piwik no script img

Grünanlagengesetz und Görlitzer Park„Ein Zaun bringt gar nichts“

Der Senat hat eine Novelle des Grün­anlagen­gesetzes vorgelegt. Der BUND-Baumschutzexperte Christian Hönig hält wenig von dem Entwurf.

„Die Grünanlagen sind übernutzt“, sagt Christian Hönig; im Görli kann man es sehen, am Dienstag schaut sich hier der Senat um Foto: Emmanuele Contini/imago

Darius Ossami
Interview von Darius Ossami

taz: Herr Hönig, die vom Senat vorgelegte Novelle des Grünanlagengesetzes richtet sich unter anderem gegen die Vermüllung der Parks und Beschädigungen von Bäumen, Büschen & Co. Das müsste Sie als Baumschützer doch freuen. Trotzdem kritisiert der BUND das Vorhaben. Warum?

Christian Hönig: Die Novelle löst die Probleme der Berliner Grünanlagen einfach nicht. Da hat man jetzt irgendwelche Änderungen reingeschrieben, aber eines überhaupt nicht in den Blick genommen: den Naturschutz. Der eigentliche Punkt ist doch folgender: Die Grünanlagen sind übernutzt und in einem schlechten Zustand. Nicht nur die Erholungsfunktion leidet stark. Auch die ökologische Wertigkeit der Grünanlagen lässt häufig zu wünschen übrig. Das heißt nicht, dass sie gar keine ökologische Wirkung haben, aber sie könnten bedeutend mehr zur Klimawandelanpassung und zur Biodiversität beitragen.

Ist das nicht etwas viel verlangt für einen Park?

Selbstverständlich kann nicht jede Grünanlage gleichermaßen Erholungsort für Sport und Freizeit, Biotop für Tiere und Pflanzen, effektives Entstehungsgebiet für Kaltluft und Regenversickerungsfläche sein, bei der idealerweise auch noch historisch wertvolle Gartengestaltungen erlebbar sind. Aber de facto haben wir schlichtweg zu wenig Grünflächen, damit all diese Funktionen flächendeckend der ganzen Stadt zugutekommen könnten. Wir leben in einer wachsenden Stadt, und je mehr Menschen nach Berlin ziehen, desto weniger Grünfläche gibt es rein rechnerisch pro Person. Gerade die innere Stadt ist komplett unterversorgt mit wohnungsnah fußläufig zu erreichendem Grün. Das gilt übrigens auch für das Tempelhofer Feld. So groß es auch ist, gibt es umliegend Quartiere, die statistisch unterversorgt ist. Das belegt auch der Senat herausgegebene Umweltatlas.

Das Grünanlagengesetz

Berlins Grünanlagengesetz soll überarbeitet werden. Vor gut einem Monat hatte der Senat den Entwurf für die Novelle vorgelegt, aktuell wird er im Rat der Be­zirks­bür­ger­meis­te­r*in­nen beraten, nächste Station: Abgeordnetenhaus. Mit der Gesetzesnovelle sollen die Bezirke in den öffentlichen Grün- und Erholungsanlagen stärkere Durchgriffsmöglichkeiten bekommen, um – so die Begründung – effektiver vorgehen zu können gegen „Vermüllung, Beschädigung von Anpflanzungen, Gefährdungen und Störungen von Anlagenbesuchern bei größeren Personenansammlungen und nächtlichen Feiern, Begehung von Gewalt- und Eigentumsdelikten sowie Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz“. Das umfasst auch die rechtssichere Durchsetzung von Alkoholverboten und nächtliche Parkschließungen.

Zaun um den Görlitzer Park: Nach Angaben von Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) soll das überarbeitete Gesetz auch als Rechtsgrundlage für den vom Senat geplanten Zaun um den Görlitzer Park in Kreuzberg dienen. Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Herrmann (Grüne), lehnt eine Umzäunung des Parks weiterhin ab, der Senat hält an seinen Plänen fest. Er könnte die Zuständigkeit für einen Zaun um den Park notfalls auch an sich ziehen.

