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Entscheidung über einen Ukraine-BeitrittNicht geschenkt. Verdient!

Anastasia Magasowa
Kommentar von Anastasia Magasowa

Der Beginn der Verhandlungen über den EU-Beitritt der Ukraine ist ein Erfolg. Doch die Ukrainer denken an den Preis, den sie dafür bezahlt haben.

In Kyjiw demonstrieren Stu­den­t*in­nen für die EU Annäherung der Ukraine auf dem Platz der Unabhängigkeit im November 2013 Foto: imago

V or genau zehn Jahren haben sich die Ukrainer endgültig für die EU entschieden. Damals nahmen Hunderttausende an der Euromaidan-Revolution teil. Heute wird die europäische Zukunft der Ukraine an einer 1.500 Kilometer langen Frontlinie verteidigt.

Wenn also gesagt wird, der ganze Prozess sei für die Ukrainer zu schnell gegangen, dann stimmt das nicht. So viele tragische Ereignisse liegen hinter ihr, und der höchste Preis wurde bezahlt – Tausende von Menschenleben. „Es war nicht alles umsonst“, twitterte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Europäischen Rates. Diese wird von den Ukrainern mit verhaltener Freude begrüßt: Sie denken an diejenigen, die diesem Tag so nahe waren, ihn aber nicht mehr erleben konnten.

Trotz der russischen Raketen am ukrainischen Himmel glauben die Ukrainer, dass dies eine historische Chance ist: Nicht nur für Entwicklung, sondern auch für das Überleben als Land und politische Nation. 78 Prozent der Ukrainer unterstützen den EU-Beitritt. Aber nur wenige machen sich Illusionen darüber, wie viel Arbeit noch vor ihnen liegt, um Mitglied der EU zu werden. Und 74 Prozent der Ukrainer sind laut einer neuen Meinungsumfrage davon überzeugt, dass die Ukraine keines ihrer Gebiete aufgeben sollte, auch wenn der Krieg noch lange andauern sollte.

„Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreichen. Ich erinnere daran, dass dies die Entnazifizierung, die Entmilitarisierung und der neutrale Status der Ukraine sind“, sagte Putin, als in Brüssel die historische Entscheidung für die Ukraine getroffen wurde.

Für Putin inakzeptabel

Putins Erklärung zeigt einmal mehr, dass der Kreml auch bei territorialen Zugeständnissen der Ukraine und einem Einfrieren der aktuellen Frontlinie nicht bei den bereits besetzten Gebieten haltmachen will. Er betrachtet die Ukraine nicht als unabhängigen Staat; dass das Land den europäischen Weg gewählt hat, ist für ihn inakzeptabel.

Deshalb muss die Ukraine heute so einen hohen Preis für ihre europäische Zukunft zahlen. Und deshalb ist der Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen für die Ukraine kein Geschenk. Die Ukrainer haben lange und hart für die europäischen Werte gekämpft, ihre Zugehörigkeit zur europäischen Familie bereits mehrfach unter Beweis gestellt.

Auch für die EU selbst wird der Beitritt der Ukraine ein großer Erfolg sein. Vor dem Hintergrund populistischer, radikaler und extremistischer Stimmungen, die in Europa rapide zunehmen, werden die Ukrainer der EU einen zweiten Atem verschaffen und daran erinnern, was den Kern dieser Union ausmacht – Menschenwürde, Freiheit und Gerechtigkeit.

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Anastasia Magasowa
Anastasia Rodi (Magazova) ist 1989 auf der Krim (Ukraine) geboren. Studium der ukrainischen Philologie sowie Journalismus in Simferopol (Ukraine). Seit 2013 freie Autorin für die taz. Von 2015 bis 2018 war sie Korrespondentin der Deutschen Welle (DW). Absolventin des Ostkurses 2014 und des Ostkurses plus 2018 des ifp in München. Als Marion-Gräfin-Dönhoff-Stipendiatin 2016 Praktikum beim Flensburger Tageblatt. Stipendiatin des Europäischen Journalisten-Fellowships der FU Berlin (2019-2020) in Berlin. 2023 schloss sie ihr Studium am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin ab. Sie hat einen Master of Arts (Politikwissenschaft). Als Journalistin interessiert sie sich besonders für die Politik in Osteuropa sowie die deutsch-ukrainischen Beziehungen. Von den ersten Tagen der Annexion der Krim bis heute hat sie mehrere hundert Reportagen über den Krieg Russlands gegen die Ukraine geschrieben.
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10 Kommentare

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  • 6G
    668289 (Profil gelöscht)

    Leider kein Photo ohne die Fahnen der Bandera-Anhänger. Es gibt viel zu tun.

  • Wo Orban drin ist sollte jeder reinkommen dürfen.

  • "74 Prozent der Ukrainer sind laut einer neuen Meinungsumfrage davon überzeugt, dass die Ukraine keines ihrer Gebiete aufgeben sollte, auch wenn der Krieg noch lange andauern sollte."



