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Umgang des Kremls mit Nawalnys TodEs geht um Erniedrigung

Kommentar von Barbara Oertel

Die Tage nach dem Ableben von Alexei Nawalny zeigen den Zynismus von Putins Russland. Repressionen gegen Andersdenkende werden zunehmen.

Menschen in Moskau legen am Samstag Blumen am Solowezki-Gedenkstein in Gedenken an Alexei Nawalny nieder Foto: REUTERS/Stringer

D ass Russlands Präsident Wladimir Putin über Leichen geht, wenn es dem eigenen Macht­erhalt dient, ist bekannt. So gesehen ist – grausam, aber wahr – auch das tragische Ende von Alexei Nawalny im heutigen Russland business as usual. Eine neue Qualität hat jedoch das Katz-und-Maus-Spiel rund um die sterblichen Überreste des prominentesten Kremlkritikers. Einen Menschen auch noch nach seinem Tod maximal zu erniedrigen und die Angehörigen gleich mit, darum geht es. Mehr Anschauungsmaterial, wie zynisch, menschenverachtend und moralisch verwahrlost dieses System ist, braucht es nicht.

Dazu passt auch der Umgang der ­Sicherheitskräfte mit den Rus­s*in­nen, die am vergangenen Wochenende, allen Einschüchterungen und realen Risiken zum Trotz, in mehreren Städten des Landes spontan ihre Anteilnahme am Tod Nawalnys bekundeten: Gewalt, Hunderte Festnahmen und ein juristisches Nachspiel, das viele Teil­neh­mer*in­nen zu erwarten haben. Offensichtlich haben Putin und seine Handlanger Angst vor trauernden Menschen mit Blumen und Kerzen, die sich in stillem Gedenken versammeln.

Man kann sich die Frage stellen, was dieses brutale Vorgehen über den tatsächlichen Zustand des Regimes aussagt. Wie auch immer der Befund ausfällt – für die, die in Haft gequält und tagtäglich entmenschlicht werden, macht das keinen Unterschied.

Ob die Journalistin Anna Politkowskaja, der Oppositionspolitiker Boris Nemzow, der Chef der Wagner-Truppe Jewgeni Prigoschin oder jetzt Nawalny: Über die Hintergründe und Umstände dieser Verbrechen in staatlichem Auftrag werden wir vielleicht nie die Wahrheit erfahren, zumindest nicht, solange Wladimir Putin im Kreml sitzt. Er wird sich schon im kommenden Monat für eine weitere Amtszeit bestätigen und entsprechend feiern lassen.

Schon jetzt steht fest, dass sich die Repressionen gegen Andersdenkende verschärfen werden. Und Nawalny wird nicht der Letzte sein, der für ein anderes Russland mit seinem Leben bezahlt.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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18 Kommentare

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  • „Man kann sich die Frage stellen, was dieses brutale Vorgehen über den tatsächlichen Zustand des Regimes aussagt. “



    Seltsam ist, dass Putin den Zeitpunkt für die Tat so unglaublich schlecht gewählt hat. Nur einen Monat vor den „Wahlen“ verderben die Reaktionen der Gesellschaft das ganze hübsche Setting dieser Veranstaltung, die vorher routiniert von allen potentiellen Störfaktoren (Duntsowa, Nadeschdin) befreit wurden. Dass Nawalnys Tod heftige Reaktionen auslöst würde, war ja vorhersehbar, entweder hat Putin das krass unterschätzt, oder es ist ihm egal, weil ihm der Zeitpunkt subjektiv wichtig war. Putin und seiner Entourage wird ja seit vielen Jahren ein Faible für obskure Praktiken und Rituale nachgesagt, vielleicht haben sie das Datum ausgewürfelt oder die Sterne befragt (das meine ich wirklich ernst).



    Ich glaube nicht, dass die Leichnam herausgegeben wird, nicht nur wegen der Vertuschung von Spuren, sondern weil es Putin um Nawalnys Vernichtung geht. Er will in tilgen. Das ist alles sehr, sehr pervers.



    Ich denke, Putin ist so tief in seiner „eigenen Welt“ versunken, dass er geistig nicht mehr in der Lage ist, den politischen Prozess zu steuern. D.h der Staat dümpelt jetzt nur noch, dem Trägheitsgesetz folgend, irgend wie vor sich. Das ist eine gute Nachricht, denn so kann man auf Dauer keinen Krieg führen.

    • @Barbara Falk:

      "Seltsam ist, dass Putin den Zeitpunkt für die Tat so unglaublich schlecht gewählt hat."

      Wieso schlecht gewählt? Es war Putins "Redebeitrag" zu Konferenz im München. Seine Art dem Westen gegenüber den Götz von Berlichingen zu zitieren.