Der Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) findet, dass viele der Probleme in den Grünanlagen eine Folge der Übernutzung sind. Dagegen würden auch keine zusätzlichen Zäune und Repression helfen. (taz)

Also: mehr Grünflächen schaffen. Aber größere Anstrengungen kann ich in der Hinsicht in Berlin nicht wirklich erkennen.

Wichtig ist daher ja auch erst einmal, dass die bestehenden grünen Freiflächen nicht weiter zugebaut werden. Dazu sollten durch Entsiegelung neue Räume geschaffen werden, die bestehenden Grünflächen aufgewertet und die Pflegemaßnahmen verbessert werden. Generell sollte das Konzept der sogenannten doppelten Innenentwicklung konsequent zu Ende gedacht und angewendet werden.

Das meint genau was?

Doppelte Innenentwicklung bedeutet: Gleichzeitigkeit von baulicher und grüner Entwicklung. Eigentlich ist man sogar schon weiter und sieht für den Städtebau ein Leitbild einer dreifachen Innenentwicklung vor, bei der Siedlungs-, Verkehrs- und Grünflächen gleichberechtigt entwickelt werden sollen. Momentan sehen wir jedoch, dass sehr einseitig gebaut wird – und zwar gern dort, wo es noch grüne Freiräume gibt.

Also alles ein Problem verfehlter Stadtplanung?

Auch. Wichtig wäre, dass man in der Stadtplanung wegkommt von dem vergleichsweise ungesteuerten Bauen nach Paragraf 34 des Baugesetzbuches, der Nachverdichtungen erleichtert, besser bekannt als „Lückenschluss-Paragraf“. Es muss wieder mehr mit Bebauungsplänen gearbeitet werden. Da stehen natürlich die Bezirksämter vor großen Herausforderungen, weil hier die Leute fehlen, die diese ganzen Pläne auch aufstellen können. Und wo wir dabei sind: Auch in den Grünflächen- oder Gartenämtern fehlen Mitarbeiter*innen, die die bestehenden Grünflächen pflegen.

Im Interview: Christian Hönig

44, hat in Göttingen Forst studiert und als Baumpfleger gearbeitet. Seit 2010 Referent für Baumschutz beim BUND Berlin.

Im schwarz-roten Koalitionsvertrag wurde vollmundig versprochen, man werde die Zahl der unbesetzten Stellen stark reduzieren. Erwarten Sie mit Blick auf die Grünflächen- oder Gartenämter hier Besserung?

Nun ja. Man möchte zwar neue Gärt­ne­r*in­nen einstellen, aber Berlin tut sich extrem schwer, das nötige Personal für die jetzt neu geschaffenen Stellen zu bekommen. Lange hat man beim Personal gestrichen und jetzt möchte man die gern wiederhaben, aber – Überraschung – man findet gerade keine. Der Fachkräftemangel macht sich halt auch hier bemerkbar.

Kommen wir zurück zum Grünanlagengesetz. Der Entwurf des Senats hebt ja zu wesentlichen Teilen darauf ab, Einschränkungen für die Nut­ze­r*in­nen von Grünanlagen zu erleichtern. Stichwort: Görlitzer Park. Wie steht der BUND zu den Plänen, den Park in Kreuzberg zu umzäunen und nachts zu schließen?

Die dort bestehenden Konflikte und Problemstellungen wird man mit einem Zaun nicht lösen können. Alle Menschen, die sich mit Kriminalprävention beschäftigen, können bestätigen, dass durch die bloße Gestaltung des öffentlichen Raumes Kriminelle nicht davon abgehalten werden, Straftaten zu begehen. Durch solche Maßnahmen kann vielleicht das subjektive Sicherheitsgefühl angehoben werden. Die Kriminalität verlagert sich dann aber an andere Orte. Wenn man da jetzt einen Zaun um den Görli macht, dann passieren dort nachts vermutlich weniger Straftaten.

Letztlich reden wir hier von sozialen Konflikten.

