationen auch alles andere als politisch geschlossen links oder pro Klima. Das bestätigt auch eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung unter 16 bis 30jährigen aus dem Mai 2023, nach der "im Wertekanon junger Menschen" an erster Stelle "ein sicheres Einkommen haben" stand.



      "Sich unter allen Umständen umweltbewusst verhalten" landete in der unteren Hälfte des Wertekanons und "sich politisch engagieren" gar auf dem vorletzten Platz.



      Siehe: www.fes.de/studie-...-blick-auf-politik

    • @Wunderwelt:

      "FFF Parteien", das wäre spannend. Da müssten sich die Gruppen politisch nackt machen und zeigen, was die politisch Dominante ist.

      Es wird also nicht passieren. Schon allein deswegen nicht, weil es die Klimabewegung zerreißen würde, was auch nicht wünschenswert ist.

  • Damit vollziehen dann auch die Grünen ihre erste Spaltung - zwar nicht in den Parteigremien, sondern nur bei der Wählerschaft.

    Funfact: Die Grünen haben sich ebenfalls als SPV bei einer Europawahl zur Wahl gestellt, genau vor 45 Jahren im Jahr 1979.

  • Super Idee!

    Das gab es noch nie. Den "Widerstand auch ins Parlament bringen". Das wird sicher bis in die Grundfeste erschüttert werden.

    Immerhin verdienen dann ein oder zwei einen Haufen Geld und können den Herrgott einen guten Mann sein lassen.

    Davon abgesehen gibt es dort jede Menge Flächen zum Ankleben.

    • @Jim Hawkins:

      Spotten und Vorurteile Pflegen ist ja auch so viel konstruktiver. Würden sie es ins Europaparlament schaffen und dann nichts tun oder dummes Zeug reden währe Kritik angebracht.

      • @Andreas J:

        Spott ist ein althergebrachtes Mittel gegen Angst - hier wohl Angst vor Veränderung.



        Aber immer noch besser als Gewalt, wie man sie beim "Wegräumen" von Festgeklebten sehen konnte.

    • @Jim Hawkins:

      ...und jede Menge Blockademöglichkeiten bei den Umzügen zwischen Strassburg, Brüsel und Luxemburg. Rettungsgasse frei lassen!

      • @fly:

        :-)