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Entlastung für Industrie beim StrompreisKeine Brücke, aber Kurve gekriegt

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Ampel hat sich auf Maßnahmen geeinigt, um energieintensive Industrien im Land zu halten. Statt Industriestrompreis gibt es eine Stromsteuersenkung.

Energieintensive Unternehmen sollen besonders entlastet werden Foto: Socrates Tassos/Funke Foto Services/imago

D eutschland geht es nicht gerade blendend. Die deutsche Wirtschaft schrumpft, wohl als einzige große Volkswirtschaft in diesem Jahr. Ein Grund, aber nicht der einzige, sind die seit dem Krieg in der Ukraine stark gestiegenen Strompreise. Das bremst gerade energieintensive Unternehmen aus.

Man wundert sich ein wenig, dass die Bundesregierung so lange brauchte, um diese Bremse zu lockern. Spät, aber nicht zu spät hat die Ampel nun ein Paket vorgelegt, um die Unternehmen beim Strom zu entlasten. Gerade noch mal die Kurve gekriegt.

Die Ampel hat sich nicht auf einen subventionierten Brückenstrompreis für wenige geeinigt. Kern des Pakets ist eine Stromsteuersenkung für viele, nämlich für alle Unternehmen des produzierenden Gewerbes, insgesamt 635.000 in Deutschland.

Der Vorteil dieser Gießkannenlösung ist, dass nun auch viele mittelständische Unternehmen profitieren. Das sichert Arbeitsplätze und entkräftet den beim Brückenstrompreis geäußerten Vorwurf, nur eine kleine Gruppe von international operierenden Großunternehmen würde bevorzugt.

Andererseits entfallen die im Konzept von Robert Habeck vorgesehenen Bedingungen wie Tariftreue, Transformationsverpflichtung, Standortgarantie. Angesichts dessen, ist es positiv, dass die von der Bundesregierung runtergeregelten Strompreise wohl weiterhin leicht über dem Marktpreis liegen werden, und damit der Druck auf Politik und Gesellschaft erhalten bleibt, die preisgünstigen, erneuerbaren Energien rasch auszubauen. Nur so lässt sich der Strompreis langfristig und vor allem nachhaltig senken. Und zwar für alle.

Denn die Kosten für die Steuersenkung müssen auch Ver­brau­che­r:in­nen und all jene Betriebe mittragen, die nicht profitieren. 2,75 Millarden Euro an Mindereinnahmen müssen nun irgendwie im Haushalt abgebildet werden. Man fragt sich, wie lange die Ampel diesmal braucht, um einzusehen, dass es jetzt auch zusätzlicher Finanzierungsquellen bedarf.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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4 Kommentare

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  • Ich bin über diese Entscheidung sehr erfreut. Einerseits hält das kein energieintensives Unternehmen in Deutschland, weil derlei Subventionen sowieso jederzeit wieder einkassiert werden können. Der Drop ist gelutscht, das Vertrauen in Berlin ist dahin.



    Und andererseits finde ich es phantastisch das nun wieder der Steuerzahler für den Spaß geradestehen darf. Je mehr Steuersäckel-Subventionen, desto besser.

    Die AfD muss kein Geld mehr für Wahlwerbung in die Hand nehmen, es kommen zuverlässig alle paar Wochen laufend neue Kracher aus dem Reichstag.

  • Herzlichen Glückwusch ! Und der/die Ott-Normal-Verbraucher/in geht - wie befürchtet - leer aus ! So sieht also grüne Sozialpolitik aus.

  • "Andererseits entfallen die im Konzept von Robert Habeck vorgesehenen Bedingungen wie Tariftreue, Transformationsverpflichtung, Standortgarantie."

    Also noch mehr Geld für's Abwandern übrig...

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      Es wäre wirklich schön zu erfahren, mit welcher Begründung diese Bedingungen weggefallen sind. Habe dazu nirgendwo etwas gefunden.