Richtig. Das hat viel mit Armut zu tun, mit Suchtproblemen und aggressiver Männlichkeit. Mit einem Zaun kommt man an die Ursachen dieser Probleme nicht ran. Man muss nur ein paar Meter weiter Richtung Kottbusser Tor gehen. Die kleine Grünanlage an der Skalitzer Straße ist seit der Sanierung auch nachts abgeschlossen. Trotzdem findet man morgens dort Spritzenbesteck in den Beeten. Der Wrangelkiez wird kein bisschen sicherer oder sauberer, bloß weil ich einen Zaun um den Görli ziehe. Das glaubt auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner nicht. Aber wir sind eine Naturschutzvereinigung. Wie die sozialen Probleme dort gelöst werden, ist nicht unsere Expertise. Da gibt es genug andere Menschen, die das besser beurteilen können. Wir sagen nur: Ein Zaun allein wird weder die Natur noch irgendeinen Park retten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • Ganz meiner Meinung, die wenigen grünen Ecken in den dicht besiedelten Innenstadtbezirken müssen erhalten bleiben.



    Und ein Zaun bestraft in erster Linie die AnwohnerInnen. Aber vielleicht ist das ja auch das Ziel der CDU/SPD, dem links-grünen Publikum eins mitzugeben.

  • "Die Kriminalität verlagert sich dann aber an andere Orte."

    Ein Umweltverband erklärt die soziokultuerelle Kriminalität.



    In anderen Ländern sperrt man einen Park nachts zu. Damit sich die Natur erholen kann, damit es nicht zu wilden Partys und somit zu Ruhestörungen kommt und um Kriminalität zu senken. Denn in einem schlecht beleuchteten und weitläufigen Park lassen sich nun mal sehr viel einfacher Straftaten begehen als auf - sprichwörtlich - offener Straße.

  • Ein Zaun alleine wird die Parks wirklich nicht retten, doch es kann ein Anfang sein. In meiner Kindheit gab es mal ein Schild "Betreten der Grünflächen verboten". Das sollte wieder großflächig reaktiviert werden, insbesondere Grillverbote. In London klappt das ganz wunderbar. Dort sieht ein Rasen in den Parks auch noch nach Rasen aus.

    • @DiMa:

      Das halte ich für verkehrt. Ich freue mich hier in Köln über die Familien, die zusammen grillen und mit Kindern Spaß haben. Das Grillen selbst ist nicht das Problem. Aber warum kann man, was man selbst in den Park hineingetragen hat, nicht auch wieder heraustragen? Es muß danach keine Müllhalde zurückbleiben und die Feigheit und Untätigkeit des Ordnungsamts dürfen die Müllwerker am nächsten Morgen ausbaden.

    • @DiMa:

      Ich wäre auch für eine Schließung des Parks - im Sommer ab 22:00 Uhr im Winter ab 20:00 Uhr.

    • @DiMa:

      Bei uns hieß das schlicht "Rasen betreten verboten". Die "Aneignung der Freiräume" war also noch nicht mal so grundsätzlich ausgeschlossen, als wie Sie das hier empfehlen. Aber sind wir schon wieder so weit, ausgerechnet hier in der TAZ?



      Wer keinen Privatgarten hat und in dichter Bebauung lebt, dem sollte doch in der Stadt mehr Kontakt zur Natur als Regenerationsraum erlaubt sein, als nur das Anschauen von weitem. Und wenn es wieder darum geht, dichten artenarmen deutschen Weidelgrasrasen als reine optisch grüne Anschauungsfläche zu überdüngen und zu bewässern, ist es gar umweltfreundlicher, einfach den Asphalt grün einzufärben.



      Ich sehe das Problem ganz woanders: Das offenbar in Familien und vor allem in den Schulen den Kindern empathisches und rücksichtsvolles Sozialverhalten und Naturverständnis unzureichend vermittelt wird. Vielleicht weil es für die Leitbilder "Wirtschaftswachstum" und "Profitmaximierung" keinen "Mehrwert" bringt.

      • @Lichtenhofer:

        Es bleibt ja nun mal kein Rasen übrig. Schon mal den Mauerpark ab ca. Mitte April gesehen? Eine einzige Fläche aus Staub und Matsch, übersät mit Scherben, Kronkorken und Müll.

        Wer hat etwas davon?

    • @DiMa:

      Na zum Glück haben wir hier keine Londoner Verhältnisse. Ich möchte den Park gerne nutzen, wofür er gedacht ist und nicht nur von außerhalb des Zaunes drauf schauen.