      Für die Wahl in Russland ist es egal. Das Ergebnis steht fest. Evtl. wird noch gewürfelt, mit wie viel Prozent Putin gewinnt...

  • Wenn es jetzt die Chance gäbe, mit Putin über Frieden zu verhandeln, wie soll das gehen ? Mit einem schäbigen Mörder über Frieden verhandeln ? Oder mit seinem Kettenhund und Großmaul, Medjedew, oder wie der heisst, in all seiner Lächerlichkeit ? Weiss nicht wie das gehen soll.

    • @maestroblanco:

      ...ist Putin nicht eher der Vertreter von Oligarchen ?



      Man sollte auf keinen Fall glauben, Putin vertritt die Mehrheit der russischen Bevölkerung....



      Pressefreiheit - in Russland ist auch so eine Sache...



      Verständigung zwischen den Völkern geht von den Völkern aus und nicht nur über Machthaber und Regierende...



      Da sollte schon jeder Bürger selber aktiv,tolerant, interessiert und lernfähig sein....

  • Die ganz normalen Russen wissen alles über die Verbrechen ihres Regimes. Genau wie es die Deutschen wussten in der Nazizeit. Sie stecken genau so den Kopf in den Sand, weil sie Angst haben, in Mitverantwortung genommen zu werden. Sie werden Putin wieder wählen, Regimegegner ans Messer liefern und später werden sie sagen, dass sie von nichts gewusst haben.

    • @Katzenberger:

      Nichts ist vergänglicher als Diktatoren, ihre Denkmäler sterben mit ihnen.



      In 50 Jahren wird keiner mehr über Putin reden, über Mahatma Gandhi und Matin Luther King wird man ewig reden.

    • @Katzenberger:

      Immer einfach von der gemütlichen Wohnzimmer Couch solche Vorwürfe zu erheben.

  • Diese ganze grausame Unmenschlichkeit geht nicht nur an die russische Seele.



    Tief erschüttert nehmen wir in der ganzen Welt zur Kenntnis, was einem Alptraum gleichkommt und doch ist es eine Realität, die schwer oder fast gar nicht zu Begreifen/ Ertragen ist.



    In einer Welt - im Jahre 2024 muss doch eine zivilisierte Auseinandersetzung - für ein friedvolles - wenn schon nicht Miteinander - dann doch wenigstens Nebeneinander möglich sein.



    Wenn es schon die Machthaber / Regierenden dieser Welt nicht schaffen, so müssen wir als Weltbevölkerung mehr Miteinander mit den Mitmenschen anderer Länder - dieser, unserer Erde mehr Austausch pflegen.



    Mitmenschen dürfen sich nicht gegen andere Mitmenschen aufbringen lassen.

  • So katastrophal es auch für die Beteiligten ist - Putin kann niemanden auf ein so niedriges Niveau wie sein eigenes runterziehen. Leider kein Trost für die Betroffenen.

  • Dieser Kommentar liefert mir leider keinerlei neue Erkenntnisse und/oder Einsichten.

    Falls sich die Autorin ihren Frust/Schmerz von der Seele schreiben wollte - inhaltlich kann ich ihrem Kommentar uneingeschränkt zustimmen!

    Was kann man ihr antworten? Ich zitiere mal Stanislaw Jerzy Lec:

    "Die Uhr schlägt. Alle."

    Irgendwann (in absehbarer Zeit) auch Putin!

    Und wir sollten nicht übersehen, dass Putin schon lange jeden Tag für den Tod einer dreistelligen Zahl von Menschen verantwortlich ist.

    • @Al Dente:

      Eher Sechsstellig, Tendenz Richtung siebenstellig.

      • @Machiavelli:

        In der Summe sicher richtig. Bei mir gings allerdings "nur" um "täglich".

        • @Al Dente:

          Ah das habe ich zu später Stunde überlesen, ja sie haben recht. Noch ist sein täglicher bodycount 3-4 stelligen.

  • Na dann schauen wir mal wie es mit Julian Assange im Wertewesten weitergeht...

    • @frank:

      Ekelhaft. An dieser Stelle ist Whataboutismus komplett unangebracht. Oder wollen Sie in einem Staat leben, der Sie dafür umbringt, dass Sie anderer Meinung sind und es wagen, sich bei Wahlen aufstellen zu lassen? Oder für öffentliches Trauern ins Gefängnis wirft?

    • @frank:

      Muss er auch damit rechnen ermordet zu werden? Darf er auch keinen Besuch empfangen?

      • @Ahnungsloser:

        Ja, ich denke schon. Wer sich mit den falschen anlegt, lebt gefährlich - überall auf der Welt! Die Methoden unterscheiden sich aber.

      • @Ahnungsloser:

        Na ja, schwer krank ist Assange ja schon. Kein Wunder bei der langen Haftzeit. Zum Teil in Einzelhaft im Hochsicherheitsgefängnis.