    „Es wird Frieden geben, wenn wir unsere Ziele erreichen. Ich erinnere daran, dass dies die Entnazifizierung, die Entmilitarisierung und der neutrale Status der Ukraine sind“, sagte Putin.



    Danke, dass die Autorin diese beiden harten Fakten nochmal benennt, das kann gar nicht oft genug geschehen. Die in ihr schlichtes Weltbild Verbohrten linker und rechter Provenienz übersetzen das ja bekanntermaßen mit "Kriegskurs der NATO" oder "deutscher Kriegsbesoffenheit" oder ähnlich.



    Ich leide und hoffe mit den Menschen in der Ukraine und wünsche ihnen von Herzen, dass sie diesen langen und entbehrungsreichen Kampf gegen die Aggressoren und Idioten dieser Welt durchstehen!

  • "Die Ukrainer haben lange und hart für die europäischen Werte gekämpft, ihre Zugehörigkeit zur europäischen Familie bereits mehrfach unter Beweis gestellt."



    Die Zugehörigkeit der Ukrainer und Russen zur europäischen Familie ist eine historische Selbstverständlichkeit. Auch die Beitrittsverhandlungen heute finde ich grundsätzlich gut, denn der unerträgliche Imperialismus Russlands muss eine Alternative haben.



    Trotzdem bleibt das Gerede von den "Werten" eine hohle Phrase, wenn man sich das Titelbild anschaut: Blut- und Boden-Fahne neben dem Europabanner in einem Meer aus Blau-Gelb. Was sollen das für Werte sein?



    Solange Nationalismus als "europäischer Wert" akzeptiert wird, könnte man darüber hinwegsehen. Klar gehört Nationalismus zum europäischen Erbe. Aber das Projekt der EU richtete sich gegen Nationalismus und basiert auf der Aussöhnung zwischen den "Erbfeinden" Deutschland und Frankreich. Das teilt in der Ukraine fast niemand.

    • @Günter Picart:

      „Das teilt in der Ukraine fast niemand.“



      Da stimmt überhaupt nicht, selbst jetzt, mitten im Verteidigungskrieg auf, weiß die Mehrheit der UkrainerInnen sehr wohl zu unterscheiden zwischen der russischen Gesellschaft als Ganzem und denjenigen, die diesen Krieg vom Zaun gebrochen haben, durchführen und unterstützen. Beschäftigen Sie sich z.B. mal mit den Ergebnissen dieser Umfrage vom Mai 2023:



      zn.ua/eng/how-ukra...een-brothers-.html



      Zur Aussöhnung gehören außerdem zwei, die Frage wird sich erst stellen, wenn Putin Geschichte ist, und viel wird davon abhängen, was nach ihm kommt.



      Ich sehe nicht, das man die EU-Beitrittsgespräche von einem offiziellen ukrainischen Bekenntnis zu Versöhnungsbereitschaft mit Russland abhängig machen sollte, oder müsste. Oder was schwebt Ihnen da vor? Im übrigen ist Selensky für die Ukraine schon in Vorleistung getreten, mit seiner Formel, das man mit Russland wieder reden wird, wenn es nicht mehr von Putin regiert wird.

    • @Günter Picart:

      Die Rot-Schwarze Fahne ist eine ukrainische Fahne getränkt in Blut, das ist ein Symbol was von Rechten verwendet wird, es steht aber auch für den jahrhundertelangen Kampf gegen Fremdbestimmung. Und gerade im Moment ist es ein Symbol für die massiven Opfer die das ukrainische Volk gegen den russischen Imperialismus bringen muss um in Freiheit und Würde leben zu können. Die Deutsche Flagge kriegt ihre Farben auch von den Uniformen der Lützower Jäger und ist damit nationalistisch aufgeladen. Nationalismus muss nichts schlechtes sein wenn er nach und nach in einem Lokalpatriotismus aufgeht wie er überall in Europa zu finden ist.

      • 6G
        668289 (Profil gelöscht)
        @Machiavelli:

        Der Nationalismus von Orban gefällt Ihnen wahrscheinlich weniger.

        • @668289 (Profil gelöscht):

          Wie gesagt muss nichts schlechtes sein. Kann aber. Wobei das Problem bei Orban nicht das er Nationalist ist sondern sein Autoritärer Führungsstil, Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

          • 6G
            668289 (Profil gelöscht)
            @Machiavelli:

            Gewöhnen Sie sich einfach einmal an den Gedanken, dass er eiskalt ungarische Interessen (z.B. niedrige Energiepreise) verfolgt. Die Innenpolitik ist ein eigenes Thema. Gleiches gilt für die polnische PiS und die völkischen Nationalisten in der Ukraine. Das ist aus der moralisierenden deutschen Perspektive natürlich schwer vollstellbar.

            • @668289 (Profil gelöscht):

              «völkischen Nationalisten“.



              Jetzt bin ich aber neugierig geworden. Wo in der Ukraine sind denn „völkische Nationalisten“ in der Regierungsverantwortung? Bitte nennen Sie Namen, und auch die Funktionen, die diese Menschen bekleiden.